Elizas Sicht
Lustlos betrete ich am nächsten Tag meine Wohnung und merke, wie sehr ich es vermisst habe hier zu sein. Meine eigenen vier Wände.
Die letzten Wochen und Monate habe ich hauptsächlich bei Will verbracht, sodass Kyle die Wohnung für sich hatte. Nur selten war ich hier und im Nachhinein merke ich, dass ich diese Sache mit Will zu überstürzt angegangen bin.
Ich vermisse mein eigenes Zuhause und auch, wenn ich mich bei Will wohlgefühlt habe, weiß ich, dass es falsch war, seine Wohnung als ein Zuhause zu betrachten. Will und ich kennen uns noch nicht einmal annähernd genug, um über eine gemeinsame Wohnung überhaupt nachzudenken und nach zwei Monaten überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, dass man eventuell zusammenziehen könnte, ist nicht unbedingt die beste Idee.
Wills Reaktion hat mir gezeigt, dass es ihm so geht und auch wenn ich mir noch immer das Gefühl habe, dass er mir vor den Kopf gestoßen ist, bin ich froh, endlich wieder etwas Zeit für mich zu haben. Vielleicht ist es für einige Zeit sogar besser, wenn wir uns nicht so häufig sehen.
Ich weiß, dass er gerade andere Probleme im Kopf hat und vermutlich hat mein Drängen in ihm eine Kurzschlussreaktion ausgelöst. Im Gegensatz zum Anfang unserer Beziehung war er bis zu dem Tag, wo wir von der Anklage erfahren haben, ein anderer Mensch. Ich kann verstehen, dass es ihm schlecht geht und wollte ihn bloß unterstützen und ihn ablenken. Sein Verhalten hat mir aber deutlich gezeigt, dass er gerade einige Dinge mit sich allein ausmachen muss.
Ich spüre Erleichterung, als ich den vertrauen Duft und das Gefühl von Sicherheit wahrnehme, die meine Wohnung mir gibt. Es fühlt sich an, als würde ein großer Teil des Ballasts von meinem Rücken fallen.
Ich hänge meine Tasche an die Garderobe und verstaue meine Schuhe im Schuhschrank, in denen sich auch schon einige von Kyles Schuhen angesammelt haben. Ich grinse schief, als ich den Schrank wieder schließe und mich dann in die Küche begebe, aus denen Geräusche kommen, die eindeutig von sich schließenden Schubfächern und Kochtöpfen stammen.
»Hey«, sage ich, als ich Kyle begrüße, stelle dann aber fest, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht ein breit gebauter Mann, der nichts anderes als Boxershorts und ein Hemd trägt. Seine Haut ist gut gebräunt und seine Muskeln unfassbar definiert. Seine Haare sind dunkel und kurz geschnitten. Wenn er mir nachts im Dunklen begegnen würde, würde ich sicherlich schreiend davon rennen.
Kyle fährt herum, als er meine Stimme hört und sieht mich nervös und gleichzeitig überrumpelt an.
»E-Eliza«, murmelt er nervös. »Was machst du denn hier?«
Ich lache leicht, weil er scheinbar nicht mit meiner Anwesenheit gerechnet hat. »Ich dachte mir, ich sollte mal wieder nach Hause kommen. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast«, sage ich und blicke beide entschuldigend an.
Kyle nickt und sieht überfordert zwischen uns hin und her. Ich kann mir denken, was dieser Mann hier zu suchen hat, verstehe allerdings nicht, wieso Kyle sich unwohl fühlt. Ich habe akzeptiert, dass er auf Männer steht und finde es nicht verwerflich, wenn er jemanden mit nach Hause bringt, auch wenn es sich dabei um meine und seine Wohnung handelt.
»Ich bin Kendrick«, stellt sich der Mann neben Kyle vor und reicht mir mit einem Lächeln im Gesicht die Hand.
»Eliza. Freut mich, dich kennenzulernen«, erwidere ich und ich bemerke, dass Kyle deutlich erleichtert zu sein scheint. Vielleicht muss er sich noch daran gewöhnen, dass es durchaus Ausnahmen gibt, die ihn für seine Sexualität nicht verurteilen.
»Du bist die, die Kyle einfach einziehen lassen hat? Das war wirklich großzügig von dir«, sagt er und ich lächle leicht, als ich sehe, wie die beiden sich anblicken.
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The Secret I Hide
Literatura FemininaWilliam ist der Älteste der Morrison-Geschwister und arbeitet als Oberarzt in einem Krankenhaus in San Francisco. Seine Arbeit spannt ihn viel ein, sodass für eine Frau gar keine Zeit übrig bleibt. Als Eliza jedoch in sein Leben stolpert, beginnt er...