06 | Eine Entschuldigung

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Elizas Sicht

Will und ich haben seit seiner dummen Bemerkung kein Wort mehr miteinander gesprochen, außer es hat mit einer Behandlung oder einem Patienten zu tun. Er ist sich nicht mal seiner Schuld bewusst, wie es scheint und das ist das, was mich am Meisten auf die Palme bringt. Dieser Mann ist unfassbar und denkt, dass jeder springt wie er will.

Als wäre ich eine billige Barbie, die nichts anderes im Kopf hat als Kerle, Kleidung und den nächsten Sale und gleichzeitig noch strohdoof ist. Als würde ich ihm aus der Hand fressen. Ich weiß, dass ich noch am Anfang meiner hoffentlich glorreichen Karriere stehe, aber ist das ein Grund mich so herablassend zu behandeln, als wisse ich nicht, was ich tun müsste? Ich reiße mir wirklich den Arsch auf.

Ich lasse mich in der Cafeteria des Krankenhauses fallen, die nur für die Mitarbeiter gedacht ist. Kyle sitzt bei mir am Tisch und mampft fröhlich seinen Kuchen vor sich hin, während ich noch immer in meinen Nudeln herumstochere, die schon kalt sind. Seufzend schiebe ich den Teller von mir.

»Hey, kann ich mich setzen?«

Ich sehe auf und lächle, als ich in das Gesicht der Assistenzärztin blicke, die ich gestern im Fahrstuhl kennengelernt habe.

»Klar, setz dich ruhig. Vielleicht hat unsere liebe Eliza dann bessere Laune«, sagt Kyle und ich seufze leise, ehe ich meine Augen verdrehe.

»Schlechte Laune? Wieso das denn? Ich bin übrigens Lia«, sagt sie und lächelt mich an. »Ich glaube, wir haben uns gestern nicht vorgestellt«, sagt sie und ich nicke.

Kyle setzt ein fettes Lächeln auf, ehe er sich durch seine Haare fährt. »Ich bin der Kyle-Master. Glaub mir, ich werde heute Nacht von dir träumen«, sagt er und ich kann nicht anders als zu lachen. Kyle wirft mir daraufhin nur einen böse Blick zu.

Lia grinst nur und schüttelt den Kopf.

»Alles klar, Kyle-Master«, murmelt sie nur und sieht mich dann an. »Wieso hast du schlechte Laune?«

Ach, mein Chef ist ausgerechnet der Mann, mit dem ich ein paar Tage vorher in der Kiste gelandet bin. Eigentlich finde ich ihn immer noch verdammt heiß, wäre da nicht sein ekeliger Charakter, den er mir immer wieder zeigt. Und ach, natürlich – ich habe ihn heute Morgen beim Umziehen beobachtet.

Aber abgesehen davon ist alles okay.

»Ist nicht so wichtig. Einfach schlecht geschlafen«, sage ich und setze mir ein Lächeln auf. Ich kann ihnen wohl kaum verklickern, dass ich an Sex mit meinem betreuenden Arzt denke. Das ist falsch und vor allem nicht gern gesehen.

»Bei welchen Ärzten seid ihr gelandet?«, fragt sie dann und wechselt das Thema, bevor sie sich einen Löffel Nudeln in den Mund schiebt.

»Eigentlich waren wir beide bei Dr. Morrison, aber ich konnte glücklicherweise bei Dr. Sherman unterkommen. Morrison ist und bleibt ein komischer Kauz, der mich von Anfang an nicht leiden konnte«, sagt er und ich lache leicht, ehe ich meine Flasche öffne und etwas trinke.

»Und jetzt bist du allein bei Morrison? Aber keine Panik. Er ist ein hervorragender Arzt, der sich in vielen Gebieten gut auskennt. Gynäkologie ist sein Spezialgebiet, aber er ist auch ein guter Chirurg und wird bei vielen OPs hinzugezogen, die viele Hände erfordern. Er ist an sich ein Traummann, wäre er nicht leider vom anderen Ufer«, sagt sie und seufzt zum Ende hin.

Ich kann mich jedoch kaum zurückhalten und verschlucke mich heftig, als ich ihre letzten Worte höre.

Schwul? William? Definitiv nicht. Das hätte ich sicherlich bemerkt!

Als ich mich beruhigt habe, fange ich an zu lachen.

»William ist mit Sicherheit nicht schwul«, sage ich bestimmt und setze erneut die Flasche an, bis ich bemerke, was ich gerade gesagt habe.

The Secret I HideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt