Elizas Sicht
Der nächste Morgen beginnt so merkwürdig, wie der gestrige Abend geendet hat.
Mein Kopf dröhnt, meine Glieder schmerzen und ich habe das Gefühl als wäre ich von einem Laster überfahren worden.Alles in mir schreit nach meinem Bett, doch ich bin keine, die bei jedem kleinen Wehwehchen zuhause bleibt und das Bett hütet. Besonders weil ich mich selbst im Medizinstudium befinde, weiß ich, wann ich zum Arzt gehen sollte und wann nicht. Ein Kater gehört definitiv nicht zu diesen Fällen, wo ich medizinischen Rat benötige.
Fakt ist, ich habe mich gestern betrunken und mich selbst befriedigt, während Will mich per Nachricht verrückt gemacht hat. Ich weiß nicht, was es ist, aber sobald ich auch nur einen Gedanken an ihn verschwende spielen sich die Bilder von unserer gemeinsamen Nacht immer wieder ab. Als wäre ich süchtig geworden – nach seinem Körper.
Das Schlimmste daran ist, ich kann verdammt nochmal nichts dagegen tun. Egal, wie oft ich mir sage, dass es falsch ist an ihn zu denken oder dass ich am liebsten wieder von ihm geküsst werden möchte, es ändert nichts. Will und ich befinden uns in einer Situation, die keine Fehler duldet. Mein Vater würde seinen Ruf ruinieren, wenn das mit uns beiden rauskommen würde und ich? Ich würde womöglich von niemanden mehr ernst genommen werden.
Die Tochter vom Krankenhausdirektor hat sich an den Oberarzt rangeschmissen. Sehr professionell.
Nicht.
Ich schleppe mich träge ins Bad, versuche meine Gedanken an Will und die Folgen, die eine Beziehung mit sich bringen würde, zu verdrängen. Ich bin mir sicher, dass dieser Tag genauso schrecklich wird wie er es gestern bereits war, auch wenn Kyle und Lia mich gestern ablenken konnten und sich die Anspannung zwischen mir und Will ein wenig gelöst hat.
Ich drehe den Wasserhahn in der Dusche auf und lasse mich unter dem kalten Wasserstrahl gegen die Wand lehnen. Ich brauche dringend einen klaren Verstand und warmes Wasser wäre womöglich nicht besonders hilfreich dafür. Wahrscheinlich würde ich noch in der Dusche wieder einschlafen und mir dabei noch ein Bein brechen.
Schnell sorge ich dafür, dass ich ein frischgewaschener Mensch werde, bevor ich mich abtrockne, meine Haare in einem Handtuch einwickele und mich anziehe. Eine gemütliche Leggings darf es für den Weg im Auto heute wohl mal sein. Ich schlüpfe noch in einen Pulli, ehe ich meine Haare föhne und diese zu einem Zopf binde.
Für ein Frühstück bleibt jetzt keine Zeit mehr. Meine Schicht beginnt ins zwanzig Minuten und genau das ist die Zeit, die ich eigentlich für eine Strecke bis zum Krankenhaus brauche. Ich schnappe nur noch nach meinem Handy und meiner Handtasche, ehe ich mich auf den Weg mache und hoffe, dass ich nicht gleich im Stehen einschlafe.
***
»Guten Morgen!«
Kyles gute Laune und seine laute Begrüßung lassen mich zusammenzucken. Das Hallen in unserer Umkleide macht es nicht gerade besser. Ich brumme nur eine Antwort, ehe ich mich auf der Bank vor meinem Spind fallen lasse und meine Schuhe ausziehe.
»Du siehst müde aus!«
Glücklicherweise sind wir von einer großen Schrankwand und einem zusätzlichen Raumtrenner voneinander abgeschirmt, damit er nicht sehen kann, wie ich genervt die Augen verdrehe und mich daran mache, mich umzuziehen.
Tschüss, kuscheliger Pulli. Hallo, pinker, ungemütlicher Kasak.
»Hat dir der Wein die Stimme verschlagen, Eliza?«, fragt er und ich kann das fette Grinsen in seinem Gesicht schon anhand seiner Stimme erkennen. Am Liebsten würde ich es ihm mit der Faust herausschlagen, weil er mir gerade tierisch auf die Nerven geht.

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The Secret I Hide
Romanzi rosa / ChickLitWilliam ist der Älteste der Morrison-Geschwister und arbeitet als Oberarzt in einem Krankenhaus in San Francisco. Seine Arbeit spannt ihn viel ein, sodass für eine Frau gar keine Zeit übrig bleibt. Als Eliza jedoch in sein Leben stolpert, beginnt er...