"Das ist doch wohl schon ein Witz oder?!", entkam es Hank laut, als er von Connor und Miranda das erste Indiz vorgetragen bekam.
Die Kollegen rundum zuckten zuerst erschrocken zusammen, als sie die prägnante Stimme des Lieutenants vernahmen, waren danach allerdings wach und hörten mit einem Ohr bei der Bekanntgabe zu.
"Das dachte ich mir schon, dass du so reagieren wirst, aber ja...es handelt sich um die Androidin Modell LB200, welche Kamski gerettet hat."
"Das ist schön und gut, Connor. Aber warum wollte sie uns dann umbringen? Erklärt mir das bitte jemand?"
"Ruhig, Onkel", versuchte Jessica ihren Verwandten zu beruhigen.
Allerdings bekam sie von dem bärtigen Polizisten nur einen genervten Blick geschenkt, bevor die Androidenärztin das Wort ergriff.
"Jetzt beruhigen sich alle mal. Immerhin wissen wir auch noch nicht was passiert ist, da durch Detective Reeds Schuss einiges verschmort wurde und das ganze Auslesen so verzögert hatte."
"Ich hätte auch alle krepieren lassen können. Von dem her. Seid mir eher dankbar, dass ich eure Ärsche gerettet habe", maulte Reed mit hochgelegten Füßen von seinem Schreibtisch aus zurück.
"Um das geht es jetzt nicht, Gavin!", murrte der grauhaarige Beamte in die Richtung des braunhaarigen Mannes und Connor trat zwischen die beiden Streithähne.
"Es war auch gerade nicht als Angriff gedacht, Detective."
"Ich weiß wie es gedacht war, Blechbüchse. Da brauchst DU mir nichts erzählen. Viel Spaß mit diesem Fall. Ich bin raus!"
Reed zog seine Füße von der Ablage und Griff nach seiner Lederjacke, welche über seinem Stuhl hing und schwang sie sich im Gehen lässig über seine Schulter.
"Was zur Hölle! Reed!", schrie der Lieutenant in voller Lautstärke durch den Raum, sodass nun alle alarmiert waren.
Doch Gavin wäre nicht Gavin gewesen, hätte er nicht eine prägnante aber aussagekräfige Antwort parat gehabt.
Der Mittelfinger des Detectives wanderte im Gehen nach oben und als der Mann durch die Hintertür verschwunden war, blickten alle hinüber auf den bärtigen Mann und warteten auf seine Reaktion. Immerhin wussten sie an wen diese Geste gerichtet war.
Das vor Wut errötete Gesicht des Polizisten sprach allerdings schon seine eigene Sprache. Laut knallte Anderson seinen Bürostuhl unter den Schreibtisch und wollte Reed hinterherstapfen, doch Officer Chen kam dem verärgerten Beamten gerade noch zuvor.
"Lieutenant! Ich rede mit ihm!", schrie die Asiatin dem grauhaarigen Mann hinterher und stellte sich ihm in den Weg.
Als Hank seiner rangniederen Kollegin den Vorschlag ausschlagen wollte, spürte er Connor und auch Jessica hinter sich und das Büro hielt die Luft an. Jeder wusste dass die beiden die einzigen waren, die in solchen Situationen überhaupt etwas sagen durften.
"Tina hat Recht, Hank. Detective Reed würde zu einer 99,9-prozentigen Wahrscheinlichkeit eher mit ihr sprechen und auch kooperieren!"
"Ich bin da ganz bei Connor. Einer muss nachgeben und da ist es doch besser, wenn du es bist."
In seinem vorherigen Tatendrang wurde Hank nun unterbrochen. So schwer es ihm auch fiel nachzugeben, wusste er tief im Inneren, dass es die beste Option war einen aufkommenden Streit zu deeskalieren und Reed nicht doch aus Affekt zu erschießen oder sogar umgekehrt.
Der alte Polizist sah zu Boden und ein tiefes und gut hörbares Ausatmen folgte: "Na schön, Tina. Tob dich aus."
"Danke, Lieutenant!", antwortete die Frau dankbar und folgte ihrem besten Freund schnell aus dem Gebäude.
"Vielen Dank für eure Anteilnahme, aber die Show ist vorbei. Ihr habt alle eure Arbeit vor euch und diese wartet nicht!", erklärte der bärtige Beamte und geleitete seinen Partner und Nichte zurück auf ihren Platz, wo die aufgezeichneten Daten der Androidin in Videoform auf sie warteten."Gav! Jetzt warte doch mal!", schrie Tina dem Detective in der Schleuße zum Ausgang auf den Hinterhof entgegen.
Sie hörte allerdings noch kurz das schwere Tor zuknallen und kam dann nicht mehr weiter.
"Was...? Gavin mach die Tür auf? Was ist los mit dir?"
Der braunhaarige Mann lehnte sich ganz geschmeidig an den Ausgang und hörte Tina nur noch am Rande schreien und an die Tür hämmern.
Er brauchte jetzt kurz seine Ruhe und das ging am besten mit einer frisch gedrehten Zigarette.
Nachdem er sich das Suchtmittel zwischen die Zähne geschoben und mit vorgehaltenen Händen die Flamme des Feuerzeugs vor dem eisigen Wind geschützt hatte, atmete er kurz durch, als ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.
Eisblaue Augen bohrten sich in seinen Blick.
"Was willst du?", fragte Reed abwertend, als er den Rauch durch einen kleinen Spalt seiner Lippen hinausblies.
"Detective...Officer Chen steht hinter dieser Tür. Was ist in Sie gefahren?"
"Hör mir mal zu, Plastikarschloch! Es geht dich gar nichts an, was ich hier mache! Du brauchst mit deinen blöden neumalklugen Aussagen gar nicht ankommen. Die gehen mir so am Arsch vorbei. Also sei ein lieber Android und kümmer dich wieder um deinen eigenen Scheiß!"
"Ich wurde Ihnen vor mehr als einem dreiviertelten Jahr als Partner zugeteilt. Deshalb möchte ich sehr gerne eingeweiht werden, damit ich Sie besser verstehen kann. Das fällt mir zugegebenermaßen ziemlich schwer Sie einzuschätzen und das trotz meiner Berechnungen."
"Oh ho...Berechnungen! Sieh mal einer an...dann bin ich wohl doch nicht so durchschaubar wie der alte Anderson...perfekt! Und jetzt...Verpiss dich einfach! Was ist daran so schwer zu verstehen? Das müsste selbst in dein kleines Androidenhirn passen!", maulte Reed höhnisch zurück und schmiss seinen Zigarettenstummel neben sich in den Schnee.
Und als er bemerkte dass der Widerstand an der Tür in seinem Rücken nachgelassen hatte ging er über den Parkplatz zu seinem Wagen und ließ Nines einfach stehen.
Das Nachfolgermodel von Connor bemerkte schnell, dass eine schwarzhaarige Frau bei der Ausfahrtsschranke um die Ecke bog und auf den Parkplatz stürmte.
"Nines! Wo ist er?!"
"Im Auto, Officer Chen."
Hastig lief sie über den schneebedeckten Asphalt und erreichte in letzter Sekunde das Fahrzeug ihres Freundes, riss die Tür auf und setzte sich auf den Beifahrersitz.
"Du bist ein richtiger Idiot!", atmete die Frau schwer und klatschte Gavin hart in die Seite, sodass er sein Auto lieber abstellte, um nicht das Steuer zu verreißen.
"Das hab ich wohl verdient, hm?"
"Ja, aber wirklich! Was ist nur in dich gefahren?"
"Ich will wirklich gerade nicht reden. Bitte versteh' das doch."
"Ist bei dir wohl zur Zeit nicht einfach. Ich verstehe das schon, aber du musst doch auch darüber sprechen können. Ich bin deine Freundin, Gav! Ich habe Angst, dass dich etwas auffrisst und du dir noch was antust."
"Jetzt komm schon, Tina. So gestört bin ich dann doch nicht. Nicht so wie der alte Anderson."
"Ich weiß ja nicht was da damals zwischen euch gelaufen ist, aber selbst der Lieutenant hat seine Depression ablegen können. Und er hat auch damit Recht, dass du heute bescheiden aussiehst."
Gavin schnaufte gut hörbar aus und deutete dann auf die Tür.
"Tu' mir bitte einen Gefallen und steig aus. Ich will jetzt endlich weiter."
"Aber...Gav..."
"Bitte, Tina. Hör einmal auf mich. Ein einziges beschissenes Mal."
"Na schön...aber...pass auf dich auf."
Als die Asiatin sich von dem Sitz nach draußen erheben wollte, hielt sie der Detective noch einmal kurz am Arm fest.
"Und Tina...Anderson hat vielleicht nicht ganz Unrecht. Aber versprich mir, dass du das für dich behältst."
"Was?"
"Versprich es mir einfach!"
"Ja...ja mach ich."
"Ich habe heute wirklich im Büro gepennt. Deshalb fahr ich jetzt auch weiter."
"Bitte was?"
Gavin reckte sich zu der Beifahrerseite und zog die Tür vor Tinas Nase zu und ließ seine Kollegin mit vielen Fragen im Gesicht auf dem Parkplatz stehen.
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Detroit: Be Human? 2
ФанфикDetroit im Jahre 2039/2040. Über ein Jahr war seit Connors erster Mission auf einem Hochhausdach vergangen. Seitdem er nach der Revolution selbst zum Abweichler wurde und nur durch ein Wunder seinen letzten Kampf mit Erinnerungslücken überlebt hatte...