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Monate später lebten Tommy und ich wieder in Hamburg.
Aber nicht in der Nähe von Tom und Rebecca im Norden.
Sondern in St. Pauli.
Ich wollte nicht, dass Tom uns finanzierte.
Obwohl sich Tommy gut entwickelte und er seinen Vater oft sah, war es nicht einfach für mich wieder hier zu sein.
Vor Allem nicht bei meinem neuen Job...
Da die Miete hier doppelt so hoch war als in Badegersee, musst ich zwei Jobs haben.
Tagsüber arbeitete ich in einem Café am Bahnhof.
Abends tanzte ich in einem Club auf der Reperbahn.
Ich schämte mich davor, meinen Körper wieder zu verkaufen, denn die Kunden sahen mir meist nicht nur beim Tanzen zu...

Stumm sah ich in den Spiegel vor mir.
Tom würde Tommy gleich abholen kommen, damit er ein Wochenende bei ihm verbringen konnte.
Es war besser, wenn er bei ihm aufwuchs und nicht bei mir.
Ich sah an mir herunter und betrachtete die billige Reizwäsche, die meinen Körper nur spärrlich bedeckte. Von dem Anblick alleine wurde mir schlecht.
War ich wieder so tief gesunken?
Die Antwort? Ja.
Es war immer schon so gewesen.
Ich wollt keine Hilfe von Fremden, ich wollte alles alleine schaffen.
Alleine über die Runden kommen.
Gedankenverloren betrachtete ich die blauen Flecken an meinem Hals.
Gestern war ein Kunde etwas zu dominant geworden.

Plötzlich klingelte es.
Das musste Tom sein.
Schnell zog ich mir meinen Bademantel an und holte Tommy aus seiner Box.
Der schlief und ich versuchte ihn nicht aufzuwecken.
Still lief ich zur Tür und öffnete diese.
Tom sah wie immer aus und begrüßte mich freundlich.
Wie er zu mir stand, wusste ich immer noch nicht.
Vermutlich wollte er mit mir nichts mehr zu tun haben, aber unser Sohn verhinderte den Kontaktabbruch.
Für mich war es nach all der Zeit eine eher abstrakte Vorstellung, dass er mich geliebt hatte.
Ich übergab seinen Sohn an ihn und wollte dann die Tür schließen, doch Tom hielt mich auf.
„Emilia...", murmelte er besorgt.
Kaputt wie ich war nickte ich nur halbherzig und richtete dann meinen Blick auf.
In seinen braunen Augen lag Angst, ich spürte sie sofort.
„Was, Tom?", brachte ich irgendwann heraus, da mich seine Stille nervös machte.
Tom schien nach den richtigen Worten zu suchen und sah einige Mal an mir herunter.
„Du solltest aufhören dort zu arbeiten. Es tut dir nicht gut.", sagte er nur und vermied jeglichen Augenkontakt.
Ich musste schwer schlucken.
Woher wusste er wo ich arbeitete?
Hatte er mich wieder ausspionieren lassen?
„Es ist meine Sache, misch dich nicht ein.", zischte ich.
Doch Tom gefiel die Antwort nicht.
„Ich möchte nicht, dass Tommy so aufwächst und ich weiss du willst das auch nicht.", sagte er nun.
Es stimmte.
Alles was er sagte stimmte.
Aber dass würde ich nie zugeben.
„So ist nun Mal das wahre Leben. Er soll früh genug wissen, das das Leben hart ist, wenn man nicht reich ist.", meinte ich trotzig.
„Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du so nicht denkst, Emilia.", entgegnete Tom nun.
„Du kennst mich nicht Tom. Menschen ändern sich. Du kanntest nur eine gekaufte Version von mir.", sagte ich kalt.
Es tat mir selbst weh, dass zu sagen.
Ich sah in Toms Gesicht, dass es ihn auch traf.
„Wenn dass so ist...", fing er an: „Dann muss ich mir wohl doch einen Anwalt holen. Ich möchte nicht, dass Tommy bei jemandem wie dir aufwächst."
Entrüstet verließ er den Flur mit meinem Sohn.

Erschüttet über den Schaden, den ich nun wieder angerichtet hatte blieb ich stehen.
Wieso war ich so?

EscortWo Geschichten leben. Entdecke jetzt