Zum ersten Mal stieg ich die Treppen in unserem Haus wieder nach oben. Es war so merkwürdig dies wieder zu tun. Langsam drückte ich die Zimmertür auf und ging hinein. Mum hatte tatsächlich alles so gelassen wie ich es verlassen hatte, am Tag an dem ich den Unfall hatte.
Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter.Ich warf meine Reisetasche aufs Bett und ging zu meinem Schreibtisch. Dort stand mein Laptop und ich setzte mich um etwas im Netzt zu Surfen. Doch das erste was ich googelte war sein Name.
Kennedy James, Physiotherapeut, South Beach, Miami.
Sofort erschien eine Website mit mehreren Therapeuten und ich klickte das Bild an, das von ihm dort zu sehen war. Scheiße, erst jetzt fiel mir auf wie sehr ich ihn vermisste. Ich hatte gestern versucht ihn zu erreichen, doch sein Handy schien immer noch ausgestellt zu sein. Also suchte ich die Nummer seiner Arbeitsstelle heraus um dort nach ihm zu fragen.
Am Abend ging ich nach unten und sah wie Julia in der Küche das Abendessen anrichtete. Ich ging weiter den Flur nach hinten durch bis zu meinem Zimmer in dem ich die letzten fünf Monate verbracht hatte. Angekettet an dieses Bett und dem Rollstuhl, der zusammen geklappt in der Ecke stand.
„Du Scheißding", murmelte ich vor mich hin und ging weiter ins Zimmer hinein. Langsam griff ich nach den geschlossenen Vorhängen und riss sie mit Kraft auf. Die Sonne ging unter und ich konnte immer noch nicht glauben, das ich hier stand und es aus einem andern Blickwinkel betrachten konnte.
„Theodore? Ist alles gut? Was machst du hier?" Es war meine Mutter die herein kam und sich neben mich ans Fenster stellte.
„Nichts. Ich suche nur nach etwas", log ich sie an.
„Nach was?"
„Nach ... einem Buch. Elaina hat es mir geliehen. Es muss hier noch irgendwo liegen. Ich wollte es ... lesen."
Mum strich mir über die Schulter und lächelte. „Nun gut. Ich bin vorn und helfe Julia mit dem Abendessen. Komm wenn du soweit bist."
Das Buch lag noch genau dort wo Elaina es hingelegt hatte. Auf dem kleinen Nachttisch neben der Leselampe. Ich nahm es an mich und ging nach draußen auf die Terrasse, um mich dort in einen der Sessel zu schmeißen, und die angenehme, abendliche Luft zu genießen.
Zögernd holte ich mein Smartphone aus meiner Hosentasche und schob den Riegel auf. Mein Finger verweilte einige Sekunden über Kennys Nummer. Dann drückte ich und hoffte, es würde endlich ein Freizeichen erklingen. Doch nichts. Nur diese Mailbox mit seiner Stimme.„Ich kann Ihren Anruf leider nicht entgegen nehmen. Bitte melden Sie sich zu einem anderen Zeitpunkt, oder hinterlassen Sie mir eine Nachricht und ich rufe umgehend zurück."
Der Piepton erklang und ich atmete einmal durch bevor ich sprach.
„Hi Kennedy. Ich bin's ... Theo. Ich weiß nicht, ob du dich an den kleinen Schwachmatten im Rollstuhl erinnerst, dem du die letzten Wochen fürchterlich in den Arsch getreten hast. Aber wenn doch ... dann", kurz schwieg ich, „dann würde ich mich freuen wenn du dich mal meldest." Ich wischte mit über die Lippen und stockte kurz. „Kenny? Ich ... ich vermisse dich. Bitte melde dich. Bis dann."
Ich beendete den Anruf und ließ das Handy in meinen Schoß sinken. Warum hatte er mich nicht einmal angerufen oder wenigstens bei Mum nach mir gefragt?
Morgen würde ich es an seiner Arbeit versuchen und nach ihm fragen. Ihm eine Nachricht hinterlassen. Oder sollte ich zu ihm fahren? Kurz hatte ich wirklich Zweifel. Ob dies nicht schon eine Art Stalken war, denn allen Anschein nach hatte er kein weiteres Interesse an mir. Wahrscheinlich sah er in mir nicht mehr als einen beliebigen Job.„Theo! Kommst du? Wir wollen essen!" Mum rief und ich steckte schnell mein Handy zurück in meine Jeanshose und nahm das Buch von Elaina.
„Ich komme!" Sie sollte nicht wissen, das ich seit Tagen versuchte meinen deutlich älteren Physiotherapeuten zu erreichen. Sie würde sich nur wieder zu viele Gedanken machen.Am Abend konnte ich kein Auge zubekommen. Ich sah zum Wecker auf dem Nachttisch. Halb zwei in der Nacht. Mein Blick fiel auf das Buch. Ich machte das Nachtlicht an und nahm es zur Hand. Dabei setzte mich etwas auf. Vielleicht hatte Elaina recht und es würde mir gefallen? Wenn nicht würde ich es ihr gleich morgen auf dem Weg zu Kennedy zurück bringen.
Es dämmerte draußen bereits, als ich das Buch aus der Hand legte. Ich sah zur Uhr. Sechs Uhr morgens? „Shit." Wer hätte gedacht das ein alter Typ und ein Wal mich so fesseln kann. Ich musste grinsen. Ich hatte Elaina wirklich unrecht getan. Ich nahm mir vor das Buch auszulesen und es ihr dann persönlich zurück zu bringen. Vielleicht war auch eine Entschuldigung fällig.
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Six reasons to live
Teen Fiction„Ich werde dir sechs Gründe zeigen ... für die es sich zu leben lohnt, Theodore." Theodore Janson ist Wettkampfschwimmer. Seit er denken kann, liebt er das Wasser. Als beliebtester Schüler der Highschool, lebt er ein unbeschwertes Leben. Bis zu jene...