68. Eine Heldentat

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„Gally...?" Thomas machte einen Schritt auf ihn zu, doch Teresa hielt ihn fest.
„Nicht. Er wurde gestochen."
Jetzt sah ich es auch. Gallys Augen sahen nicht mehr aus wie seine Augen und der Schweiß der Verwandlung lief ihm die Stirn herunter. Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen und sein Anblick zerriss mir das Herz.
„Gally...", stieß ich hervor, aber er sah mich nicht an.
Stattdessen ließ er den Schlüssel fallen. Ich fragte mich, ob er dafür einen Griever getötet hatte, oder ob er ihn aus einem bereits toten geholt hatte.
„Wir können hier nicht weg."
„Doch, können wir, Gally. Wir sind draußen. Wir sind frei." Thomas hielt die Hände ein wenig hoch, als wollte er sich ergeben. Ich konnte sehen, wie die Hand, in der Gally die Pistole hielt, zitterte. Noch hatte er sie auf niemanden gerichtet.
„Frei? Du denkst, da draußen wären wir frei? Nein. Nein, von diesem Ort hier gibt es kein Entkommen." Jetzt hob er die Waffe und zielte auf Thomas. Der hob seine Hände noch höher und jetzt konnte ich sehen, dass er ebenfalls zitterte.
„Gally, nicht, hör auf!"
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Minho wollte mich festhalten, aber ich schüttelte seine Hand ab. Ich war die Einzige, die Gally irgendwie beruhigen konnte. Aber ich wusste nicht, wie. Deshalb machte ich noch zwei weitere Schritte auf ihn zu, ohne dass er es bemerkte.
„Gally, jetzt hör doch mal zu. Du kannst gerade nicht klar denken, wirklich. Aber wir können dir helfen. Du musst die Waffe weglegen", versuchte Thomas ihn zu beruhigen.
Ich sah zu Chuck herüber, der das Gespräch mit großen Augen verfolgte und vergewisserte mich, dass er hinter Thomas und in Sicherheit war. Dann machte ich noch einen Schritt auf Gally zu.
„Ich gehöre dem Labyrinth."
Thomas versuchte es noch einmal. Ich wusste, dass er bemerkt hatte, was ich vorhatte und Gally hinhalten wollte.
„Nimm einfach die Waffe runter..."
„Wir alle gehören ihm!"
Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Ich wollte gerade noch einen Schritt machen, als Minho mich von den Füßen zog und ich der Länge nach hinfiel. Über meinem Kopf surrte sein Speer vorbei und traf Gally, der eine Sekunde zuvor den Abzug der Pistole gedrückt hatte, mitten in die Brust.
„Nein!", schrien Chuck und ich wie aus einem Mund.
Ich konnte nicht sehen, was hinter mir passierte, aber ich sah, was mit Gally passierte. Er schnappte keuchend nach Luft und sah an sich hinab, wo der Speer ihn durchbohrt hatte. Dann sank er auf die Knie und fiel auf die rechte Seite, sodass sein Kopf genau neben meinem aufkam. Sein Blick traf meinen und ich sah wieder in die Augen, die ich kannte.
Ich kam auf die Knie und stellte fest, dass ich überall Wunden von dem Glas hatte, das auf dem Boden verteilt lag und in das ich hineingefallen war, als Minho mich umgerissen hatte, aber der Schmerz war mir egal. Ich krabbelte die letzten Zentimeter auf Gally zu und kniete mich neben ihn. Die Tränen liefen mir die Wangen herunter und ich griff seine Hand, als sein Atem immer flacher wurde.
„Gally...", schluchzte ich und sah die Angst in seinem Blick, bevor dieser immer trüber wurde. „Gally, nein, bitte..."
Aber er gab keine Antwort, sondern lag jetzt einfach nur noch reglos da.
Es hatte nur wenige Sekunden zwischen dem Schuss und jetzt gedauert, bis der Tod ihn sich geholt hatte.
Als ich glaubte, es könne nicht schlimmer werden, hörte ich plötzlich Chuck hinter mir röcheln und Thomas' Namen sagen. Ich drehte mich um und erkannte das Blut, das sich langsam auf seiner Brust ausbreitete, ausgehend von der Wunde, die die Kugel hinterlassen hatte.
Chuck hatte sich vor Thomas geworfen, das wurde mir jetzt klar.
„Nein", stieß ich hervor und war mit einem Satz auf den Beinen und dann bei Chuck.
„Chuck!" Der Junge kippte um und Thomas hielt ihn fest, damit er nicht einfach umfiel und legte ihn vorsichtig auf dem Boden ab. Ich fiel neben den Beiden auf die Knie und legte meine Hand an seinen Kopf.
Ich bekam kaum mit, was um mich herum passierte. Ich sah nur, dass Teresa ebenfalls auf die Knie ging und ein paar Zentimeter von Chuck entfernt blieb, ebenfalls völlig entsetzt.
„Oh nein", hörte ich jemanden sagen und glaubte, Newts Stimme zu erkennen, aber alles ging in dem röchelnden Atem und dem Stöhnen von dem Jungen vor mir unter. Er starrte entsetzt zur Decke und ich strich ihm unaufhörlich durch die Haare. Das Blut durchtränkte sein Oberteil und ich wusste, dass er es nicht schaffen würde, auch wenn ich den Gedanken ganz weit von mir wegzuschieben versuchte.
„Oh shit! Shit!", fluchte Thomas. „Sieh mich an! Sieh mich an, Chuck! Sieh mich an, okay?"
Die Tränen liefen mir immer weiter über das Gesicht und ich musste mir auf die Unterlippe beißen, um nicht laut zu schluchzen.
„Chuck, sieh mich an, okay? Bleib bei mir, Kumpel, halt durch!"
„Anna...", keuchte Chuck.
„Ich bin hier, ich bin hier. Ich bleibe immer bei dir, das weißt du doch."
Jetzt konnte ich das Schluchzen nicht mehr zurückhalten und erstickte es, indem ich mir eine Hand vor den Mund presste.
„Thomas, Thomas..."
Er griff mit der einen Hand nach mir und mit der anderen holte er etwas aus seiner Tasche. Als ich sah, was es war, entfuhr mir ein unkontrolliertes Schluchzen.
„Shit, halt durch!", sagte Thomas immer wieder, doch er verstummte, als er erkannte, was Chuck ihm da hin hielt.
Es war die kleine Figur, die er geschnitzt hatte.
„Nein, Chuck. Du wirst sie ihnen selber geben, weißt du noch? Das hab ich dir gesagt."
„Tu du es!" Seine Stimme war gequält und brach.
„Nein...", schluchzte Thomas, aber Chuck öffnete seine Hand und legte die Figur hinein.
„Danke... danke", stieß er mit letzter Kraft hervor, bevor auch seine Augen glasig wurden.
Er starb.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt