Akzeptanz

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Kennedy leckte sich langsam über seine Unterlippe, blickte zu Boden und ich konnte sehen wie sein Brustkorb sich hob und wieder senkte, als er schwer ausatmete.

„Du solltest dich jetzt echt anziehen, Kleiner." Seine Hand entzog sich meinem Griff und er stand auf.

„Das ist alles, was du zu sagen hast?" Ich hatte ihm gerade meine Gefühle offenbart und er hatte nichts besseres zu tun, als mir auszuweichen? „Kannst du mir wenigstens sagen, was du denkst?"

Kenny schloß den Kleiderschrank und legte mir eine dunkelblaue, kurze Hose und ein weißes Polo aufs Bett.

„Theodore, es schmeichelt mir. Doch das solltest du dir schleunigst aus dem Kopf schlagen."

Er zog mich an den Beinen über den Bettrand und gab mir das Shirt. Dabei  wich er meinen Blicken völlig aus.
Ich hatte eine totale Bruchlandung hingelegt. Wie kam ich aus der Nummer jetzt wieder raus?

„Du hast sicher recht. Es tut mir leid, dass ich es erwähnt habe."

Kennedy half mir in die kurze Hose und in den Rollstuhl. Er ging überhaupt gar nicht mehr darauf ein. Es war, als hätte ich nie etwas gesagt.

Den ganzen Tag bekam ich es jedoch nicht aus dem Kopf. Die Fahrt zum Shoppingcenter, stellte sich als wirklich bedrückend heraus. Kenny redete zwar unaufhörlich, doch ich schwebte in meinen stillen Gedanken.

„Wie ist es hiermit?" Er hielt mir eine schwarze Hose vor die Nase und ein für seinen Geschmack dazu passendes Hemd mit kurzen Ärmeln.

„Dein ernst? Das Hemd sieht aus wie von einem Touristen." Bunte Papageien und Palmen waren echt nicht mein Ding.

„Ich hatte gedacht du stehst dadrauf, wenn ich so an deine Badehose denke. Pinke Flamingos?"

Ich wusste, das mir diese verdammte Hose mal zum Verhängnis werden würde. „Ein Fehlgriff meiner Mum", tat ich es ab und rollte an ihm vorbei.

Während ich vor einem der Wühltische stand und mir die ausgelegten Shirts ansah, schob sich mein Blick in Richtung Kenny. Er lehnte an einer der Vitrinen in denen Hüte lagen und quatschte mit der Verkäuferin. Sie lachte und zeigte ihm einen der dummen Kopfbedeckungen, er erwiderte ihr Lachen und sie setzte ihm den weißen Hut frech auf den Kopf. 
Der 24jährige drehte sich zum Spiegel, lachte und nahm ihn wieder ab. Er strich sich seine dicken Locken zurück und schüttelte den Kopf.

Meine Finger hatten sich bereits in eines der Shirts gegraben und mein Blick hätte mich sofort verraten, wenn ich mich nicht abrupt umgedreht hätte, um davon zu rollen.

„Theodore?" Kennedy verabschiedete sich von der jungen Frau und eilte mit nach. Wie sehr ich mir jetzt gerade funktionstüchtige Beine wünschte, war nicht zu beschreiben.

„Laß dich nicht stören. Ich schaue mal hier drüben nach." Immer schneller schwang ich meine Hände über die Räder und rollte vor ihm davon.

„Theodore, mach langsam! Du fährst noch jemanden um!" Der Ältere bekam die Griffe dieses Metallhaufens zu fassen und brachte mich so zum stehen. „Was ist los mit dir?"

„Ich habe einfach keine Lust, auf das hier. Für was soll ich mir Klamotten kaufen, für einen Tag wie jeden anderen?"

Seine Hand lege sich auf meine Schulter und er sah mich aus diesen verdammten Augen an, von denen ich nachts träumte.

„Du solltest dich langsam daran gewöhnen, Theodore. Eine Zeitlang wirst du es schwerer als andere haben. Denken, das Leben hat dich beschissen und es fuckt dich sowas von ab. Doch glaub mir, umso eher du es akzeptierst, umso schneller wirst du wieder in dein Leben finden. Und irgendwann, gehört es einfach zu dir. Außerdem, es ist nicht ausgeschlossen, das die Therapie anschlägt und du bald erste Erfolge siehst. Ich kannte schon so viele vor dir, bei ihnen hatte es auch lange gedauert. Doch ich kann dir Versprechen, alles beginnt hier." Sein Zeigefinger tippt mir gegen die Stirn. „Alles nimmt seinen Anfang im Kopf. Verlier nicht die Hoffnung und akzeptiere, wie es im Moment ist."

Er hatte gut reden. Er hatte Beine!
„Du kannst dir nicht im geringsten vorstellen, wie es ist, tot sein zu wollen! Ich kann mich nicht daran gewöhnen! Ich kann nicht!", schrie ich ihn an. „Du kannst das so leicht sagen, akzeptieren! Du musst nichts akzeptieren! Du bist gesund und hast dein ganzes Leben noch vor dir! Auf Beinen!" Wütend wandte ich mich von ihm ab und rollte Richtung Ausgang. Ich wollte nur weg hier. Alle Leute starrten mich an. Starrten den Krüppeljungen an, der ich war.

Six reasons to liveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt