25. Vorurteile

1.1K 66 9
                                    

Wir arbeiteten bis zum Mittagessen weiter an unseren Skizzen und dem Modell. Kurz bevor wir uns auf den Weg zu Fry Pan machten, entschieden wir, dass wir nichts mehr zu tun hatten und den Nachmittag frei machen würden. Ich nahm mir vor, dass ich mich ein bisschen zu Gally setzen würde, denn bei ihm war ich schon lange nicht mehr gewesen, um genau zu sein seit unseren ersten Tagen hier. Er würde sich bestimmt freuen, wenn ich ihm mal wieder Gesellschaft bei der Arbeit leistete. Vielleicht konnte ich ihm ja auch ein bisschen helfen.
Wir erreichten die Küche und setzten uns zu Gally und Clint, die schon aßen.
„Na, habt ihr den Frischling schon kennengelernt?", fragte Gally uns, als wir saßen.
„Ja, er scheint nett zu sein."
„Aber kein Läufer", warf Minho ein und ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
„Und das macht ihn weniger nett?", fragte ich.
„Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Wir sind ja auch schon zu zweit, da hatte Alby Recht. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn das auch erst einmal so bleibt. Jemanden, der uns nur aufhält brauchen wir nicht."
„Und genau deshalb ist es doch gut, wenn ihm ein anderer Job liegt, oder?", hakte ich nach. Ich verstand nicht, warum Minho so dachte.
„Ja, du hast Recht. Ich habe dumm reagiert, entschuldige. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe."
„Kein Problem, du Strunk", lachte ich und damit war die Sache geklärt.
Ich beobachtete, wie Newt zusammen mit dem Neuen zum Essen kam und schloss daraus, dass dieser sich dazu entschieden hatte, es bei den Hackenhauern auszuprobieren. Ja, das passte auch irgendwie zu ihm, fand ich.
Die beiden setzten sich auf die letzten Plätze an unserem Tisch, wobei Newt sich neben mich und der Frischling sich neben Minho, der mir gegenüber neben Clint saß, setzte.
„Na, wie war dein Tag?", fragte Newt mich.
„Bisher gut, wir sind mit allem fertig geworden, was wir heute schaffen wollten. Heute Nachmittag wollten wir uns mal frei nehmen und ich dachte, ich leiste Gally ein bisschen Gesellschaft."
„Hey, davon wusste ich ja noch gar nichts. Wann wolltest du mir von meinem Glück denn erzählen?", fragte Gally neben mir mit vollem Mund.
Ich lachte. „Jetzt weißt du's ja."
„Und morgen geht ihr wieder da raus?", fragte der Neue ehrfürchtig.
Jetzt waren alle Blicke auf ihn gerichtet und ich antwortete schnell, bevor es ihm unangenehm werden konnte, dass er etwas gefragt hatte.
„Ja, morgen gehen wir wieder ins Labyrinth."
„Wow. Ihr seid ja ganz schön mutig."
„Man gewöhnt sich mit der Zeit daran", murmelte Minho, schon wieder ein wenig abweisend.
Ich fragte mich wirklich, was er hatte.
Der Junge sah ihn kurz nachdenklich an, wobei Minho weiter auf sein Essen sah und nicht aufschaute. Dann sah er wieder mich an und seine Augen begannen wieder zu leuchten. Anscheinend hatte er entschieden, Minhos Laune keine Bedeutung zu schenken. Gute Entscheidung.
„Und ihr habt keine Angst, euch zu verlaufen?"
„Wir sind ganz gut darin, uns Wege zu merken, schätze ich. Bis jetzt hatten wir damit keine Probleme."
Wieder sah er mich mit diesem ehrfürchtigen Blick an. Irgendwie komisch.
Gally sah das anscheinend auch so, denn jetzt mischte er sich ein. „Nur um das schon mal zu klären, sie ist nicht mehr zu haben. Ist schwer zu akzeptieren, ich weiß, aber Newt war nun mal schneller als wir." Er klang belustigt.
„Gally, jetzt hör aber auf. Er hat mich doch nur was gefragt."
Ich hatte gesehen, wie der Neue die Augen entsetzt aufgerissen hatte, weil er offensichtlich Angst hatte, jetzt etwas falsch gemacht zu haben. Bei meinen Worten wurde er wieder etwas ruhiger und schien nun zu entscheiden, dass es das Beste war, wenn er jetzt erst einmal still war und einfach aß. Wahrscheinlich hatte er Recht, die Jungs – und vor allem Gally – waren zu gut darin, einem was anzuhängen, auch wenn es nicht so war und wenn man neu war, musste das ziemlich einschüchternd sein. Ich war froh, dass es mir nie so gegangen war.
Während wir aufaßen unterhielten wir uns über alles Mögliche und Clint erzählte, dass er Justin heute Vormittag schon wieder verarzten musste, weil er sich mit einer Hacke verletzt hatte. Mittlerweile war es zum Runninggag geworden, dass er es immer wieder schaffte, sich zu verletzen. Allein in meinen ersten Wochen hier hatte er fünf Nächte und zahlreiche Kurzaufenthalte in der Sanihütte verbracht.
Als alle aufgegessen hatten, machte ich mich mit Gally auf den Weg zu den Hütten der Hüter, wo er nach wie vor dabei war Fry Pans Hütte zu bauen. Ich war erstaunt, als ich sah, wie viel Baumaterial heute mit der Box hochgekommen war.
„Daraus kannst du jetzt ja erst einmal einiges machen, was?", fragte ich und deutete auf den Berg aus Holz.
„Stimmt. Ich war auch überrascht, dass es dieses Mal so viel war. Aber so komme ich vielleicht schneller voran, dann bekommen du und Minho bald auch eure Hütte."
Ich sah ihn überrascht an. „Unsere Hütte?" Singular?
„Ach so, hat Nick es euch noch nicht gesagt? Ihr sollt euch eine Hütte teilen. Komm schon, da ist doch nichts dabei. Ihr sollt euch ja kein Bett teilen. Außerdem bist du doch sowieso andauernd bei Newt, richtig?"
Er hatte Recht.
„Entschuldige, ich war einfach nur überrascht. Natürlich macht es mir nichts aus, mir eine Hütte mit Minho zu teilen." - Das würde wahrscheinlich sogar lustig werden.
Ich half Gally, indem ich ihm die Dinge reichte, die er brauchte. Das war wirklich kein harter Job und wir konnten uns unterhalten.
„Wie's aussieht, wird der Frischling ein Hackenhauer. Ich hatte wirklich gehofft, dass ich mal einen Baumeister dazu bekäme."
„Da hast du Recht. Vielleicht hast du nächsten Monat ja mehr Glück."
Gally zuckte nur mit den Schultern. „Ja, vielleicht. Wenn nicht, kannst du mir ja helfen." Jetzt lachte er.
„Oh ja, das liegt mir bestimmt hervorragend." Auch ich musste lachen.
„Warum, du machst dich gerade doch sehr gut."
„Ich gebe dir Sachen an, die du mir sagst. Und meistens weiß ich nicht einmal sofort, was du meinst. Ich bin wahrscheinlich der schlechteste Baumeister, der je geboren wurde und würde mir sofort einen Finger platt hauen."
„Vielleicht hast du sogar Recht. Gib mir bitte mal den Hammer."
„Da weiß ich sogar, was es ist."
Wieder lachten wir. Ich war froh, dass ich mich entschieden hatte, Gally zu helfen.
Irgendwann entschied er sich, eine Pause einzulegen und wir setzten uns auf einen Stapel Holz.
„Wenn wir schon mal alleine sind, wie läuft's eigentlich mit unserem Newty?", fragte er, nachdem er etwas getrunken hatte.
„Hervorragend", entgegnete ich.
„Und du willst mir, deinem besten Freund, immer noch weiß machen, dass ihr beiden immer noch nur kuschelt?"
Ich sah ihn entrüstet an.
„Gally!", rutschte es mir heraus.
„Was denn? Ich werde dich das ja wohl fragen dürfen!"
Als er meinen entsetzten Blick sah, musste er lachen.
„Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn du mich so etwas nicht fragen würdest."
Ich versuchte entsetzt zu klingen, musste aber selber lachen.
„Ach ja?"
Ich nickte.
„Und, bekomme ich trotzdem eine Antwort?"
„Du wirst nicht locker lassen, habe ich Recht?", fragte ich gespielt theatralisch.
„Völlig richtig."
„Na schön. Ja, mehr war da noch nicht, seit ich hier angekommen bin. Und weißt du was? Ich finde es gut so. Vollkommen egal, was vor dem Labyrinth war, es ist doch trotzdem so, dass wir uns hier erst seit vier Wochen kennen. Mal abgesehen davon haben wir auch kaum Zeit für so etwas."
„Oh glaub mir, dafür werdet ihr genug Zeit haben, wenn ihr wollt. Und das werdet ihr."
Jetzt warf ich ein kleines Stück Holz nach ihm, aber er duckte sich rechtzeitig.
„Was denn?", fragte er lachend. „Ich sage nur die Wahrheit."
„Und woher willst du das wissen?"
„Hey, jetzt werd aber nicht persönlich."
„Es ist doch so." Jetzt war ich diejenige die lachte.
„Ich bin ein Kerl, okay? Ich weiß das auch, ohne dass ich es selbst tue."
„Soso, alles klar."
Wir sahen uns kurz ernst an und brachen dann wieder in schallendes Gelächter aus.
„Was ist so lustig?" Jemand kam von hinten auf uns zu und wir drehten uns um.
Newt.
„Ach, gar nichts", log ich und sah ihn unschuldig an. Als Gally neben mir ein Prusten von sich gab, das er offensichtlich nicht zurückhalten konnte, konnte auch ich mich nicht mehr beherrschen und schon wieder lachten wir lautstark.
„Muss ich das verstehen?", fragte Newt verwirrt.
„Nein", stieß ich hervor und lachte nur noch mehr.
Er stand da und sah uns verständnislos an, bis wir uns einigermaßen beruhigt hatten. Dann wandte er sich an Gally.
„Nick schickt mich. Er möchte, dass du den Neuen morgen mal bei dir einweist und schaust, wie er sich als Baumeister machen würde. Du brauchst dringender Unterstützung als die Hackenhauer. Auch wenn ich mir ihn nicht mit einem Hammer vorstellen kann."
Gally hob eine Augenbraue.
„Du kannst Nick sagen, dass ich kein Interesse daran habe, ihm meine Arbeit zu zeigen, weil er es sowieso nicht können wird. Da könnte Anna mir ja besser helfen."
„Jetzt werd aber nicht gemein, Gally. Jeder könnte das besser als ich."
„Du machst das gut. Und ich kann es nur nochmal sagen. Ich bin glücklich so wie es ist und bevor ich mir einen ans Bein binde, der es nicht drauf hat, warte ich lieber darauf, dass einer mit der Box hochkommt, der Talent hat, klar?"
Newt sah ihn schief an. „Ich werd's Nick sagen, aber ich glaube nicht, dass es ihn interessieren wird. Wenn du es partout nicht willst, musst du wahrscheinlich selber zu ihm gehen oder den Tag morgen so gut es geht rumkriegen. Der Frischling wird sich schon keinen Nagel ins Bein hauen oder so."
„Da wäre ich mir nicht so sicher, ich meine –"
„Gally! Schluss jetzt!" Ich war aufgestanden und sah ihn drohend an. „Was soll denn das? Was habt ihr alle? Minho ist auch so komisch, wenn es um den Neuen geht. Ich finde das nicht okay von euch. Er gehört jetzt auch zu uns, so wie jeder Neue, so wie wir letzten Monat."
Empört stemmte ich die Hände in die Hüften und sah von oben zu ihm herab, bis er auch aufstand.
„Okay, okay. Du hast ja Recht, ich geb ihm 'ne Chance. Und ich werde nett zu ihm sein, versprochen." Er hatte die Hände gehoben und sah mich beschwichtigend an, bevor er mich umarmte. „Tut mir leid, Kleine. Ich reiße mich jetzt zusammen."
Ich lockerte meine Haltung etwas und erwiderte die Umarmung.
„Ist schon gut."
Vielleicht hatte ich auch etwas überreagiert, aber es nervte mich, wie impulsiv er manchmal sein konnte. Ein Gefühl sagte mir, dass er das auch früher schon gewesen war und dass es auch da schon zu Problemen geführt hatte, in die ich immer mit verwickelt war.
Wir lösten uns voneinander und drehten uns zu Newt.
„Also, du kannst Nick sagen, dass ich es morgen mit dem Neuen versuchen werde. Aber ich kann nicht versprechen, dass er ein Baumeister wird. Wie du selber schon gesagt hast, er wirkt nicht so, als wäre das sein Ding."
Newt nickte. „Gut. Wie kommst du voran?"
„Ganz gut, Anna hat mir geholfen, da war ich noch schneller als sonst." Er zwinkerte mir zu und ich grinste zurück.
Wieder nickte Newt. „Na dann, wir sehen uns beim Fest. Ich gehe mal wieder zu den Feldern."
Er winkte uns zu und machte sich auf den Weg zu seiner Arbeit, während Gally und ich dort weiter machten, wo wir vor unserer Pause aufgehört hatten.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt