Kapitel 8

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Ich vertraute ihm nicht.

Keine einzige Sekunde glaubte ich ihm, dass er mir seine Ergebnisse zeigen würde.

Deswegen kam mir mein Schnupfen ganz recht, als ich an diesem Morgen die Treppen nach unten stolperte. Ein lautes Niesen, das als Kitzeln in meinen Nasenhöhlen begann und in einem Erdbeben endete, weckte das ganze Haus auf und ich dankte meiner Erkältung, dass sie erst jetzt ihre volle Blüte zeigte.

„Ich kann nicht zur Schule! Wie soll ich mich mit diesen Todeskopfschmerzen konzentrieren?", stöhnte ich theatralisch und schniefte in ein weiteres Taschentuch, das schließlich unbenutzt bei mir im Bett landete. Ein ganzer Stapel aus weißen Knäueln hatte sich bereits zusammengetürmt.

Ich war eigentlich strikt gegen Papierveschwendung, aber heute heiligte der Zweck eben einfach alle Mittel.

„Zeig mal her."

Meine Mutter ließ sich auf meiner Bettkante nieder und schaute mich an, wie ich eingewickelt in zwei dicke Decken und mit einer Tasse Tee vor mich hin litt. Ich schniefte und räusperte mich und dann ließ ich mich zurück in mein weiches Daunenkissen fallen.

Man konnte mir zumindest nicht vorwerfen, ich würde lügen.

Ein wenig Wahrheit war an allen meinen Geschichten dran und wenn ich sagte, dass mein Hals kratzen würde und ich beim Sprechen heiser klang, dann stimmte das auch.

Nur der Rest eben nicht.

Die kalte Hand meiner Mutter legte sich auf meine Stirn und ein mitleidiger Ausdruck erschien auf ihren müden Zügen.

„Das ist bestimmt der Stress der letzten Tage. Bleib von mir aus zu Hause, aber zieh dir Socken an, bevor du aufstehst und geh bitte nicht raus, sonst denken die Nachbarn noch, du simulierst."

Oh, das würde ich nie tun.

„Alles klar.", nickte ich unschuldig, schob ein trockenes Husten hinterher und zog mir die Decke bis zum Hals.

Leise schloss meine Mutter die Tür hinter sich und sobald die Schritte auf der Treppe verklungen und die Luft rein war, sprang ich auf und zog mich an.

Ich verzog den Mund, als ich nach einem T-Shirt von Sally griff und stopfte es sofort wieder hinter die restlichen schiefen und zerfetzten Klamottenstapel, die mir jedes Mal entgegen stürzten, wenn ich die Schranktür öffnete.

Was sollte ich mit ihren ganzen Sachen machen?

Überall im Raum lagen Dinge von ihr herum. Eine Haarbürste auf dem kleinen Schminktisch, der in der Ecke neben meinem Fenster stand, mehrere Kleider, Hosen und sogar eine Jacke hingen in meinem Schrank irgendwo zwischen meinen Sachen und natürlich die Erinnerungen, die in jedes Möbelstück wie giftiges Gas gedrungen waren.

Ich wollte gerade ein verwaschenes Bandshirt hervorziehen, als es klopfte.

Ertappt sprang ich zurück in mein Bett, das mit einem gequälten Knarzen nachgab und breitete die Decke so über mir aus, dass man nichts als meinen Hals sah, der wie der einer Giraffe aus dem Bett hervorlugte.

„Ja?", fragte ich dann. Ein kurzer Huster hintendrein konnte auch nicht schaden.

Kurz darauf schob Jessica ihren blonden Haarschopf durch meine Tür und ließ sich auf meinem Schreibtischstuhl nieder.

Sie trug wie jeden Tag eine weiße Bluse und einen eng anliegenden, knielangen Rock. Ihr blondes Haar war zu einem strengen Dutt gedreht und ihre schwarzen Pumps schlangen sich um ihre dürren Füße. Überhaupt war sie sehr dünn und zierlich, genau wie Sally.

lavendertea [beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt