32. Gallys Angst

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„Was war das denn?", fragte Minho irgendwann, aber ich konnte nur mit den Schultern zucken.
„Der ist doch nicht mehr ganz sauber. Wir sollen nicht richtig nachgeschaut haben? Das Labyrinth überlegt sich bestimmt, dass es sich irgendwo einfach öffnet, ganz sicher. So ein Strunk."
„Minho!", ermahnte ich ihn bestürzt.
„Was denn? Er hat gedroht, uns zu verbannen, wenn wir etwas sagen! Ist das für dich in Ordnung?!"
„Nein... Aber das Schlimme ist, dass ich es ihm sogar zutrauen würde. Deshalb habe ich keine große Lust, mich mit ihm anzulegen. Oder möchtest du einem Griever begegnen?"
Wieder schwiegen wir. Irgendwann verließen wir die Hütte und machten uns auf den Weg zum Abendessen. Wir waren die ersten und Fry Pan setzte sich zu uns.
„Alles okay mit euch? Ihr habt heute Alfreds Sachen gefunden, stimmt's?", fragte er besorgt.
Ich nickte und aß stumm weiter.
„Es tut mir wirklich sehr leid, was mit ihm passiert ist. Wenn ich irgendetwas für euch tun kann..."
„Danke, Pan, das ist lieb von dir, aber wir kommen klar." Ich lächelte ihn dankbar an.
„Wenn du was für mich tun willst, dann mach mal wieder diesen Kuchen, den du vor ein paar Monaten gemacht hast." Ich sah auf und sah Gally, der mit seinen Baumeistern im Schlepptau auf uns zukam. Meine Laune besserte sich ein wenig, als ich ihn sah und ich rutschte ein wenig, damit er sich neben mich setzen konnte.
Er schien zu merken, dass etwas in der Luft lag und schickte seine Jungs an einen anderen Tisch, ohne nachzufragen, was los war. Ich lächelte ihm zu und wartete auf ihn, als ich schon mit dem Essen fertig war.
„Wollen wir ein Stück zusammen gehen?", fragte er mich und ich nickte.
„Lass uns schwimmen gehen", schlug ich unvermittelt vor.
Also machten wir uns auf den Weg zum See.
Dort angekommen zog ich mein Shirt und meine Hose aus und ging langsam in das angenehme Wasser. Gally tat es mir gleich und als wir so tief drinnen waren, dass ich kaum noch stehen konnte schwiegen wir zuerst eine Zeit, bis ich die Stille brach.
„Nick ist der Meinung, dass Minho und ich unseren Job nicht ordentlich genug machen."
Gally sah mich verwirrt an. „Wie bitte? Wie kommt er darauf?"
Ich zuckte mit den Schultern, während ich das Wasser mit meinen Händen kleine Wellen schlagen ließ.
„Ihr macht das toll. Was mit Alfred passiert ist, war nicht eure Schuld, das weißt du doch auch, richtig?"
„Ja, das weiß ich. Aber es geht auch mehr darum, dass wir keinen Ausgang gefunden haben, bis jetzt. Alby hat uns gesagt, dass er momentan sowieso total angespannt ist."
Ich versuchte, ihm so viel zu erzählen, wie ich konnte, ohne dabei zu sagen, dass wir uns mittlerweile sicher waren, dass es keinen Ausgang gab.
Doch dann sagte Gally etwas, das mich zugleich verwunderte und erschreckte.
„Ich glaube nicht, dass es einen Ausgang gibt, den ihr finden könntet. Und ich glaube auch, dass das gut so ist."
Ich sah ihn mit großen Augen an. Mit dem ersten Teil war ich einverstanden, aber dass er gar keinen Ausgang finden wollte – wie konnte er so denken?
„Gally...", begann ich, aber er unterbrach mich.
„Ich weiß, was du jetzt denkst. Ich bin bescheuert, dass ich so etwas sage. Aber überleg doch mal. Was ist denn, wenn wir hier rauskommen? Woher wissen wir, dass es draußen etwas gibt, was wir finden können? Wer sagt uns, dass dort niemand auf uns wartet, nur um uns wieder einzusperren? Wir haben es hier doch gut, wir haben Essen, Trinken und vor allem einander. Stell dir vor, irgendwer trennt uns da draußen. Stell dir vor, jemand stirbt da draußen."
„Wir sterben auch hier drinnen", stieß ich hervor und er verstummte. „Wie kannst du nicht wissen wollen, was da draußen ist, Gally? Wie kann es dir egal sein, warum man uns hier eingesperrt hat? Willst du dich denn gar nicht an früher erinnern?"
„Ich erinnere mich an alles, was wichtig ist." Er sah mich durchdringend an. „Und ich dachte eigentlich, du wärst hier auch glücklich."
„Das bin ich ja auch... Aber wir können doch nicht für immer hier bleiben, eingesperrt und ohne Erinnerungen. Das musst du doch auch sehen."
Er zuckte nur mit den Schultern. Wieder schwiegen wir, bis ich entschied, das Wasser zu verlassen.
Ich schlüpfte in meine Sachen und wollte gehen, als er mich festhielt. Erwartungsvoll drehte ich mich um und sah zu ihm auf. Wir starrten uns kurz an, bevor er das Schweigen brach.
„Ich verstehe, was du meinst, wenn du sagst, dass du hier nicht ewig bleiben willst. Aber ich denke, das ist der Unterschied zwischen uns. Wenn es nach mir ginge, würden wir hier für immer bleiben, die meisten könnten von mir aus verschwinden, unter welchen Umständen auch immer –" hier hielt er kurz inne, weil ich ein entrüstetes Schnauben von mir gab – „Hauptsache ich habe dich bei mir und vielleicht Fry und Minho und ein paar Andere, die in Ordnung sind. Ich habe einfach Angst, dass da draußen etwas auf uns wartet, das wir nicht kontrollieren können und das man uns trennt oder uns etwas schlimmeres antut als das Labyrinth, verstehst du?"
Ich nickte langsam, immer noch dabei, alles zu verarbeiten, was er gesagt hatte.
„Tja, wahrscheinlich geht dein Wunsch in Erfüllung und wir kommen hier tatsächlich nie raus. Du solltest einfach nur wissen, dass das für mich natürlich keine Strafe ist. Aber du hast Recht, das unterscheidet uns. Ich würde gerne einen Ausgang finden. Das ist auch der Grund, warum ich jeden Tag in dieses Labyrinth renne und Gefahr laufe, von einem Griever geschnappt und gestochen oder womöglich sogar getötet zu werden."
Ein weiteres Mal schwiegen wir und sahen uns einfach nur an.
„Wir sollten schlafen gehen. Ich muss morgen wieder früh daraus, sonst macht Nick uns die Hölle heiß. Komm, lass uns zurückgehen."
Gally nickte und zog sich wieder an, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg zu den Hütten der Hüter machten. Vor seiner blieben wir stehen und ich umarmte ihn, um ihm noch einmal klar zu machen, dass ich wirklich froh war, ihn zu haben. Denn wenn ich ehrlich war, war es meine größte Angst, ihn oder Newt eines Tages zu verlieren. Und ich wollte nicht, dass Gally dachte, dass ich es als Strafe sah, hier mit ihm leben zu müssen.
Er drückte mich an sich und ich schloss für einen Moment die Augen und genoss seine Wärme. Dann lösten wir uns wieder voneinander und wünschten uns eine gute Nacht.
Ich schlüpfte leise in meine Hütte und konnte Minho bereits ruhig atmen hören. Genau wie ich schien er entschieden zu haben, früh zu Bett zu gehen, um morgen wieder früh ins Labyrinth rauszugehen.
So geräuschlos wie möglich legte ich mich auf meine Liege und rollte mich ein, bevor auch ich einschlief. Wenn ich nicht neben Newt lag, fiel es mir etwas schwerer, aber heute war ich besonders müde von dem aufregenden Tag, weshalb es nicht lange brauchte, bis ich langsam in einen unruhigen Schlaf glitt.
27 Monate und 12 Tage.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt