Kapitel 34

20 1 0
                                    

,,HEY!", schrie Rika erschrocken und machte einen Seitenrolle vom Pfeil weg, in der sie Dem gleich mit zu Boden riss. Blitzschnell stand sie wieder auf ihren Beinen und klopfte sich den Staub von den Armen, während Dem noch bedröppelt am Boden lag. ,,Was hast du gesagt von wegen die beiden wären nett? Die hätten mich gerade fast umgebracht!", schimpfte sie und kickte Dem mehrmals leicht in die Seite. ,,Hey, hör auf damit!", ermahnte sie Siloh empört. Ihre Kieferknochen spannten sich an, während sie ihre rechte Hand zur Faust ballte. ,,Was denn?", fragte Rika irritiert, ,,Ich mach doch gar nichts!" Silohs Handknöchel wurden weiß. Ich legte meinen Arm sanft auf Silohs und blickte sie warnend an. ,,Jetzt sag doch was, du hättest mich grad fast mein Leben gekostet!", machte Rika weiter. ,,Ich hab gesagt, hör auf!", schrie Siloh jetzt und stürzte nach vorne. Sie packte Rikas Fuß und riss ihn weg von Dems immer noch am Boden liegenden Körper. Dabei verlor Rika ihren dunkelblauen Lederschuh, der durch den halben Raum flog. ,,Hast du sie noch alle? Hol den sofort zurück!", kreischte Rika. ,,Ist doch dein Schuh, sicher nicht!" ,,Du hättest mit grad fast umgebracht, ist ja wohl berechtigt!", fauchte Rika zurück und schubste Siloh in Richtung Schuh. Als Siloh sich immer noch nicht rührte und sie nur wütend anstarrte, wollte Rika sie erneut schubsen, doch da hatte Siloh auch schon ihren rehbraunen Pferdeschwanz gepackt und hielt sie daran. Rika holte nach Silos Unterleib aus, traf sie jedoch nur an der Seite, sodass sie ihr Gleichgewicht verlor und schließlich beide in einem einzigen schimpfenden zeternden Haufen am Boden lagen. Ich konnte kaum wahrnehmen, wer wen nun in den Bauch trat und wer welche Beleidigung in das Ohr der anderen schrie. Ich brauchte ein paar Sekunden bis ich nach vorne humpelte und den ersten Arm ergriff, den ich packen konnte. Glücklicherweise war es Silohs. Sie wehrte sich zwar, doch da ich mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen lehnte, konnte ich sie einigermaßen halten. Mit der anderen Hand wehrte Siloh jedoch weiterhin Rikas Angriffe ab, um sie danach nur selber in den Bauch zu treten. ,,Das ist doch nur logisch! Da betritt ein scheiß Karriero mein Lager und ich soll mich nicht wehren oder was?" ,,Wehren ist aber nicht auf das Herz zielen und schießen!" ,,Dass du als Karriera Wehren nicht als Töten siehst wundert mich aber!" ,,Hey Siloh.", versuchte ich es mit rauer Stimme. ,,Denkst du ich bin komplett behindert oder was? Nur weil ich kämpfen kann. Das ist Diskriminierung!", beteuerte Rika, deren linkes Bein sich in Silohs Hand befand, sodass sie stark balancieren musste. ,,Siloh!", versuchte ich es erneut. ,,Das ist das Gegenteil von Diskriminierung. Das ist Fakt!", schrie Siloh in ihr Ohr. ,,Du bist so eine verdammte Bitch, weißt du das?" ,,Gehen dir jetzt die Argumente aus?", lachte Siloh. ,,SILOH!", rief ich so laut es ging, doch sie entriss sich nur meinem Arm und konnte sich nun erneut komplett auf Rika stürzen. ,,DEM! Jetzt hilf mir doch!", appellierte ich an den inzwischen aufrecht stehenden Dem, der das Spektakel stumm verfolgt hatte. Er reagierte nicht. ,,Hallo, habt ihr jetzt alle den Verstand verloren oder was?", schrie ich laut, damit endlich irgendwer auf mich achtete. ,,Nicht alle.", flüsterte ein sanftes Stimmchen kaum hörbar neben mir. Ich drehte mich um und fand Bug mit eng umschlungener Decke und kahlweißem Gesicht neben mir. ,,Bug, was tust du hier? Leg dich wieder hin!", befahl ich, doch Bug bewegte sich nicht von der Stelle. ,,Ich fühl mich schon bisschen besser und so laut wie ihr hier seid...", röchelte er und bekam dann einen Hustenanfall. Dem erkannte Bug und kam zu uns gesprungen. ,,Bug, was tu- " ,,Okay, jetzt wo du reagieren kannst: LOS!", schrie ich und packte ihm am Ärmel, um ihn zu Rika und Siloh zu ziehen, die gerade mehr oder weniger gegenseitig immer wieder aufeinander saßen und versuchten, die andere festzuhalten. Bug folgte uns die paar Meter und half mir Siloh von Rika zu zerren, während Dem damit beschäftigt war, diese nach hinten zu ziehen, um sie soweit wie möglich aus Silohs Radius zu entfernen. ,,Ich hätte diese Schlampe sowas von fertig gemacht...", brummte Siloh, während sie sich widerwillig erhob. ,,Ich weiß. Aber du wärst selbst dabei draufgegangen.", antwortete ich und zog sie am Ärmel weiter zurück. Rika murmelte weiter Beleidigungen vor sich hin, während Dem auf sie einredete, bei uns zu bleiben. So richtig begeistert darüber war ich nicht. Sie war eine unserer größten Feinde und konnte uns im Schlaf sicher alle blitzschnell kalt machen. ,,Dem. Komm mal her!", rief ich ihn zu uns. Er blickte entschuldigend zu Rika, die nur schnaubend ihren Schuh suchen ging. Ich zog Dem beiseite und flüsterte, sodass Rika uns nicht hören konnte:,,Warum genau nochmal hältst du es jetzt für eine gute Idee, die letzte Karriera hierher mitzunehmen und uns ihr auf dem Präsentierteller vorzusetzen? Die hätte grad fast Siloh umgebracht!" ,,Siloh wollte sie aber zuerst umbringen!", verteidigte sich Dem. ,,Du kannst mir doch nicht erzählen, dass das unberechtigt war! Normalerweise stürzen sich die Karrieros sofort auf einen!", entgegnete Siloh. ,,Siloh, May...", begann Dem, doch ich unterbrach ihn. ,,Hast du noch nie die Hungerspiele gesehen oder was? So spät in den Spielen ist es totaler Schwachsinn, sich mit jemandem wie Rika zu verbünden! Da hättest du auch genauso gut gleich am Füllhorn auf Lucretius zu rennen können!" ,,Sollen wir Rika jetzt etwa wegschicken oder was?", fragte Dem aufgebracht. ,,Nicht wir. Du!", stellte ich klar und schubste ihn sanft in Richtung Rika. ,,Spinnt ihr? Die bringt uns doch dann sicher um, wenn ich sie jetzt wegschicke!" Siloh rief entgeistert:,,Dem! Bist du jetzt völlig bescheuert? Die bringt uns doch sowieso um. Das ist der Sinn der Hungerspiele!" Mit malmendem Kiefer stierten sich Dem Siloh lange gegenseitig an. ,,Vielleicht ist es Zeit, dass wir uns aufteilen.", flüsterte Siloh. ,,Ja, ich denke auch.", antwortet Dem. ,,Komm May, dann gehen wir mal packen.", wies mich Siloh an und ich folgte ihr wortlos. Erst als wir alleine in unserem Lager knieten und unsere wenigen Besitztümer zusammensuchten, wagte ich wieder etwas zu sagen. ,,Dann sind es jetzt nur noch wir?" ,,Ja. Scheint so. Ich hab dich gar nicht gefragt, aber das geht klar, oder? Wir waren uns ja einig, dass wir uns mit Rika nicht verbünden und Dem ist ja sowieso..." ,,Natürlich." unterbrach ich sie. ,,Sollen die beiden sich halt gegenseitig abschlachten. Ich hab jedenfalls kein Problem damit, mein Todesdatum ein paar Tage nach hinten zu verschieben." Siloh zog die miefende Filzdecke unter unseren Schlafsäcken weg und stopfte sie gemeinsam mit Konservendosen in ihren Rucksack. ,,Wollen wir ihnen nicht auch etwas Essen da lassen?", fragte ich vorsichtig. Siloh schnaubte lachend. ,,Wir haben das doch geholt, wir nehmen das auch mit!" Wir halfen uns gegenseitig, uns unsere schweren Rucksäcke aufzusetzen und verließen dann unser Lager. In dem Verkaufsraum standen immer noch Dem, Bug und Rika und unterhielten sich. Bug sah uns mit trüben Augen an und lief schließlich auf mich zu, um mich zu umarmen. Ich schloss seinen kleinen Körper, der nur noch aus Haut und Knochen bestand, in meine Arme. ,,Pass auf dich auf.", flüsterte ich leise in seine wuscheligen Haare. ,,Wir sehen uns dann. Also falls du...", begann er und brach ab. Er ließ mich los und umarmte Siloh. Dem machte keine Anstalten, sich auch nur irgendwie zu verabschieden oder uns gar zu umarmen. Mir sollte es recht sein. Vermissen würde ich diesen Hohlkopf sicher nicht. ,,Okay, komm." Siloh löste sich von Bug und folgte mir. Dem presste nur ein einfaches ,,Tschüss" zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hervor, als wir an ihm vorbeiliefen. Wir schwiegen. 

Survival of the fittest- A Hunger Games StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt