28 | Kindergarten

5.1K 438 101
                                    

Elizas Sicht
Ich schließe die Tür von Wills Badezimmer leise, ehe ich mich auf den Weg zu seinem Bett mache. Ab Montag müssen wir beide wieder arbeiten, jedoch bin ich nicht mehr in der Gynäkologie, sondern in der Notaufnahme eingeteilt. Mittlerweile hat sich schon herumgesprochen, dass er nach wie vor diese idiotische Klage am Hals hat und mein Dad muss ihn wohl oder übel morgen zu einem Gespräch bitten. Was dann passiert, will ich nicht wissen. Ich weiß, dass Dad gezwungen ist, ihn zu beurlauben, solange der Prozess läuft und die Schuldfrage nicht geklärt ist, aber ich habe versucht ihn davon abzuhalten. Allerdings glaube ich, dass ich keine andere Wahl habe, als zu akzeptieren, dass er vom Vorstand gezwungen ist, ihn zu beurlauben. Bis auf Dad weiß noch immer niemand, dass Will und ich zusammen sind, aber das wird sich ab jetzt auch ändern. Mein Dad akzeptiert die Beziehung, auch wenn ich ihm seine Bedenken darüber ansehen kann.

Vorsichtig ziehe ich die Decke zurück und schlüpfe darunter. Will liegt mit dem Gesicht zu mir, allerdings weiß ich, dass er noch nicht schlafen kann. Sein Körper wirkt angespannt und Licht auf seinem Nachttisch brennt noch. Außerdem habe ich gesehen, dass er vor Kurzem noch auf WhatsApp online war.

»Will?«, frage ich leise.

Seit einigen Tagen benimmt er sich merkwürdig. Er ist deutlich distanzierter mir gegenüber und schlecht darauf. Noch dazu war er zu den Zeiten, wo ich nicht arbeiten musste und in seiner Wohnung war, bei seinem besten Freund Ryan. Ich kann das Gefühl nicht verdrängen, dass mir sagt, dass er sich deutlich vor mir zurückzieht. Dabei sollte er das nicht tun. Wir schaffen es gemeinsam durch diese Zeit und können, wenn bewiesen ist, dass er unschuldig ist, einen weiteren Schritt in die Zukunft gehen.

Als keine Antwort kommt, rücke ich näher an ihn heran und beuge mich über ihn. Seine Augen sind nicht geschlossen. Stattdessen starrt er einen unbestimmten Punkt an der Wand, die gegenüber von uns liegt, an. Langsam beginne ich auf seinem Oberarm Küsse zu verteilen und wandere immer weiter nach oben. Will dreht sich zu mir und kneift die Augen zusammen, als ich seinen Hals mit feuchten Küssen bedecke und meine Hand über seine Brust wandern lasse. Meine Fingernägel kratzen sanft über seine Haut und seine Nippel, weil ich weiß, dass er es liebt, wenn ich das tue.

Meine Lippen wandern von seinem Hals zu seinem Mund, wo ich einen Kuss auf seinen Wundwinkel hauche, bevor ich seinen Mund mit meinem verschließe. Ich spüre allerdings sofort, dass er den Kuss nicht erwidert, sondern sich unter mir versteift. Ich löse mich leicht und blicke ihn fragend an.

Er erwidert meinen Blick nicht, sondern atmet einmal tief ein und aus, ehe ich erneut meine Lippen auf seine lege und ihm seine Gedanken nehmen möchte, die ihn scheinbar gerade zu sehr im Griff haben.

Will drückt mich jedoch plötzlich von sich und springt aus dem Bett, als hätte ihn eine Tarantel gestochen.

»Was ist los?«, frage ich ihn und will aus dem Bett zu ihm herüber krabbeln, jedoch lässt mich seine Handbewegung inne halten. Er schließt die Augen und schüttelt den Kopf, weshalb ich leise seufze.

»Tut mir leid«, sage ich leise.

»Ich kann einfach nicht, okay? Ich brauche einfach nur meine Ruhe«, sagt er und ich nicke, bevor ich mich von ihm abwende und mich wieder hinlege. Meinen Kopf lasse ich auf das weiche Kissen sinken, bevor ich die Decke über mich ziehe und ihm dieses Mal den Rücken zu drehe.

Will seufzt leise und ich spüre, wie sich die Matratze neben mir senkt. Eine Weile ist es still, jedoch drehe ich mich irgendwann doch zu ihm herum. Seine Augen sind noch geöffnet und er starrt an die Decke. Seine Hand liegt auf seiner Brust, die sich regelmäßig senkt.

»Will?«

»Ja?«

Ich sehe ihn kurz an, als er mich endlich ansieht und mir nicht mehr ausweicht.

»Ich weiß, dass du momentan viel um die Ohren hast und sicherlich an Anderes denkst, aber ich bräuchte jetzt langsam eine Antwort, ob du mit zur Hochzeit meiner Tante kommst. Es geht um die Hotelzimmer, die sie bald buchen muss«, sage ich.

»Meinst du nicht, es ist zu früh dafür?«, fragt er nach einer Weile, den Blick wieder an die Decke gerichtet.

Ich runzele die Stirn und schüttele den Kopf.

»Ich kenne Quinn, Noah und Diana doch auch schon und da waren wir nicht einmal fest zusammen«, entgegne ich und setze mich wieder auf.

Ich weiß, dass er viele Sorgen und auch Ängste hat, aber sich vor mir zu verstecken und nur zu schmollen, bringt ihm doch auch nichts, oder? Ich weiß nicht, was ich in seiner Situation tun würde, aber ich spüre ganz deutlich, dass er sich wieder vor mir verschließt.

»Das ist was ganz Anderes«, zischt er und ich rolle die Augen.

»Wen willst du eigentlich verarschen, Will? Ich verstehe, dass du wütend und verzweifelt bist und vor Angst fast durchdrehst, aber du mutierst wieder zum Arschloch-Will, der sich um nichts und niemanden scherrt. Ich bin deine Freundin und verlange von dir, dass du mich begleitest!«

Will lacht verächtlich, bevor er die Bettdecke wieder von seinem Körper schmeißt und das Bett verlässt.

»Du willst von mir verlangen mitzukommen? Zu deiner Familie, wo jeder sicherlich schon weiß, dass ich eine Klage wegen sexueller Belästigung am Hals habe? Verdammt, Eliza, ich habe kein Interesse deine Familie kennenzulernen und ich bin es leid, dass du versuchst mich aufzumuntern. Daran habe ich ebenfalls kein Interesse. Ich will einfach nur, dass alles wie vorher wird. Ich lebe für meinen Beruf und er ist das Einzige, was mich glücklich machen kann. Das Einzige, okay? Kapier es endlich!«

Seine Wut und sein Gesichtsausdruck sorgen dafür, dass mich ein Schauder überkommt. Mein ganzer Körper zittert, als seine Worte in meinen Gedanken laut nachhallen. Das Einzige, was ihn glücklich macht, ist also sein Job.

»Gut zu wissen, dass ich dir vollkommen egal bin. Ich liebe dich und du schaffst es nicht einmal es zu erwidern! Wir wohnen zusammen und du behandelst mich seit ein paar Tagen nicht mehr wie vorher. Ich verstehe, dass die Klage dich runterzieht, aber meinst du nicht, dass du langsam genug geschmollt hast?«, fauche ich ihn an. Den Blick, den er daraufhin erwidert, lässt mich nicht mehr los. Mit großen Augen starrt er mich an, bevor er sich räuspert. Seine Miene verhärtet sich, bevor er sich von mir abwendet.

»Ich weiß wirklich nicht, was du dir gedacht hast, aber nur, weil du die letzten Monate fast durchgängig hier warst, heißt es noch lange nicht, dass wir zusammen wohnen. Ich bin nach wie vor in der Lage selbst zu entscheiden, wann ich bereit bin einer Frau zu sagen, dass ich sie liebe und wann nicht. Und wenn du schon so erkennst, dass ich schlecht gelaunt bin, willst du mir auch noch eine Hochzeit aufzwingen, wenn ich gerade andere Probleme habe? Sind wir hier im Kindergarten, Eliza? Ich weiß ja nicht, ob du es nicht kapiert hast, aber ich verliere womöglich meinen Job und da bringt es mir auch nichts mit dir ins Bett zu steigen. Das hilft mir nicht!«

»Was soll das heißen? Wieso Kindergarten?«, fahre ich ihn an.

»Weil ich gerade bemerke, dass es sehr wohl Unterschiede in unserer Beziehung gibt, die auf das beschissene Alter zurück zu führen sind. Ich bin stinksauer, weil ich meinen Job verliere und dir geht es um eine dämliche Hochzeit! Ich habe für so etwas keine Zeit und keine Gedanken, kapiert?«

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwindet er im Badezimmer und lässt mich stehen. Die Tür knallt dabei so laut ins Schloss, dass ich eine Sekunde lang befürchte, dass sie gleich aus ihren Angeln fällt.

Ich schlucke leicht und spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen, während ich mich anziehe. Ich kann nicht glauben, dass er mich aus unserer... seiner Wohnung schmeißt. Es war falsch von mir zu sagen, dass das hier unser gemeinsames Zuhause ist, aber dennoch finde ich seine Reaktion übertrieben. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Er hat sich in den letzten Tagen sehr verändert und ich hoffe, dass Drake und sein Vater endlich in die Gänge kommen und ihn aus dieser Scheiße rausholen.

Ich möchte einfach nur den Menschen zurückhaben, der er vorher war. Nicht diesen wütenden und achtlosen Mann, der er vor meiner Zeit schon gewesen ist.

———
Was sagt ihr zu Will's Verhalten? Glaubt ihr, dass es wirklich nur an seinem Job liegt oder hat Eliza ihm zu viel Druck gemacht?
-
Wir sehen uns Samstag! ❤️

The Secret I HideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt