Kapitel 12 - Verschobenes Bild

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"Du warst die ganze Fahrt relativ ruhig, Hank. Sicher das alles in Ordnung ist?"
"W...was? Ach so...klar. Was denkst denn du?"
"Du hast Wortfindungsprobleme und wirkst so nachdenklich. Deshalb."
"Es ist alles in Ordnung, Connor. Mach dir keine Sorgen. Nicht um mich."
"Bist du sicher? Relativ viel vormachen kannst du mir nämlich nicht. Ich..."
"Ja ja...Dafür bist du zu intelligent. Ich weiß. Ich weiß."
"Das wollte ich so nun wirklich nicht ausdrücken. Ich wurde dafür entwickelt auch menschliche Stimmungslagen zu analysieren. Und als Abweichler kenne ich nun noch mehr und kann sie differenzieren."
"So hört sich das Ganze noch bescheuerter an. Aber vielleicht hast du Recht. Die letzten beiden Tage waren schon sehr intensiv. Am Flughafen, der Vorfall Zuhause, Weihnachten..."
"...das Baby", ergänzte der Android mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
Hank wollte eigentlich weiterreden, doch die Worte Connors haben ihn zum Unterbrechen gezwungen.
"Du willst mir doch nicht sagen, dass ich aufgeregt bin? Ich? Mach dich nicht lächerlich."
"Was ist es dann?", spitzelte der Detective in die Richtung des bärtigen Mannes und fuhr fort: "Etwa doch Detective Reed?"
"Connor", atmete der Lieutenant genervt aus, "Hör bitte auf mich mit diesem Gavin-Thema zu löchern. Es ist ALLES in Ordnung. Das Problem ist, dass ich nur nicht will, dass euch etwas passiert. Und das ist es was mich belastet. Verstanden?"
"Okay okay. Verstanden."
"Gut. Dann lass uns mal Markus im Gebäude aufsuchen", sagte der Ältere und machte die Tür seines Autos zu, während der dunkelhaarige Beamte noch in sich rein horchte und mit seinen Gedanken spielte.
"Es ist Reed. Du brauchst mir nichts vormachen. Meine Analyse lügt nicht."
"Connor? Kommst du?", klopfte der grauhaarige Polizist ungeduldig an die Fensterscheibe des Wagens und tippte mit seinem Fuß mehrmals auf den Boden.
"Bin auf dem Weg. Ich habe uns nur bei Markus angekündigt."
"Super. Also los!"

Im Gebäude angekommen wimmelte es nur so vor Androiden. Alle gingen ihrem geschäftigen Treiben nach und jedes einzelne Modell war gewillt zu helfen. So hatte sich Connor auch sehr schnell mittels den Gedankenaustausch einen Weg zu dem neuen Präsidentschaftsanwärter 'erfragen' können.
"Ist schon der Wahnsinn was aus diesem alten baufälligen Gebäude geworden ist. Wer soll sich mit diesem ganzen Hightech-Schnickschnack der hier rumsteht noch auskennen?"
Connor lächelte: "Also so alt bist du auch noch nicht."
"Jetzt komm mir nicht wieder mit dem Scheiß...ich weiß noch in welcher Zeit ich aufgewachsen bin. Da waren Snake und Tastentelefon noch ein Begriff."
Der Android hingegen ließ seinen Partner reden, denn er hatte den Anführer Jerichos gefunden.
Während Hank sich noch verblüfft um seine eigene Achse drehte und sich die Einrichtung genauer zu Gemüte führte, ging der Detective schnurstracks auf seine alten Freunde zu und herzte sie überschwänglich.
Als er jeden der vier Abweichler umarmt und begrüßt hatte kam auch der Lieutenant heran und reichte allen die Hand.
"Interessant was ihr hier alles gemacht habt, Markus."
"Schon ja. Die letzten Wochen hat sich noch einiges getan. Ich schätze allerdings nicht, dass ihr nur der Architektur wegen gekommen seid?"
"So ist es", merkte Hank an und Connor fuhr fort.
"Können wir wo in Ruhe reden? Es geht um zwei Androidinnen."
"Natürlich. Folgt mir. Wir gehen in einen der Gruppenräume. Dort haben wir unsere Ruhe."
"Und wenn ihr wollt können wir euch dann das Gebäude und die Wohnungen zeigen", merkte Simon an, als sich alle ihren Weg durch die Gänge bahnten.
"Gerne", blinzelte Connor gut gemeint dem blonden Abweichler entgegen.
"Ich bin schon gespannt was ihr aus den alten Wohnungen gemacht habt. In meinen jungen Jahren als Polizist waren das hier noch heruntergekommene Sozialbauten. Der Staat hat die Finanzierung gestrichen und alle Anwohner nach und nach rausgeschmissen."
"Interessant was du so berichtest, Hank. Umso interessanter würde ich es finden warum die Regierung uns nun hierher verfrachtet und mitgeholfen hat alles Unbrauchbare abzureißen und neu aufzubauen."
"Wenn ihr mich fragt ist das lauter Publicity. Die Präsidentin wollte Gut-Wetter machen und das ist ihr wohl ein bisschen entglitten, wenn man sieht, dass du in den Umfragen besser da stehst als sie. Ich persönlich habe diese Frau ja damals nicht gewählt, aber wer fragt schon einen kleinen Bürger nach seiner Meinung."
Der ältere Polizist zuckte mit seinen Schultern, als er von den Androiden kritisch beäugt wurde.
"So hätte ich dich tatsächlich nicht eingeschätzt", lachte North und nahm neben Markus auf einem der Stühle im Gruppenraum platz, während Josh die Türe schloss.
"Wie denn dann? Einen Ja-Sager wie sie diese Frau haben will? Sicherlich nicht! Wenn ihr ihr Gefolge widerspricht bekommen sie eine Abfindung und treten dann zurück. Still und heimlich verschwinden sie dann von der Bildfläche. Und mit einem riesen Batzen Kohle machen sie sich dann ein schönes Leben. Man hört nie mehr etwas von ihnen, weil sie bis an ihr Lebensende ausgesorgt haben. Und das schöne ist ja, dass die Bevölkerung da nicht hellhörig wird."
Bevor sich Hank weiter in Extase reden konnte unterbrach ihn Connor schnell und alle sahen den älteren Mann fasziniert an.
"Woher weißt du das alles?", fragte der Detective überrascht.
"Ich glaube nicht alles was die Zeitungen schreiben. Das habe ich mir schnell abgewöhnt, als ich im Polizeidienst aufgestiegen bin. Aber egal jetzt...deshalb sind wir nicht hier."
"Genau. Um was geht es?", fragte Markus und richtete seine Augen auf die zwei Beamten.
Der Lieutenant sah seinen Partner kurz an, nickte ihm zu und der Detective ergriff sofort das Wort und wurde wieder ernst.
Connor zog ein kleines Holotablet aus seiner Manteltasche und eröffnete die Akten der beiden toten Androidinnen.
"Erstere hat Kamski geholfen am Flughafen zu entkommen, wollte sich aber dann mit uns in die Luft sprengen. Detective Reed hat sie daraufhin erschossen und wir haben ihre Erinnerungen ausgelesen.
Zweitere haben wir nur hier auf diesem unscharfen Kamerabild festgehalten. Sie hatte gestern diesen Zettel in unser Wohnzimmerfenster gesteckt und kurz darauf wurde einer unserer Nachbarn angeschossen. Jetzt stellt sich uns die Frage, ob diese Frauen schon einmal in Jericho gewesen sind?"
"Was meint ihr? Kommen sie euch bekannt vor?"
"Die auf der Kameraaufzeichnung leider nicht. Sie kann man kaum erkennen, aber die am Flughafen war tatsächlich schon hier", erklärte Josh und zeigte auf das Foto am Bildschirm.
"Euch wäre aber nichts aufgefallen, dass sie andere Absichten hatte?", fragte Connor nach.
"Nein. Soweit ich mich erinnern kann hat sie sogar sehr stark mitgeholfen Markus bei der Wahl zu unterstützen."
"Bloß was hat sie umgepolt?", fragte der dunkelhaarige Abweichler und sah in die Runde.
"Red Ice?"
"Nein, Hank. Red Ice würde das Blut lila verfärben und ihres war blau."
"Ich hasse es, wenn wir uns im Kreis drehen. Aber wie es aussieht müssen wir abwarten bis uns etwas zugetragen wird. Denn wenn wir jetzt etwas gegen die Regierung aussprechen ohne Beweise in der Hand zu haben, dann weiß jeder was uns blüht", erklärte der grauhaarige Mann schon fast geknickt.
"Wenn uns etwas einfällt, dann melden wir uns, aber zu jetzigem Zeitpunkt können wir leider auch nicht mehr sagen", ergänzte Markus.
"Dann zeigt uns mal ein paar der Zimmer", merkte Connor an, um die Stimmung etwas zu heben.
"Gute Idee. Folgt mir!", wank ihnen der blonde Simon zu und alle erhoben sich von ihren Sitzgelegenheiten.

Detroit: Be Human? 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt