Kapitel 9: Der Palast von Loyola
Ich schlug die Augen auf und sah mich um. Wo ich war? In einem Raum, über zwei Etagen verteilt. Das große Himmelbett, in dem ich lag, war von goldenen Seidenvorhängen umgeben und stand auf einer Art Anhöhe, direkt gegenüber führte eine weit ausschwingende Treppe in die untere Hälfte des Zimmers. Ein dunkelvioletter Teppich spannte sich über die Stufen, die anscheinend aus Marmor bestanden. Die Decke war weiß und mit goldenen Ornamenten in den Ecken verziert. Vorsichtig stand ich auf. Rechts war ein großer Spiegel. Verschlafen rieb ich mir die Augen, musterte mich und wandte mich dann ab. Ich hatte auf der anderen Seite ein großes Becken entdeckt, gefüllt mit klarem Wasser. Nachdem ich mein Gesicht gewaschen hatte und wieder einigermaßen frisch aussah, klopfte es. Misstrauisch rief ich "Herein!" und ging dann nach unten, nur um einen finster dreinblickenden Jordayn aufzutreffen. "Och nee! Ernsthaft, was machst du hier? Und wo bin ich überhaupt?", fragte ich und stemmte meine Arme in die Hüften. Er überlegte kurz und antwortete dann: "Vater sagt ich soll nett sein und -" "Gut. Dann hau ab oder, warte! Bring mich wieder zurück, ich habe nämlich immer noch keinen blassen Schimmer, wo wir hier sind!" "Okay, ein Deal. Ich zeige dir erst einmal das Schloss, du redest mit Vater und erfüllst seine Bedingungen und dann bringe ich dich sicher wieder nach Hause. Allerdings könnte sich das als schwierig herausstellen, weil, naja, du dabei bist. Das letzte mal bist du nämlich, ehm, geflogen." Lachend drehte ich mich weg. "Von mir aus. Aber dann darf ich endlich gehen! Jetzt geh raus, ich muss mich umziehen." Er wollte noch etwas sagen, aber ich schob ihn einfach aus der Tür heraus.
Jetzt stand ich vor einem Problem. Ich wusste nicht, was ich anziehen sollte und noch immer trug ich meinen Schlafanzug, sprich weißes Top und karierte Shorts. Peinlich berührt steckte ich meinen Kopf aus der Tür, wo Jordayn mich schon grinsend erwartete. "Neben dem Spiegel ist ein Knopf, dann öffnet sich eine Tür." Ich bedankte mich nicht und nickte nur.
Ich drückte auf den Knopf und direkt neben dem Wasserbecken, ich konnte es im Spiegel sehen, schwang eine Tür auf, die sich vorher pefekt in die Wand eingefügt hatte. Gespannt auf das, was mich erwartete, lugte ich hinein. Und mein Kinn klappte runter. Bemüht darum, meinen Mund irgendwie wieder zu schließen, ging ich langsam rein. Wow! Diese Kleider waren einfach der Hammer! Das Kleid, was von meiner Stimmung und meinem Befinden am meisten zu mir passte, war ein dunkelrotes, weit auslaufendes Kleid mit Reifrock. Die Ärmel waren lang und am Saum mit kunstvollem Goldgarn bestickt. Trotzdem entschied ich mich für ein einfaches, dunkelblaues Kleid. Es war schlicht und hatte keine Verzierungen. Ich verließ das Zimmer und schluckte. Der Gang, oder sollte ich lieber Korridor sagen?, war hoch gebaut und alle zehn Meter war an der Decke ein riesiger Kronleuchter angebaut. Lange Stoffbahnen aus rotem Samt spannten sich durch die gesamte Länge des Korridors und waren alle zehn Meter, neben den Kronleuchtern, befestigt. "Na? Überwältigt? Sprachlos? Baff? Wow, nicht wahr? Und hier lebe ich." Ich deutete ihm mit einer Handbewegung still zu sein und ging zu einem großen Fenster, das auf den Park hinausging. Eine junge Frau ritt auf einem schwarzen Pferd einen Weg entlang und verschwand dann im Wald. "Das war Elyla, unsere Reitlehrerin. Jedes Mitglied der königlichen Familie muss reiten lernen." Er zog mich direkt weiter. Innerlich rollte ich mit den Augen, doch ich nickte. Lange ging es so weiter; ich war genervt, brachte aber an passenden Stellen ein "Ah!", "Oh!" oder "Wow!" zustande. Er schleppte mich weiter und erklärte alles, was ich mir auch nur eine Sekunde länger anschaute, sprich alles. Plötzlich, nachdem wir drei Treppen hinter uns gelassen hatten, hielt er an und sagte: "So, das war der rechte Teil des Palastes. Möchtest du zuerst in die Menagerie und den Park oder weiter in die Haupthalle, den Großen Saal und den Ballsaal?" Ich zögerte. Eigentlich will ich nirgendwo hin! Nur nach hause! "Den Park?" Sofort zog er mich weiter. Er zeigte mir die Hunde, Katzen und Hühner. Danach folgten Pferde, Kühe, Schweine, Schafe und Ziegen. Überall sprangen kleine Zicklein herum, die ich sofort ins Herz schloss. Schade, dass ich bald schon wieder weg sein würde! Wie sehr ich mich in diesem Punkt irrte, wusste ich nicht.
"Und jetzt zeige ich dir unser Prachtstück. Sie heißt Ayana und ist sehr liebenswürdig und gehorsam. Du solltest sie nur nicht beleidigen." Fragend blickte er mich an.
"Mach ich nicht!" Schon packte er mein Handgelenk und schleifte mich hinter ihm her. An einem einsam stehenden Stall angekommen, öffnete er die obere Klappe der Tür und fast augenblicklich lugte ein Kopf neugierig hervor. Der wunderschöne, schneeweiße Pferdekopf zeigte keinerlei Makel. Aber das Sonderbarste an 'Ayana' war das goldglänzende und leuchtende Horn, mitten auf der Stirn. "Oh mein Gott! Ist das - Ist das ein, eh, Einhorn?!" Unglaublich! Ich hätte nie gedacht, dass es sowas wirklich gibt!, dachte ich während er schon wieder sprach: "Ja, eines Tages stand sie im Park und ließ sich von nichts und niemandem dazu bewegen, aus dem Weg zu gehen. Sie stand mitten auf dem Reitplatz. Sie lässt niemanden auf ihren Rücken, also ist noch nie jemand auf ihr geritten. Es besitzt sie auch niemand, sie gehört sich selbst." Nach einer kurzen Pause fragte ich: "Darf ich sie streicheln?"
"Wenn sie es zulässt, gerne." Schon streckte ich langsam meine Hand aus, darauf bedacht, mich nicht zu hektisch zu bewegen. Ayana schnaubte und stupste meine Hand an. Ich lachte und streichelte ihr über die Nüstern. "Sie mag dich. Es hat noch nie jemand sie gestreichelt. Alle wurden vorher kräftig in die Hand gebissen." Langsam drehte ich mich um. Er lächelte unschuldig und ich zischte: "Gebissen? Und wieso hast du mir das nicht gesagt? Was wäre, wenn sie mich gebissen hätte?" Er grinste. "Ich würde sagen, du hättest eine Hand weniger." Eigentlich war ich nie besonders aggressiv gewesen. Ich sprang auf ihn zu und er stürzte zu Boden. Rasend vor Wut, ja, das war die richtige Formulierung.
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Perfect Two
FantasyAlexis ist zufrieden mit sich und der Welt. Alles läuft so, wie sie möchte und ihr macht das Leben Spaß. Doch durch einen Autounfall verliert sie die Fähigkeit zu sprechen. Nachts und später auch tagsüber sieht sie seltsame Wesen. Nur sie kann sie s...