Kapitel 19: Verständnis und der Aufbruch

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Es war ein ruhiger Abend.
Legolas stand auf einem der Balkone und blickte in die Ferne. Sein hellblaues Gewand schimmerte im Mondlicht, genau wie seine Augen, nur dass diese noch viel mehr strahlten. Der Prinz machte einen leicht verträumten und nachdenklichen Eindruck.
Er sehnte sich nach Aragorn. Wie gern wäre er jetzt bei ihm gewesen...

"Legolas."
Eine sanfte Stimme wehte zu ihm herüber. Überrascht drehte er seinen Kopf. Es war tatsächlich sein Vater. Was wollte er von ihm? Ihm deutlich machen, dass er nicht mit Aragorn zusammen sein konnte? Ihn beschimpfen?
Thranduil stellte sich neben ihn und stützte beide Arme auf das Geländer. Er trug ähnliche Kleidung wie Legolas und sie stand ihm mindestens genauso gut. Das Blau harmonierte mit seinen blonden Haaren und auch mit der Krone, die der König trug.
"Warum bist du hier, Adar?", fragte Legolas leise.
Thranduil lächelte. Es sah eher gezwungen aus, doch er versuchte es zumindest. "Ich habe noch einmal gründlich nachgedacht. Über dich als meinen Nachfolger."
Der Elbenprinz zeigte keine Reaktion und blickte weiterhin stur in seine Augen.
"Und ich hatte einen Traum. Deine Mutter erschien mir. Sie sagte...sie sagte, ich solle meinem Herzen folgen und das tun, was richtig ist. Denn nicht immer das, was man am Anfang für falsch hält, ist es auch." Er machte eine kurze Pause und sein Blick wanderte in den Sternenhimmel. Dann sprach er weiter. "Ich spürte erneut, wie sie mich liebte. Und wie ich sie liebte."
Er legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter und sah ihn an. "Du bist alles, was mir von ihr bleibt. Ich möchte, dass du glücklich bist."
Der Prinz schaute zu ihm auf. In seinen Augen stand nun deutlich die Hoffnung geschrieben.
"Und wenn du mit Aragorn glücklich bist, dann sei es so."
Er lächelte. Diesmal hatte Legolas das Gefühl, es war ein echtes Lächeln, und das berührte ihn seltsam.
"Auch wenn ich gestehen muss, dass es wohl noch etwas dauern wird, bis ich mich damit abgefunden habe. Verzeih mir, Legolas."
Seine Augen glänzten verräterisch, als der König seinen Sohn ansah. Dieser trat einen Schritt näher, blickte ihn noch einmal an und umarmte ihn dann vorsichtig. Auch Thranduil wusste nicht recht mit der Berührung umzugehen, drückte seinen Sohn jedoch einfach behutsam an sich.
Nach ein paar Sekunden lösten sie sich voneinander und lächelten beide.
Ohne ein Wort zu sagen, lehnten sie sich ans Geländer und betrachteten die Sterne, jeder in Gedanken versunken an den, den er liebte.

Legolas stellte sich vor, was Aragorn wohl gerade tun mochte. Er stellte sich vor, wie der Waldläufer einer riesigen Schar Orks entgegentrat, sein Schwert sicher in der Hand, und sie Ork für Ork niederstreckte. Wie er furchtlos und mutig durch alle Gefahren schritt, alles besiegte und niederschlug. Und schlussendlich, wie sie sich wiedersahen. Beide liefen aufeinander zu, konnten es nicht glauben. Dann fielen sie sich in die Arme und Aragorn küsste ihn leidenschaftlich. Der Elb war so glücklich, so von Glück erfüllt...

...und doch war es nur ein Traum, ein Traum, aus dem man irgendwann erwachte.

In den nächsten Tagen fühlte sich Legolas erheblich besser. Er klammerte sich an den Gedanken, dass Aragorn überleben würde und zu ihm zurückkehren konnte. Dass sie irgendwann zusammen leben würden und glücklich sein. Er hoffte so sehr darauf.
Das Leben im Düsterwald wurde für ihn bald wieder normal. Er tat, was er immer tat, und Ruhe kehrte ein.
Mit seinem Vater hatte er seit dem Abend auf dem Balkon zwar nicht viel gesprochen, doch wussten beide, dass sie nun einander verstanden. Auch das gab Legolas Kraft, nicht aufzugeben.

Nach ein paar Jahren, die seit langer Zeit wieder normal schienen, gestand er sich, was er eigentlich die ganze Zeit tat: warten. Er wartete sehnsüchtig auf Aragorn, wann er ihn endlich wiedersehen konnte. Wann er wieder in seine Augen schauen konnte, seine Arme fühlen und seine Stimme hören.
So wartete er weiter, noch einige Jahre.
Bis dann eines Tages sein Vater in seinem Zimmer auftauchte.

Es war noch früh am Morgen.
Legolas saß auf der Bettkante und hing seinen Gedanken nach.
Ohne anzuklopfen betrat plötzlich Thranduil sein Zimmer. Er sah seinen Sohn ernst an und der Prinz befürchtete schon Schlimmes.
Doch sein Vater meinte: "Elrond von Bruchtal schickt Kunde. Die Völker versammeln sich, um über das Schicksal des Einen Rings zu entscheiden."
Der Eine Ring? Das war der Ring von dem dunklen Herrscher Sauron, den er geschmiedet hatte. Er durfte diesen Ring nicht in die Hände bekommen.
"Auch aus dem Düsterwald braucht man einen Vertreter, und Nachrichten müssen überbracht werden.", fuhr Thranduil fort. "Ich kann es nicht übernehmen, meine Pflichten lassen dies nicht zu."
Legolas ahnte, was sein Vater jetzt fragen würde. Und er wollte es. "Ich kann gehen."
Thranduil nickte anerkennend. "So, wie ich es von dir erwartet habe. Du wirst morgen aufbrechen."
Der Prinz willigte ein. Seine Augen begannen zu leuchten. Er sehnte sich nach einer Reise, nach Abenteuern. Noch mehr sehnte er sich nach Aragorn, doch vielleicht würde er ihn auch irgendwo treffen.
Mit diesem Gedanken packte er ein paar Sachen ein und verbrachte den restlichen Tag im Wald.

Am nächsten Morgen brach er noch vor Sonnenaufgang auf. Es würde eine Weile dauern, bis er in Bruchtal ankam.
Er ritt den ganzen Tag, rastete abends und das wiederholte sich ein paar Mal. Er genoss das Gefühl von Freiheit, das er nun spüren konnte. Es fühlte sich richtig an, zumindest richtiger, als in einem Palast herumzusitzen.

Und bald kam er auch schon in Bruchtal an. Lange war er hier nicht mehr gewesen.
Das idyllische Tal gab ihm jedes Mal, wenn er dort war, ein Gefühl von zu Hause. Hier schien das Grauen der Welt nur noch fern zu sein, hier war alles friedlich.
Fast zeitgleich mit ihm traf noch ein rothaariger Mensch ein. Auf seiner Kleidung war das Wappen von Gondor zu sehen.
Elrond sagte ihnen, der Rat würde am nächsten Tag stattfinden. Er wies ihnen Zimmer zu und Legolas sah sich sofort in seinem um. Es war eher klein, doch es hatte ein Bett, einen Schrank und ein großes Fenster, durch welches die Sonnenstrahlen hineinfielen.
Der Elb trat hinaus und lief ein wenig umher. Er mochte Bruchtal, und er war im Moment einfach nur froh, hier sein zu können.
Und noch eine andere Überraschung wartete hier auf ihn...

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