Kapitel 6

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Ein Schrei der Freude verließ die Lippen meiner Mutter. Die Untersuchungen waren noch nicht abgeschlossen, aber meine Mutter hatte ihr Urteil schon gefällt. Ich war wach und gesund. 

Eine der Ärztinnen sprach mit meinen Eltern, während ich an meinen Freunden vorbei, immer noch im Krankenbett liegend, in einen anderen Raum geschoben wurde. Ein CT, wie ein MRT sollten klären wie es in mir drin wirklich aussah. 

Müde und erschöpft ließ ich all die Tests über mir ergehen. Ich konnte meine Eltern sehen, wie sie als erste die Nachricht der Ärzte im Nebenraum erhielten, der nur durch eine Scheibe von meinem Raum getrennt war. Dann kam ein Pfleger herein. Er half mir zurück in mein Bett, in dem ich wieder herum geschoben wurde. 

Ich hatte eine strikte Bettruhe verordnet bekommen, um meinem Körper noch so viel Ruhe, wie nur möglich zu geben.

Endlich kam auch die Ärztin zu mir. Lächelnd stand sie am Fußende meines Bettes und sah auf mich herab. 

"Ich weiß wirklich nicht, wie Sie es geschafft haben, aber Sie hatten Glück im Unglück. Natürlich besteht immer noch die Gefahr eines Schlaganfalls oder erneuten Hirnblutungen, aber anscheinend bleiben Ihnen jegliche andere Folgeschäden erspart", erklärte sie freundlich, "Wir werden Sie zur intensiven Beobachtung noch einige Tage hier auf der Intensivstation behalten. Aber danach werden Sie verlegt, wenn alles in Ordnung aussieht."

"Dankeschön", murmelte ich.

"Es ist schon spät. Das Abendessen wird Ihnen bald gebracht. Aber wir werden Ihre Freunde wegschicken. Sie können Sie morgen wieder besuchen."

Ich nickte nur. Es war unglaublich erholsam, als sie endlich verschwunden war. Niemand, der mich ausfragte, mich mit Nadeln piekste oder mich irgendwo hinbrachte, um mir noch mehr Fragen zu stellen. Es war einfach ruhig.

Der Pfleger, der mich vorhin zurück in mein Zimmer gebracht hatte, kam wieder. Dieses Mal hatte er ein Tablett dabei. Es duftete verlockend. Zum ersten Mal fielen mir seine komplett tattoowierten Arme auf. Fasziniert beobachtete ich die dunklen Linien, die sich über seine Arme zogen. Mit jeder von seinen Bewegungen, entwickelten sie ein Eigenleben und bewegten sich vor meinen Augen.

Ganz alleine und leise aß ich, bevor mir das Tablett wieder abgenommen wurde.

Mein Blick wanderte zu der Fernbedienung rüber und obwohl ich eigentlich wirklich nicht sehen wollte was die Nachrichten berichteten, so konnte ich mich doch nicht davon abhalten diese einzuschalten. Ich musste einfach wissen was vor sich ging.

Ich war so müde gewesen, aber in dieser Nacht schaute ich die gesamte Zeit durch N24 mit jeder neuen Berichterstattung über die Vorgänge. 

"Was tun Sie denn da?", fragte der tattoowierte Pfleger vom Vortag, als er morgens wieder rein kam.

"Fernsehen", antwortete ich müde. Plötzlich wurde meinem Körper anscheinend bewusst, dass er keinen Schlaf hatte.

"Sie müssen wirklich schlafen und sich Ihre Kräfte für die Genesung sparen", meinte er, während er mein Frühstück vor mir aufbaute.

"Bitte, ich bin Emilia, aber alle nennen mich Mila. Da ich wohl noch eine Weile hier sein werde, nennen Sie mich so", antwortete ich und versuchte damit vom Thema abzulenken.

"Mila, ich bin Robin und du solltest schlafen. Eigentlich warten draußen ein paar Freunde von dir und ich wollte sie reinschmuggeln, aber das werde ich erst zulassen, wenn du mindestens vier Stunden geschlafen hast. Lieber fünf", meinte Robin streng.

Ich hatte ihn nicht vom eigentlichen Thema ablenken können und rutschte seufzend in meinem Bett zurück. Robin ließ die Rollläden runter und sah mich noch ein letztes Mal mahnend an.

Ich gab mich geschlagen und versuchte wirklich noch ein bisschen zu schlafen, denn meine Freunde und auch meine Familie wollte ich schon gerne sehen.

Durch heftige Schreie vor meiner Tür wurde ich geweckt. Ich erkannte sofort die zeternde Stimme meiner Oma, die verlangte reingelassen zu werden. Eine tiefer Stimme versuchte sie zu beruhigen und ich war mir nicht ganz sicher, ob es sich dabei um meinen Opa oder Robin oder irgendeinen fremden Arzt handelte.

Müde versuchte ich mich aufzusetzen. Sofort begann sich alles zu drehen und ich ließ mich wieder zurück aufs Bett fallen.

Dabei hatte sich aber irgendein Kabel oder irgendein Stecker gelöst und ein warnender Piepton kam von der Maschine. Fast augenblicklich wurde die Tür aufgerissen und einige Pfleger, darunter auch Robin, sowie Ärzte stürmten in das Zimmer.

"Tut mir leid", nuschelte ich peinlich berührt. Meine Oma hatte sich bei der ganzen Hektik einfach mit reingequetscht und stand jetzt neben mir.

"Von wegen sie schläft und braucht ihre Ruhe!", brummte sie dem Arzt wütend zu. Dieser zuckte, durch den bissigen Ton meiner Großmutter, merklich zusammen.

"Mila, mein Schatz!", sagte sie dann, mit einer liebevollen Stimme, "Wie geht es dir? Opa und ich haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Ich habe dir doch schon immer gesagt, dass diese Eintrachtspiele nichts für dich sind. Wieso hättest du nicht bei den netten Diensten bleiben können. Blutspenden und irgendwelche Dorfveranstaltungen."

Mahnend sah sie mich an. 

"Mir geht es gut, Oma. Mach dir keine Sorgen", seufzte ich immer noch geschlaucht.

"Gut?! Du hast eine interessante Definition von gut. Du bist gestern aus einem Koma erwacht, weil du den Held spielen musstest. Du hattest Hirnblutungen und jetzt kannst du nicht mal aufstehen", sprach sie missbilligend. Dabei beobachtete sie jeden Handgriff von Robin, der anfing all Stecker und Kabel zu überprüfen und wieder zu befestigen.

"Dann geht es mir eben den Umständen entsprechend gut", meinte ich zurück.

"Ach Kindchen", schluchzte da meine Oma und umarmte mich fest. Sie erdrückte mich fast und es tat auch ein bisschen weh, aber das war mir egal. Diese kleine, etwas dickere Frau war mein Halt. Ich teilte jede Angst, jede Entscheidung, jeden Gedanken, einfach alles teilte ich mit ihr. Ich wusste immer noch nicht, wie ich ihren Tod überwinden sollte, wenn es dann einmal so weit war. Aber jetzt gerade, hatte sie Angst gehabt ihr ältestes Enkelkind zu verlieren und diese Angst versuchte ich ihr zu nehmen, in dem ich mich von ihr zerquetschen ließ.

"Ich werde Opa bescheid sagen, dass er sich auch an den Ärzten vorbei schummeln soll", flüsterte sie mir zu, bevor sie mich einen kurzen Augenblick alleine ließ. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie mein Opa sich wahrscheinlich immer noch bei den Ärzten für das Verhalten meiner Oma entschuldigte, während sie an ihnen vorbei schritt, wie die Königin persönlich und ihn von den Ärzten weg zu mir ins Zimmer zog. Und das alles ohne auch nur einen Blick den Ärzten zuzuwenden.

Der Anschlag *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt