Wills Sicht
Ich habe mich krankgemeldet.
Ich bin 35, habe eine Vorzeigekarriere hingelegt, habe eine Frau gefunden, die mich liebt, und war für genau zwei Monate endlich wieder ansatzweise glücklich. Sonst habe ich immer zu allem und jedem meine Meinung gesagt, doch jetzt, wo ich weiß, dass mittlerweile die gesamte Belegschaft von der Klage wissen müsste, ziehe ich den Schwanz ein und verstecke mich zu Hause.
Dabei ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Elizas Vater mich beurlauben wird bis diese Sache geregelt ist. Und so wie es aussieht, scheint sich momentan alles gegen mich zu richten. Noch am selben Abend, an dem Eliza mir den Brief gegeben hat, habe ich Diana und insbesondere Drake um Hilfe gebeten. Sein Vater ist ebenfalls Anwalt und ihre Kanzlei in Seattle hat einen sehr guten Ruf. Glücklicherweise ist Drake mit seinem Vater direkt angereist, um mich zu unterstützen. Ich weiß zwar nicht, wie wir mich aus dieser Sache rausboxen wollen, aber ich will Eliza ihre Zuversicht nicht nehmen.
Sie hat das nicht verdient. Sie ist wunderschön, intelligent und einfach perfekt. Vielleicht wäre sie mit einem Mann in ihrem Alter wirklich besser dran. Auch, wenn mir dieser Gedanke weh tut, kann seit den drei kleinen, aber bedeutsamen Worten, die sie mir gesagt hat, einfach nicht anders, als daran zu denken.
Natürlich empfinde ich auch etwas für sie, wobei ich mir noch nicht sicher bin, ob es ebenfalls Liebe ist.
Es war nicht geplant, dass so etwas passiert. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass so etwas passiert – nicht einmal bei Mrs. King. Dieses Weib hat zwar einige meiner Nerven strapaziert, aber ich würde niemals eine Frau sexuell belästigen oder unangemessen berühren. Schon gar nicht bei einer Untersuchung. Allein die Vorstellung daran macht mich krank und sorgt dafür, dass mir die Pizza wieder hochkommt, die ich mit Eliza gegessen habe, bevor sie zur Spätschicht aufgebrochen ist.
Meine Karriere ist im Eimer. Spätestens, wenn der Gerichtstermin ist und es so richtig hässlich wird, wird Mr. Kingsley eine Pressemitteilung schreiben müssen. So läuft es nun mal ab. Da hilft es mir wenig, wenn er weiß, dass ich unschuldig bin und er die Beziehung von mir und seiner Tochter akzeptiert hat. Er muss es tun. Ich werde nie wieder als Arzt praktizieren können und wenn doch – wer würde sich schon von einem Gynäkologen behandeln lassen, der wegen sexueller Belästigung verklagt wurde?
Von der Strafe mal ganz abgesehen.
Das Vibrieren meines Handy unterbricht das Chaos, das in meinem Kopf herrscht. Ich greife danach und entsperre es, als ich Elizas Namen auf dem Bildschirm sehe. Der Messenger öffnet sich von ganz allein und ihre Nachricht poppt sofort auf.
Bist du noch wach?
Ich lächle leicht, ehe ich eine Antwort tippe: Ich warte auf dich...
Die Häkchen werden sofort blau, ehe ich sehe, dass sie schreibt.
Eliza:
Ein wenig musst du dich noch gedulden, Baby.Ich lächle schief, ehe ich sehe, dass sie erneut tippt.
Eliza:
Ich liebe dich.Will:
Arbeite schnell weiter, damit du bald hier bist.Ich weiß nicht wieso, aber seitdem sie mir gesagt hat, dass sie mich liebt, sagt sie es andauernd. Als würde sie darauf hoffen, dass ich es endlich erwidere. Aber kann ich das? Kann ich schon von Liebe sprechen, wenn wir gerade einmal zwei Monate zusammen sind?
Ich sehe noch, wie sich die Farbe der Haken erneut ändert, als es an der Zwischentür zum Aufzug klingelt. Ich runzele die Stirn, ehe ich das Handy auf den Tisch lege und mich von der Couch auf meiner Füße stemme. Mein Blick wandert zu dem schmalen Display, das in der Wand eingelassen ist, als ich Avery im Aufzug entdecke.
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The Secret I Hide
ChickLitWilliam ist der Älteste der Morrison-Geschwister und arbeitet als Oberarzt in einem Krankenhaus in San Francisco. Seine Arbeit spannt ihn viel ein, sodass für eine Frau gar keine Zeit übrig bleibt. Als Eliza jedoch in sein Leben stolpert, beginnt er...