Epilog

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Wills Sicht

Eine Woche später

»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, schreie ich und schlage einmal gegen das Lenkrad.

Seitdem ich die Nachricht vor einer Viertelstunde erhalten habe, ist nichts mehr so, wie es war.

Machs gut, Will.

Mehr hat sie nicht geschrieben. Mehr musste sie nicht schreiben, um mich wachzurütteln.

Ich dachte immer, dass es richtig wäre, wenn ich mich nach Desaster mit Eliza auf etwas anderes konzentriere, als auf eine neue Beziehung mit Avery, doch jetzt, wo ich weiß, dass sie wirklich gehen wird, macht es mir eine Scheißangst. Ohne groß darüber nachzudenken habe ich mich in mein Auto geschwunden und Gas gegeben, sodass ich hoffentlich noch pünktlich am Flughafen ankomme.

Jetzt stehe ich jedoch im Stau und fange an die ganze Idee zu durchdenken. Was will ich ihr sagen, wenn ich sie sehe? Wie wird sie reagieren, wenn ich aus heiterem Himmel auftauche und wieder einmal Chaos verbreiten werde?
Fuck, ich weiß doch selbst nicht einmal, was ich tun soll. Alles, was mir im Kopf herumgeschwirrt ist, war nicht mehr als der Drang zu ihr zu fahren. Alles andere würde schon werden.

Dachte ich. Jetzt, wo sich der Verkehr sich mir einfach in den Weg gestellt hat, weiß ich nicht mehr, was richtig und was falsch ist. In den letzten Wochen habe ich versucht nicht an das Gespräch mit Ryan zurückzudenken, doch es ging nicht. Immer wieder haben sich seine Worte in meinem Kopf abgespielt und mir gezeigt, dass er Recht hat.

Selbst nach dem Gespräch mit Eliza, wo mir eigentlich klar geworden ist, was ich wirklich für Avery empfinde, habe ich nichts getan.Das Gefühl, was ich bei Avery gehabt habe, habe ich immer als Freundschaft angestempelt, doch sie fehlt mir. Ich habe jeglichen Kontakt mit ihr auf ein Minimum beschränkt, weil sie mich ignoriert hat, und habe mir gesagt, dass es so besser ist. War es nicht. Es ist als wäre eine Blase geplatzt, seitdem sie mir gesagt hat, was sie für mich empfindet und ich komme aus dieser Sache nicht mehr raus ohne nicht einmal ordentlich mit ihr darüber zu sprechen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass ich nicht zu spät komme. Vor mir höre ich, wie ein paar Autos hupen und bemerke, das wir uns wieder langsam vorwärts bewegen. Endlich.

***

Irgendwann schaffe ich es tatsächlich noch zum Flughafen und stelle mein Auto auf dem erstbesten Parkplatz ab. Ich schließe es schnell ab, bevor ich meine Beine in die Hand nehme und ins Gebäude renne.

Auch hier ist eine Menge los und ich befürchte, dass ich Avery in diese Getummel niemals finden werde. Ich schaue mir die großen Tafeln an und entdecke den nächsten Flug nach New York an. Ich laufe los und hoffe, dass ich sie noch erwische, bevor sie mit dem Check-In begonnen haben. Ich schaue mich in den Hallen um, damit ich Avery nicht übersehe, falls sie hier irgendwo sein sollte, doch ich sehe nichts. Ich entdecke sie nicht.

Ich laufe zu dem Gate, das auf den Tafeln angezeigt wurde, doch auch hier ist sie nicht. Unsicherheit sucht mich erneut heim und ich weiß nicht, ob ich nicht doch zu spät bin. Gott, ihre Nachricht kann alles bedeuten. Vielleicht ist sie längst in der Luft und auf dem Weg ein neues Leben zu starten, indem sie einen früheren Flug genommen hat. Ein neues Leben, in dem sie mich vergessen möchte, weil sie nicht länger ihre Gefühle verdrängen kann - weil sie glaubt, ich würde sie nicht erwidern.

Ich sehe mich noch einmal in den Menschenmassen um und lasse mich auf dem nächstbesten Stuhl fallen. Mit den Händen reibe ich mir übers Gesicht.

Was habe ich mir nur dabei gedacht? Es war doch vollkommen klar, dass ich sie nicht rechtzeitig erwische, um ihr zu sagen... um ihr was zu sagen? Dieser ganze Plan war von vornherein zum Scheitern verurteilt.

»Will?«

Ich zucke zusammen, als ich meinen Namen höre. Ich blicke hinauf und mein Herz droht zu explodieren. Unsere Blicke treffen sich, als ich aufblicke und beinahe entfährt mir ein Seufzen, weil ich so froh bin, dass sie noch nicht weg ist. Ihre braunen Locken fallen in einem tiefen Zopf über ihre rechte Schulter und ihre Mütze der Los Angeles Tigers ist ihr tief ins Gesicht gezogen.

»Avery...«, entfährt es mir und ich stehe ruckartig auf, jedoch bricht meine Stimme ab.

»Was hast du hier zu suchen, Will?«

Ich sehe sie einen Augenblick unschlüssig an und zucke dann mit den Schultern.

»Ich wollte dich sehen«, gestehe ich und greife nach ihrer Hand. Jedoch entzieht sie sie mir.

»Warum?«

»Weil ich nicht möchte, dass du gehst, okay? Ich möchte, dass du und ich... dass wir eine Chance haben!«

Ihre Augen weiten sich und ich schlucke leicht.

»Ich weiß nicht, was daraus werden kann, aber... ich will nicht, dass du und ich so auseinander gehen, Avery. Ich glaube, dass wir herausfinden sollten, wohin es führen kann. Meinst du nicht auch?«

»Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Ich habe solange mit meinen Gefühlen hinterm Berg gehalten und ich weiß nicht, ob ich das noch kann«, erwidert sie leise und sieht auf ihre Hände.

Ich schlucke leicht.

»Ich bin schlecht in all diesen Dingen, Avery. Ich weiß nicht, wie ich dich überzeugen kann und nach dem Fiasko mit Eliza weiß ich auch nicht, wie ich eine Beziehung nicht komplett ruiniere oder die Frau dazu bringe mich zu betrügen. Aber ich kann es versuchen. Ich möchte es für dich versuchen!«

Avery sieht mich mit großen Augen an und erwidert meinen Blick sprachlos. In ihrem Gesicht verzieht sich keine Miene und ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll, damit sie mir Glauben schenkt. Ich weiß absolut nicht mehr, wie ich eine Frau von mir überzeuge.

Bei Avery will ich jedoch umso mehr, dass es funktioniert.

Ich lege meine Hände an ihre Taille und ziehe sie an mich. Ich lehne meine Stirn gegen ihre und spüre, wie ihr Atem zittrig wird.

»Will«, seufzt sie leise, doch ich ignoriere es. Stattdessen überbrücke ich den letzten Abstand unserer Münder und küsse sie.

The Secret I HideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt