Sechs Badeperlen

625 53 7
                                    

Gedankenverloren lag ich in der Badewanne. Elaina hatte mir meine Bitte nicht abgeschlagen und hatte mir etwas Zeit zum entspannen gegeben. Seit Tagen lachte mich das Glas an, das auf dem Wannenrand stand. Bunte Badeperlen lagen in ihm und ich zählte sie immer wieder aufs Neue. Letztes Mal hatten sich noch acht darin befunden. Heute nur noch sechs. Wahrscheinlich benutzte meine Mutter sie.

Ein Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich hatte mir etwas überlegt. Um meinem Leben zu entfliehen. Da ich auf Hilfe der anderen nicht zählen konnte, musste ich es selbst tun. Meine Idee war, zu warten bis keine einzige Badeperle mehr in dem Glas wäre. Dann, würde ich es zerbrechen und mit einer der Scherben meinem Leben ein Ende setzen. In Gedanken ging ich es immer und immer wieder durch.

„Nur noch sechs. Sechs Badeperlen", wisperte ich leise.

„Was hast du gesagt?" Elaina kam herein. Sie war heute sehr gut gelaunt. Sie lachte viel und pfiff immer wieder ein Lied. Ich kannte die Melodie. Doch woher?

„Na komm. Dann wollen wir mal aus der Wanne. Du hast sicher schon Schwimmhäute zwischen den Zehen", kicherte sie. Elaina war eine hübsche Frau. Sie hatte langes, blondes Haar und blaue Augen. Sie erinnerte mich an Miss Kunert. Meine Kunstlehrerin.

Seit einem Monat musste ich anfangen wieder etwas für die Schule zu tun. Dafür hatte man mir ein besonders Arbeitsprogramm auf meinen Rechner gezogen. So würde ich nicht alles verpassen, was im letzten Schuljahr passierte. Doch wenn ich ehrlich war, tat ich nur so, als wenn ich lernen würde. Denn sicher würde ich es nicht mehr brauchen.

In meinem Kopf manifestierte sich dieser eine Satz. Sechs Badeperlen.

„Hey Sportsfreund. Na, du hast letztens doch die Wette gewonnen. Ich dachte, heute ist der richtige Tag um den Film zu sehen. Und, ich habe uns was mitgebracht." Kennedy kam herein und hielt einen Stoffbeutel in die Luft. „Da ist alles drin, was ungesund ist und Fett macht." Auch er hatte heute extrem gute Laune. Was war hier los?

„Können wir das nicht verschieben? Ich bin müde", knurrte ich ihn an.

„Nop. Heute ist der Tag! Sei froh. Denn heute stand eine Ganzkörpermassage an. Und ich weiß ja wie du da drauf stehst."

Er hatte das letzte Mal, als er versuchte mich anzufassen, eine saftige Ohrfeige kassiert. Das meinte er wohl mit seiner Anspielung.

„Und jetzt zum Wichtigsten. Dem Film." Er nahm meinen Laptop und setzte sich frech einfach in mein Bett. „Na los. Rück mal ein Pfund! Du Dickerchen." Er drückte mich an der Schulter etwas zur Seite. Als wenn mir das helfen würde. Mit den Händen stieß ich mich ab und versuchte ihm so etwas Platz zu machen. Los würde ich ihn sowieso nicht werden. Er war der aufdringlichste Mensch, den ich bis dato kannte.

Six reasons to liveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt