Kapitel 4

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"All I want" (Part 1) von Kodaline

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"Wann wird sie wieder wach?", hörte ich eine verwaschene Stimme fragen.

Ich konnte nicht ausmachen, wer da gesprochen hatte. Alles fühlte sich so schwer an. Mein ganzer Körper war schwach und bewegungsunfähig. Ich konnte mich weder bewegen, noch die Augen öffnen, aber ich bekam alles mit. Dem Geruch zu Folge war ich in einem Krankenhaus und lag in einem unbequemen Bett dort. Ich spürte die Infusion in meiner rechten Hand, sowie die Nasenbrille über meinen Wangen, die mich zusätzlich mit Sauerstoff versorgte. Ein leises Piepen neben mir sagte mir, dass ich an ein EKG oder etwas anderm angeschlossen sein musste, das meinen Herzschlag miss.

"Der Arzt meinte ihr Körper braucht noch Zeit sich zu regenerieren", sprach da eine andere Stimme. Erst nach langem Überlegen erkannte ich sie. Es war die ruhige Stimme meiner Mutter. Sie saß anscheinend neben meinem Bett, denn ich hörte ihre Stimme ganz dicht bei mir.

"Ich hätte das niemals zulassen dürfen", hörte ich da die Stimme von Jan, "Ich hätte niemals darauf vertrauen dürfen, dass es ihr gut geht." Seine Stimme triefte nur so vor Selbstvorwürfen. Er machte sich dafür verantwortlich, dass ich in diesem Krankenhausbett lag.

Aber es war ganz alleine meine Entscheidung gewesen. Ich hatte gewusst, dass es mir nicht gut ging, das ich mich eigentlich in einem Krankenhaus durchchecken lassen sollte. Aber ich hatte auch gewusst, dass da so viele Menschen gewesen waren, die meine Hilfe mehr brauchten. Also hatte ich mich dazu entschieden Jan anzulügen. Ich wollte so vielen Menschen helfen, wie es nur ging. Meine eigene Gesundheit war mir dabei egal gewesen.

"Ich kenne meine Tochter seit 21 Jahren. Niemand kann ihr etwas ausreden. Sie wollte dir helfen und hat deswegen entschieden dich zu belügen", besänftigte meine Mutter ihn.

"Ich hatte wirklich gedacht, sie wäre hinter der Säule gewesen, sowie Simon und ich. Das sie geschützter gewesen wäre", seufzte Jan. Die Vorwürfe sich selbst gegenüber ließen nicht nach. Das hatte ich nicht gewollt. Er sollte nicht denken, dass es seine Schuld war.

Ich hörte, wie eine weitere Person den Raum betrat.

"Ich hole mir mal einen Kaffee", hörte ich meine Mutter sagen, bevor sie den Raum verließ.

"Hallo Jan", sprach der Neuankömmling in meinem Zimmer, "Wie sieht es aus?" Ein klopfendes Geräusch, als hätte der Neuling Jan auf die Schulter geklopft, ertönte im Raum.

"Unverändert. Die Ärzte wissen noch nicht wann und ob sie aufwachen wird, aber die Frage, die sie sich mehr stellen, ist, wenn sie wieder aufwacht, was wird sie für Folgeschäden haben", erklärte Jan dem Mann und mir was gerade passierte.

Folgeschäden.

Ich hatte nicht erwartet, dass ich meine Gesundheit wirklich so mit Füßen getreten hatte.

"Jan, geh endlich nach Hause. Schlaf in deinem eigenen Bett, ruh dich aus. Wenn sich etwas verändert, werde ich dich anrufen", versuchte der Mann, Jan zum Gehen zu bewegen. Da wurde mir endlich klar, dass es sich bei dem Mann um meinen Vater handelte. Ich hatte es nicht erwartet. Meine Eltern waren seit fast sechs Jahren geschieden. Und in dieser gesamten Zeit hatte ich sie nicht ein einziges Mal in einem Raum gesehen. Die Scheidung war nicht schön vonstatten gegangen. Sie hatten sich einen erbitterten Rosenkrieg geleistet und sprachen nur über Anwälte miteinander. Nach der Scheidung hatten sie nie wieder miteinander geredet oder nur im selben Raum stehen können. Das beide jetzt hier bei mir im Krankenhaus waren, zeigte mir, wie schlimm es wirklich um mich stand. Ich war ihr einziges gemeinsames Kind. Aus der ersten Ehe meines Vaters hatte ich einen älteren Bruder, aber wir hatten keinen Kontakt.

Ich wusste nicht, was passierte, aber die Tür öffnete und schloss sich. Stille breitete sich im Zimmer aus.

"Was hast du dir nur dabei gedacht", flüsterte mein Vater plötzlich ganz nah an meinem Ohr.

"Das was wir ihr beigebracht haben. Sie wollte helfen", sprach meine Mutter. Ihre Stimme kam aus einiger Entfernung. Wahrscheinlich stand sie an der Tür.

"Aber warum war sie dabei so dumm?", fragte mein Vater. Er sprach gebrochen und musste sich wahrscheinlich davon abhalten nicht zu weinen.

"Sie war nicht dumm, sondern unglaublich mutig", antwortete meine Mutter, "Schau!"

Ich wusste nicht was sie meinte, aber kurz darauf hörte ich eine weitere Stimme. Es klang wie die einer Nachrichtensprecherin.

"- vier Tage nach den Anschlägen auf das Fußballspiel der Eintracht gegen Schalke ist immer noch nicht geklärt wer dafür verantwortlich ist. Zur zweiten Halbzeiten gingen innerhalb von wenigen Minuten zwei Bomben in Mitten der zwei Fankurven hoch. Kurz darauf fielen Schüsse in der Nordkurve. Augenzeugen berichten von Männern in den neonorangenen Jacken und grauen Hosen des Deutschen Roten Kreuzes. Durch die Verkleidung konnten bisher keine Verantwortlichen festgenommen werden. Aber hier wieder die Bilder von den Überwachungskameras. Falls jemand einen oder mehrere der Personen erkennt, soll man sich bitte umgehend bei der unten eingeblendeten Nummer melden. Am Ende dieses kurzen Berichtes über den aktuellen Stand gehen unsere besten Wünsche an all die Menschen und Familien der Verletzten, Verstorbenen und Helfern. Auch wenn es Menschen gibt die ein Schutzzeichen, wie das Rote Kreuz ausnutzen, um Angst und Schrecken zu verbreiten, glauben wir weiterhin an das Rote Kreuz und alle anderen ehrenamtlichen, wie hauptamtlichen Helfer und Retter, die jeden Tag alles geben, um uns zu unterstützen und zu helfen. -"

"Was willst du mir damit sagen? Das es fürchterliche Menschen gibt die in der selben Uniform, die auch unsere Tochter trägt, sie fast getötet haben? Wir wissen nicht, ob sie wieder wach wird und wenn ja, welche Schäden ihr bleiben. Vielleicht müssen wir sie beerdigen. Also sag mir nicht, wie mutig sie war. Das weiß ich, aber es ändert nichts. Sie liegt immer noch in diesem Bett, wird nicht wach und ist an diese ganzen Kabel und Schläuche angeschlossen", schniefte mein Vater, "Sie hat niemandem was getan. Es war doch bloß ihr Hobby. Sie hatte so viel Spaß daran mit ihren Freunden im Roten Kreuz zu sein. Diese Dienste zu machen. Und was hat sie jetzt davon?"

"Christoph, sieh es nicht so schwarz und weiß. Sie wusste was sie tat. Sie wusste welche Folgen es hat, wenn sie Jan ihre Schmerzen verschweigt und ihm hilft. Diesen Menschen hilft! Ich weiß, du liebst sie. Ich liebe sie auch und ich will sie nicht verlieren. Dafür ist sie noch viel zu jung. Sie hat doch noch nicht einmal ihren Bachelor abgeschlossen. Aber wir können nichts tun, außer hier bei ihr sein."

Der Anschlag *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt