35 | Entschuldigungen

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Elizas Sicht - drei Wochen später

Nervös sitze ich auf der Bank im Park, ganz in der Nähe des Krankenhauses.

Fast ein ganzer Monat ist vergangen, seitdem Will mich mit Chris in meiner Wohnung erwischt hat und die Schuldgefühle in mich beinahe von Innen zu zerbersten.
Ich muss noch einmal mit ihm reden - ein letztes Mal, bevor wir endgültig getrennte Wegen gehen und ohne einander glücklich werden können.

Ich knete meine Hände und wage es nicht, nach oben zu blicken. Das Wetter ist, im Gegensatz zu dieser Situation, wunderschön und auf irgendeiner Weise beruhigt es mich auch, dass nach dem Regen der letzten Wochen endlich wieder die Sonne scheint. Beinahe scheint es mir so, als wolle mir der Wettergott höchstpersönlich sagen, dass alles gut wird, egal wie schrecklich die Zeit war, die man durchlebt hat.

Einige Tage, nachdem ich Sex mit Chris hatte, habe ich Will um ein Treffen gebeten, doch er war noch nicht bereit dazu. Ausgerechnet heute habe ich von ihm eine Nachricht bekommen, dass er nun bereit wäre mit mir zu sprechen. Meine Reaktion darüber war eine Mischung aus Überraschung, Freude und Angst.

Überraschung, weil ich nicht damit gerechnet hätte, dass er einen Schritt auf mich zu macht. Freude, weil ich mir erhoffe, dass wir unsere Differenzen klären können.
Angst, weil ich nicht weiß, ob mir dieses Gespräch noch einmal das Herz brechen wird.

Ich weiß, dass wir nicht wieder zusammenkommen werden und das möchte ich auch nicht. Ich glaube, in dieser Sache sind William und ich uns einig. Wir können einander nie mehr vertrauen und mittlerweile bin ich der Meinung, dass wir wirklich an zwei verschiedenen Punkten in unserem Leben stehen. Auch, wenn ich es mir für ihn und mich gewünscht hätte - ich bin noch nicht bereit mein Leben mit ihm allein zu verbringen und die Tatsache, dass ich so weit gegangen bin, ihn bewusst zu betrügen, hat diese Einstellung in mir nur noch mehr gefestigt. Ich bin erst vierundzwanzig. Ich muss mich noch nicht fest binden und ich möchte allein das tun, was mir allein Spaß macht.

Meine Gedanken reißen ab, als ich Schritte im Gras höre. Schlagartig schießt mein Kopf in die Höhe und ich entdecke Will, der mit den Händen in seiner Hosentasche und gesenktem Kopf auf mich zu läuft.

Schweigend setzt er sich neben mich auf die Holzbank. Er schaut einen Moment in die Ferne, ehe er sich zu mir dreht und mich ansieht.

»Hey«, begrüßt er mich.

»Hey«, erwidere ich und lächle leicht. »Wie geht es dir?«

»Besser. Nein, eigentlich geht es mir sehr gut. Und dir?«

»Mir geht es auch gut. Ich bin froh, dass wir uns noch einmal treffen konnten. Es gibt noch einiges, was ich dir sagen möchte«, erkläre ich und er nickt.

»Okay«, sagt er.

»Zuerst einmal möchte ich mich bei dir entschuldigen. Ich habe dir nicht geglaubt, als du gesagt hast, dass Avery dir zwar etwas bedeutet, zwischen euch aber nicht mehr gewesen ist, als dieser Kuss, den du nicht einmal erwidert hast. Du musst wissen, dass ich mich zu dieser Zeit schrecklich gefühlt habe. Ich war so glücklich, als ich meinen Vater endlich von uns erzählen konnte. Selbst als du diese Klage am Hals hattest, war ich glücklich, weil ich dachte, dass wir beide diese Situation zusammen meistern würden. Ich habe nicht eine Sekunde an deiner Unschuld gezweifelt und ich bin mir auch ganz sicher, dass ich wirklich tiefe Gefühle für dich gehabt habe. Gefühle, die du aber nicht erwidern konntest. Zumindest waren sie bei dir nicht so stark, habe ich Recht?«

William sieht mich einen Augenblick an, ehe er seinen Blick abwendet.

»Du hast Recht. Ich habe es wirklich versucht, aber ich konnte nach zwei Monaten Beziehung noch nicht sagen, dass ich dich liebe und es tut mir leid, denn im Nachhinein hast du es verdient, dass jemand an deiner Seite steht, der dich liebt. Wir beide haben jemanden verdient, der uns nimmt, wie wir sind und ich glaube, nein ich weiß mittlerweile, dass wir beide einfach nicht harmonieren - zumindest, wenn man den Sex außenvor lässt«, sagt er und ich kann sehen, wie seine Mundwinkel zucken.

Ich kann mir ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen.

»Tut mir leid, wenn ich das so offen sage, Eliza. Ich weiß, dass dir diese Beziehung viel bedeutet hat und mir war sie ebenfalls wichtig. Aber ich glaube, dass es nicht einmal der Altersunterschied gewesen ist, der ausschlaggebend dafür gewesen ist, dass es nicht funktioniert hat«, sagt er.

»Es liegt allein an uns. Wir sind das Problem. Nicht das Alter«, ergänze ich ihn.

»Wenn wir wirklich gewollt hätten, hätten wir diese Beziehung nicht in den Sand gesetzt. Du hättest mich nicht betrogen und ich...«, sagt er, bricht jedoch zum Ende hin ab.

»Und du hättest Avery vergessen können. Das ist es doch, was du sagen wolltest, oder?«

Er nickt.

»Avery ist eine dieser Menschen, die immer eine Konstante in meinem Leben waren. Du hast es selbst am eigenen Leib erfahren. Mein Job war mir immer wichtiger und ich weiß, dass meiner Familie das nicht gefallen hat. Selbst wenn alle anderen mich schräg angesehen haben, hat Avery mir gegenüber Verständnis gezeigt. Sie hat mich bestärkt, dass das, was ich meinem Job gegenüber empfinde Leidenschaft ist. Und diese Leidenschaft, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte und verdrängt habe, empfinde ich auch ihr gegenüber. Alles fing an, als sie siebzehn war. Ich war längst auf dem College und nur selten zuhause. Aber wenn ich einmal da war, habe ich meine Zeit mit ihr verbracht. Wir waren picknicken, im Kino, in der Mall oder haben bloß einen Film angesehen. Dieses Knistern war schon immer da und auf Quinns Geburtstag hat es dann schlussendlich gefunkt. Wir haben uns geküsst und sind uns näher gekommen. Eigentlich war das längst überfällig - aber wie es dann so ist, funkt das Leben dazwischen. Ich bin zurück zur Uni, während sie ihren High School Abschluss gemacht hat. Wir haben beide neue Beziehungen gehabt und nie wieder darüber gesprochen, was passiert ist. Doch wir waren trotz allem noch Freunde - beste Freunde. Wir haben weiterhin Zeit miteinander verbracht, wann immer es gerade möglich war. Und das hat sich bis vor ein paar Monaten auch nicht geändert. Seitdem sie mir ihre Gefühle gebeichtet und mich geküsst hat, werde ich sie nicht mehr los, diese Gefühle«, erklärt er. In seinem Gesicht platziert sich ein kleines Lächeln und selbst ich, seine Ex-Freundin, kann mich nicht daran hindern.

»Und ihr seid jetzt zusammen?«

»Nein«, sagt er schlicht. »Wir sind gerade einmal drei oder vier Wochen getrennt. Ich kann noch keine neue Beziehung eingehen. Wenn sie nicht ohnehin schon weg ist«, sagt er.

»Du weißt nicht, ob sie schon weg ist?«

»Sie redet nicht mehr mit mir, nachdem ich ihr die kalte Schulter gezeigt habe «, gibt er zu und zuckt mit den Schultern.

»Und wieso nimmst du es hin, wenn es doch ganz klar ist, dass sie die Frau ist, mit der du zusammensein willst. Mit der du schon seit Ewigkeiten zusammen sein willst, aber die Gefühle in den Hintergrund gerückt sind?«

»Du weißt schon, dass du deinem Ex-Freund gerade auf die Sprünge hilfst mit einer anderen Frau zusammenzukommen?«

»Damit kann ich leben. Ich habe mit uns abgeschlossen, Will. Mir war es nur wichtig, dass wir uns noch einmal sehen. Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Wir haben beide Fehler gemacht und ich wollte nicht, dass du denkst, du seist Schuld an allem. Das bist du nicht und es tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe«, erwidere ich.

»Ja, wir haben beide Fehler gemacht. Mir tut es auch leid, wie ich mich verhalten habe. Es gab Zeiten, da war ich das größte Arschloch der Welt. Es hat mir wirklich etwas bedeute, das mit dir«, sagt er und ich nicke lächelnd.

»Das heißt, wie verzeihen einander?«

»Wir verzeihen einander«, erwidert er und blickt mich an.

Ich lächle und kann nicht anders, als ihn einmal zu umarmen. Als Abschied.

Will legt seinen Arm um mich und hält mich ebenfalls an sich gedrückt.

Nach kurzer Zeit lösen wir uns voneinander und er sieht mich an, ehe er aufsteht.

»Machs gut, Eliza«, sagt er und lächelt.

»Machs gut, Will«, erwidere ich ebenfalls lächelnd.

Erst jetzt dreht er sich um, schiebt seine Hände wieder in seine Hosentaschen und läuft los.

Ich blicke ihm nach bis er außer Sichtweite ist und atme tief durch und weiß genau - jetzt bin ich bereit.

Bereit für das nächste Kapitel in meinem Leben.

The Secret I HideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt