31 | Den Bogen überspannen

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Elizas Sicht

Mein Schädel brummt, meine Glieder schmerzen und meine Augen sind lichtempfindlich. Genau das ist auch der Grund, warum ich mittags gegen 12 die Rollläden herunterfahre. Die Sonne geht mir gerade tierisch auf die Nerven und sorgt dafür, dass ich mich nur noch schlechter fühle.

Ich gähne herzhaft, bevor ich meine Kaffeemaschine einschalte, um mir erstmal ein wenig Koffein zu gönnen, bevor ich mich dem Chaos, das sich mein Liebesleben nennt, widme.

Der gestrige Abend war eine willkommene Abwechselung. Es tat mit meinem Freunden feiern zu gehen und eine Sekunde lang alles vergessen zu können, was mir in den letzten Tagen im Kopf herumgeschwirrt hat. Der Alkohol hat ausreichend dafür gesorgt und schlussendlich noch Chris.

Ich sollte mich schuldig fühlen, dass ich mit ihm getanzt habe und ihn nicht sofort unterbrochen habe, als er mich berührt und geküsst hat. In diesem Moment hat sich mein Verstand jedoch vollkommen verabschiedet, sodass ich nicht konnte. Nach dem Fiasko mit Will hatte ich so gehofft, dass er sich um mich bemüht, doch er hat es nicht getan.

Stattdessen hat er seine Zeit lieber mit seiner Familie und Avery verbracht. Ich frage mich, seitdem ich den Clip auf Instagram gesehen habe, wie wichtig ihm die Beziehung zu mir überhaupt noch ist. Vor wenigen Wochen hatte ich den Eindruck, dass es sehr gut läuft und wir einander wirklich lieben. Momentan weiß ich nicht einmal mehr, ob ich diesen Zustand noch als Liebe bezeichnen kann. Alles kommt mir plötzlich unfassbar falsch vor und ich weiß, dass ich mit ihm reden muss. Wir müssen besprechen, wie es weitergeht und ich hoffe wirklich, dass Will sich für sein Verhalten noch entschuldigen wird. Erst dann werde ich nämlich eine Entschuldigung aussprechen. Auch ich habe Fehler gemacht, aber trotzdem möchte ich, dass er es dieses Mal ist, der den ersten Schritt auf mich zu macht.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche meines flauschigen pinken Bademantels, ehe ich seinen Chat öffne. Dass mir zuerst noch der Kontakt von Chris angezeigt wird, ignoriere ich dabei geflissentlich.

Bist du zuhause?

Ich lege das Handy auf dem Tisch ab, bevor ich meinen Kaffee unter der Kaffeemaschine wegziehe und blicke gespannt auf den Chat.

Zwei blaue Haken, doch Will ist nicht online.

Das kann nicht sein Ernst sein, oder? Will er mich für die nächsten zwanzig Jahre ignorieren?

Ich denke, wir sollten dringend reden.

Dieses Mal sehe ich, dass er sofort online ist und die Nachricht liest. Ich sehe sogar, dass er zu schreiben beginnt, doch dann ist er plötzlich wieder offline und lässt mich hängen.

Ich knurre wütend, ehe ich noch einmal schreibe.

WILL????

Dieses Mal wird die Nachricht jedoch nicht einmal mehr durchgestellt. Er hat die Internetverbindung unterbrochen, damit meine Nachrichten nicht mehr bei ihm ankommen.

Er behauptet, ich wäre kindisch? Sein Verhalten zeigt doch genau, dass er es ist, der sich kindisch verhält. Ich bin nicht länger gewillt mir diesen Bullshit weiterhin anzutun.

Ich werde auf der Stelle zu ihm fahren und eine Erklärung von ihm verlangen – ob es ihm recht ist oder nicht. 

***

Die Fahrstuhltüren schließen sich und ich tippe nervös mit meinem Fuß auf dem Boden. Es ist eine komische Angewohnheit von mir und meistens passiert es nur dann, wenn ich vor einer Situation Angst habe.

Dieses Mal habe ich jedoch keine Angst. Ich bin sauer und verletzt, weil Will sich mir gegenüber so aufführt, als wäre es nicht weiter schlimm, dass er und ich seit Tagen nicht miteinander gesprochen haben. Ich weiß nicht, in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln wird, aber ich will mich nicht länger in dieser Situation befinden.

The Secret I HideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt