„Janson? Ist alles in Ordnung?" Kennedy erhob sich und stand bereits neben mir. „Bekommst du keine Luft? Theodore! Sprich mit mir!" Besorgt nahm Kenny mein Gesicht zwischen seine Hände und sah mich an.
„I-Ich kann meine Beine spüren", kam es stockend aus meinem Mund und beide sahen wir gleichzeitig an mir herunter.
„Was?" Kennedy ging vor mir auf die Knie und tastete meine Beine ab. „Spürst du das?"
„Es Kribbelt ... ja! Ich kann es spüren!" Der Schwarzhaarige zog mir meine Espadrilles aus und massierte meine Füße. „Ich spüre es, Kennedy."
Der Ältere richtete sich auf und brachte mich umgehend ins Haus.
Mum rief sogleich meinen behandelnden Arzt an und vereinbarte einen morgigen Termin.Ich befand mich seit drei Wochen in einer Reha-Einrichtung. Mum kam jeden Tag und ich konnte sehen, wie sie endlich anfing es zu Glauben, dass ich wieder gehen konnte. Noch würde ich an keinem Marathonlaufen teilnehmen, doch Maggi meine Therapeutin sagte mir voraus, dass es wahrscheinlich bald möglich wäre. Ich machte solche großen Fortschritte, dass meine Entlassung bald bevorstand.
In all den Wochen war Kennedy nur zwei mal zu Besuch gekommen. Mum sagte er habe einen neuen Job angenommen. Er therapierte ein junges Mädchen und folglich war seine Zeit knapp.
Seit einer Stunde kreiste mein Finger über meinem alten Smartphone. Mum hatte es mir letzte Woche vorbei gebracht und Kennedys Nummer hatte ich mir aus dem Internet besorgt.
Seit zwei Wochen hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Nicht mal ein Tschüss oder ein Leb wohl. Er war einfach gegangen. So, als ob die Monate zuvor, nicht existiert hätten. Dabei war er es, der mich immer wieder angespornte, mir in den Arsch trat, mit seiner unverwechselbaren Art klar machte, dass Aufgegeben keine Option war. Er hatte es geschafft, dass ich wieder etwas fühlen konnte und damit meinte ich nicht meine Beine. Er hat mein Herz angerührt, und das nicht nur einmal. Ich wusste, dass ich mich in ihn verliebt hatte, doch wie stand es um ihn?
Ich dachte an das Gespräch im Garten, an meinem Geburtstag. Dass, was er sagte, kurz bevor ich meine Beine wieder spüren konnte. "Wer sagt das ich nicht auf Typen stehe?" War dies der Hinweis? Darauf, dass er ebenfalls etwas für mich fühlte?
Ja, er ist älter als ich. Doch das ist unwichtig wenn man liebt!
Ich schmeckte den metallenen Geschmack von Blut in meinem Mund. Ich hatte in Gedanken so fest auf meiner Lippe gekaut, das diese nun blutete. Mit dem Zeigefinger strich ich über meine Unterlippe und sofort dachte ich an die letzte Badeperle, die in dem Glas auf dem Wannenrand lag. Er hatte sogar den Gedanken an Selbstmord vertrieben, den ich seit längerer Zeit hatte. Er war damals wie ein Schutzengel aus dem Nichts aufgetaucht und hat sich meiner angenommen.
Entschlossen öffnete ich meine Kontaktliste und drückte auf Kennedys Namen. Meine Finger zitterten und mein Herz schlug so fest in meiner Brust, dass ich dachte jeden Moment durchbräche es meinen Brustkorb. Plötzlich seine Stimme!
"Ich kann Ihren Anruf im Moment nicht entgegen nehmen. Versuchen Sie es zu einem anderen Zeitpunkt."
Etwas enttäuscht beendete ich den Anruf und ließ das Smartphone auf meine Brust sinken. Meine Augen wanderten über meine Beine, über diese furchtbar hässliche Bermuda mit den pinken Flamingos, die Kenny jedoch gefallen hatte, bis hin zu meinen Füßen. Ich wackelte mit meinen Zehen und lächelte schwach. Zum ersten Mal ging mir diese Frage durch den Kopf: Ging er mir vielleicht mit Absicht aus dem Weg? Wollte er Distanz zwischen uns bringen?
Ich wollte es herausfinden. Doch zuerst musste ich aus der Reha-Klinik. Kennedy hatte mich nur in der ersten Woche, mit Krücken und schwächlich auf meinen Beinen stehen sehen. Ich wollte in sein Gesicht schauen, wenn er mich auf sich zulaufen sah. Mit festen Schritten und auf gesunden Beinen.
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Six reasons to live
Teen Fiction„Ich werde dir sechs Gründe zeigen ... für die es sich zu leben lohnt, Theodore." Theodore Janson ist Wettkampfschwimmer. Seit er denken kann, liebt er das Wasser. Als beliebtester Schüler der Highschool, lebt er ein unbeschwertes Leben. Bis zu jene...