Das Geständnis

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Zum dritten Mal hielt ich mein Handy in der Hand. Vor mir auf der Bettdecke lag ein weißer Zettel, auf dem ich mir Kennedys Nummer notiert hatte. Ich zögerte mein Smartphone anzustellen. Was würde mich erwarten? Wie viele Nachrichten und Anrufe? Ich legte es zurück in die Schublade meines Nachttischs und schob sie zu.

„Hat er nicht angerufen?", fragte ich Mum, die gerade meine Vorhänge zuzog. Die Sonne hatte mein Zimmer zu sehr erhitzt.

„Nein Schatz, hat er nicht. Er ist auch nicht zu erreichen. Wahrscheinlich meldet er sich noch, oder kommt morgen."

Es war untypisch für Kennedy, ohne sich zu entschuldigen, der Arbeit fern zu bleiben. Außerdem waren wir verabredet gewesen. Gestern hatte er mir angedroht, das wir ins Shoppingcenter gehen würden. Ein Outfit für meinen Geburtstag kaufen. All meine Proteste waren an ihm abgeprallt, wie Wasser an Eis. Er bestand darauf.

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Auch in den folgenden drei Tagen gab es kein Lebenszeichen von ihm. Er nahm sein Handy nicht ab und rief auch nicht an. Ich merkte, das es mir von Tag zu Tag mieser ging. Zuerst machte ich mir Sorgen, dann redete ich mit ein, er hätte sich ohne ein Wort des Abschieds, aus dem Staub gemacht. Vielleicht war ich ihm zu anstrengend geworden? Hätte ich ihn nicht so oft vor den Kopf stoßen sollen? Wäre ich doch nur nicht so ein Arsch gewesen!

Gerade war Elaina da. Sie hatte mich für die Nacht fertig gemacht und schüttelte die Kissen hinter meinem Rücken auf.

„Wir sehen und morgen früh. Bis dann", verabschiedete sich die Blonde und verließ mein Zimmer. Enttäuscht legte ich mich zurück und sah mich in dem viel zu stillen Raum um. Sollte das jetzt mein Leben sein? Sollte ich auf ewig im Bett oder in einem Rollstuhl verbringen? Meine Finger gruben sich in das dünne Laken, das über meinen Beinen lag. Mein Geburtstag wäre übermorgen. Kennedy hatte mir versprochen zu kommen. Doch wie es aussah würde er nicht kommen. Weder an meinem Geburtstag, noch an irgendeinem andern Tag. Er hatte mich tatsächlich vergessen - redete ich mir ein.

Die Sonne ging langsam unter. Ich konnte den orangene Lichteinfall auf meiner Hand sehen, die ich müde anblinzelte. Ich schluckte hart und hing meinen Gedanken nach. Ich hätte jetzt alles dafür gegeben, das Rascheln einer Chipstüte neben mir zu hören, das Crunchen, wenn er sie sich in den Mund schob und kaute. Meine Mundwinkel zuckten. Selbst die Krümel in meinem Rücken würde ich in Kauf nehmen, wenn er nur bei mir wäre. Ich seine Stimme hören dürfte, seine klotzigen, trocknen Sprüche, die mich mit den Augen rollen ließen. Er fehlte mir unbeschreiblich.

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„Hey. Warum pennst du noch? Warst wohl zu lange wach und hast unanständige Dinge unter der Bettdecke gemacht, huh?"

Das Geräusch von zurück gezogenen Vorhängen, ließ mich die Augen öffnen und sofort hob ich mir schützend die Hand vor sie.

„Heute haben wir viel zu tun. Also beweg deinen dürren Arsch aus dem Bett."

Kennedy! Er war hier. Ich stemmte mich auf und sah ihn aus ungläubigen Augen an. Träumte ich?

„Wo warst du? Warum hast du dich nicht mehr gemeldet?", kam es schließlich heiser aus meinem Mund.

Kenny setzte sich zu mir. Er lächelte, doch sein Lächeln erreichte nicht seine Augen.

„Hatte ein paar private Dinge zu erledigen."

„Und deswegen kannst du nicht anrufen?", fragte ich und ließ ihn nicht aus den Augen.

„Es tut mir leid. Ich hatte so viel um die Ohren. Jetzt bin ich zurück und wir gehen heute einkaufen." Seine wackelnden Brauen ließen nichts gutes erahnen.

Ich konnte mich nicht von seinem Anblick lösen, jedesmal bekam ich das Gefühl, er würde jede Minute wieder verschwinden. Als er aufstehen wollte griff ich blitzschnell nach seiner Hand und hielt ihn zurück. Seine Augen sahen zu unseren Händen und zurück in mein Gesicht.

„Was ist los?"

Was los war? Ich wollte, dass er sich setzte, also zog ich ihn zurück zu mir aufs Bett. Ich war so Scheiße aufgeregt, dass meine Hände schwitzten und mein Mund so trocken wurde das mir das Schlucken schwer fiel. Fragend und mit zur Seite gelegten Kopf, schaute der Schwarzhaarige mich an.

„Theodore? Ist alles-" Ich unterbrach ihn.

„I-ich glaube ... ich bin in dich verliebt", schoss es aus meinem Mund und mein Herz pumpte wie verrückt in meiner Brust.
Nun war es endlich raus. Doch sofort strömten wirre Gedanken in meinen Kopf. Wie würde er jetzt auf mein Geständnis reagieren?

Six reasons to liveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt