Kapitel 7

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„Was machst du denn hier?", fragten Shane und ich wie aus einem Munde, er angriffslustig funkelnd und ich halb erleichtert, dass es nur Shane war und halb enttäuscht, dass es sich um niemand anderen handelte.

Fragend hob ich eine Augenbraue und wippte geduldig mit dem Fuß auf dem Boden.

Ich hatte Zeit.

Aber Shane offensichtlich auch, denn er schien ebenfalls nicht den ersten Schritt machen zu wollen.

Schweigend starrten wir einander an, doch keiner knickte ein, wie zwei Naturgewalten, die gegeneinander ankämpfen, bis der Sturm endlich nachließ oder die Wellen verebbten.

Ich lachte freudlos auf.

Das war alles so beschissen absurd.

„Ich weiß sowieso, warum du hier bist. Und umgekehrt genauso, oder nicht?", fragte ich. Shane erwiderte nichts und sein Schweigen war mir Antwort genug.

„Damit du eines weißt: ich werde mich von dir nicht davon abhalten lassen, Sallys Tod nachzugehen. Und wenn dir das nicht passt, dann ist das nicht mein Problem.", stellte ich klar.

Unnachgiebig blickte ich in das Grau seiner Augen und sah das Gewitter, das sich darin zusammenbraute. Nicht mehr lange und all die warme, angestaute Luft würde sich mit einem lauten Krachen entladen.

Und dann wollte ich lieber nicht in seiner Nähe sein.

„Hör zu, Mara." Shane seufzte erschöpft und strich sich die braunen Strähnen aus der Stirn. Trotz der Müdigkeit, die an seinen Gesichtszügen zog und dunkle Schatten unter seine Augen warf, sah er gut aus.

Das braune Haar hing ihm strähnenweise ins Gesicht und erinnerte mich ein wenig an Leonardo DiCaprios Frisur aus jungen Jahren. Und obwohl Shane kein Leo war, musste ich zugeben, dass er dem Namen seiner Frisur alle Ehre machte.

„Ich muss das machen, verstehst du?" Plötzlich schlich sich ein entsetzlich gequälter Ausdruck auf sein Gesicht und er schüttelte den Kopf, als müsste er sich davon abhalten, Gedanken zuzulassen, die besser nicht ans Tageslicht kamen.

„Denkst du, du bist der einzige, der das muss?", fragte ich, meine Stimme hoch und flatternd.

„Jeder hat an diesem Abend irgendeinen Fehler gemacht, aber stehe ich etwa hier und stelle mich über alle anderen, weil ich es nicht nötig habe, mich mit diesen Kleinstädtlern aus Wakefield abzugeben? Sally hat mir schon immer gesagt, dass du dich für was Besseres hältst und das hier ist ja offensichtlich der Beweis."

Manchmal verfluchte ich mein vorlautes Mundwerk dafür, dass es kein Halten mehr gab, sobald es angefangen hatte, loszulegen.

Die Worte fielen mir einfach so aus dem Mund und die Konsequenzen, die sie mit sich brachten, wurden mir erst im Nachhinein bewusst.

Ich schlang wieder meine Arme um mich, doch dieses Mal nicht, weil der Wind an mir zog, sondern weil ich das Gefühl hatte, mich vor dem schützen zu müssen, was gleich kam.

Aber Shane tat nie, was man von ihm erwartete.

Er runzelte bloß die Stirn und nickte.

„Du bist genau wie sie, weißt du das? Du musst immer noch einen drauf setzen und kennst keine Grenzen, selbst wenn du nicht einmal weißt, worum es geht."

Ich wusste nicht, worum es ging? Er war doch vor zwei Jahren aus Wakefield verschwunden und nun ein Fremder in seiner eigenen Heimat.

Ich verstand nicht, wie er so ruhig bleiben konnte.

Meine Brust hob und senkte sich heftig und die Gedanken kreisten so wild in meinem Kopf, dass ich Angst hatte, von ihnen erschlagen zu werden.

Ich wäre am liebsten losgestürmt und hätte Shane gegen das Schienbein getreten oder ihm einen heftigen Stoß gegen seine Brust verpasst und alles was er tat war nachdenklich in die Ferne zu blicken und meine Worte über sich ergehen zu lassen.

lavendertea [beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt