02 | Erwartungen

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Elizas Sicht

Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.

Wieso habe ausgerechnet ich immer dieses Glück? Habe ich nicht vorhin den lieben Gott um eine gute Zuteilung gebeten? Ist das eine gute Zuteilung, wenn ich ausgerechnet dem Arzt zugeordnet bin, mit dem ich verdammt heißen Sex hatte? Nein, definitiv nicht.

Ich hätte niemals damit gerechnet Will jemals wiederzusehen und jetzt ist er mein Vorgesetzter im Krankenhaus. Kann sich bitte auf der Stelle ein Loch auftun, das mich verschlingen kann? Ich kann nicht mit ihm arbeiten. Das ist unmöglich.

»Ms. Kingsley, kommen Sie bitte nach vorne?«, höre ich die Stimme von Professor Sinners und ich nicke langsam, ehe meine Beine mich nach vorne tragen. Ich traue mich kaum einen Blick auf ihn zu werfen, tue es dennoch.

Will sieht stur gerade aus und würdigt mich keines Blickes, weshalb ich mich stumm hinter ihn stelle und nur ein weiterer Student neben mir steht, während Professor Sinner die letzten Namen aufruft.

»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und entlasse Sie nun in die Hände ihres betreuenden Arztes«, sagt Professor Sinners und verabschiedet sich schließlich. Ich stehe unschlüssig herum, als Will sich zu uns herumdreht.

»Wie Ihr sicherlich schon mitbekommen habt, bin ich Dr. Morrison. Ich bin Oberarzt und leite die Gynäkologie. Manchmal kommt es auch vor, dass ich in der Unfallchirurgie aushelfe, weil ich die Möglichkeit hatte, zwei Facharztausbildungen gleichzeitig zu machen. Ich werde später mit Ihnen besprechen wie wir die Schichten aufteilen, weil ich möchte, dass Sie einen größtmöglichen Einblick erhalten in den nächsten sechs Monaten«, erklärt er und ich schlucke, als er mich mit einem Blick ansieht, der mir das Knochenmark gefrieren lässt.

So kalt und bitter. Ganz anders als an dem Abend in der Bar.

»Wir werden jetzt erstmal hinunter auf die Station fahren, wo sie sich umziehen werden. Ich bin mir sicher, dass sie es kaum erwarten können, sich in die Arbeit zu stürzen, richtig?«

Stumm nicken wir beide und folgen ihm, als er den Raum verlässt. Auf dem Flur herrscht ein wahres Getümmel, denn scheinbar sind alle gerade in Aufbruchstimmung. Wir warten schweigend vor dem Fahrstuhl, ehe wir selbst eintreten und er auf den Knopf des vierten Stocks drückt.

Vierter Stock. Merken, Eliza.

Neben uns dreien stellt sich noch ein weiterer Arzt mit seinen Schützlingen in den Aufzug und drückt auf die unterste Etage.

»Scheinbar hast du besonderes Glück gehabt, Morrison. Die Tochter des kaufmännischen Direktors. Der, der deine Gehaltschecks ausstellt. Ich würde mich an deiner Stelle benehmen«, sagt er Arzt, ehe er sich mit dem Rücken zu uns dreht. Die anderen Studenten, die mir nicht bekannt vorkommen kichern nur und wenden sich ebenfalls ab.

Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt und verbiete mir etwas zu sagen. Lass es einfach sein, Eliza. Das bringt nichts. Will dreht sich kurz zu mir und blickt mich an, ehe er sich wieder abwendet. Als der Fahrstuhl unsere Etage erreicht, bahnen wir uns einen Weg zwischen den Leuten hindurch und ich muss aufpassen, dass ich nicht stolpere.

»Viel Spaß, Morrison«, stichelt der andere Arzt noch einmal und verkneife mir ein Augenrollen.

»Den werde ich haben«, brummt Will daraufhin nur und läuft schnellen Schrittes um die Ecke, sodass der andere Student und ich ihm kaum folgen können.

»Ich bin Kyle und du?«, fragt er mich daraufhin leise.

»Eliza. Freut mich«, sage ich ebenfalls betont leise.

»Du bist also wirklich die Tochter von Mr. Kingsley?«

Ich nicke leicht.

»Den Kaffeeklatscht könnt ihr euch für die Pause aufheben. Ihr könnt euch hier drinnen umziehen«, sagt er und kramt dann in seiner Tasche. Er zieht zwei kleine silberne Schlüssel hervor.

The Secret I HideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt