Kapitel 3: Wer bin ich?
Am nächsten Tag lief ich mit Leichenbittermiene herum, die ganze Zeit. Letzte Nacht hatte ich einen furchtbaren Alptraum gehabt. Früher, bis zur Nacht meines dreizehnten Geburtstages, war jeder Traum ein Alptraum gewesen. Plötzlich hatte es dann aufgehört. Auch dieser Tag verging wie im Flug, was wohl daran lag, dass ich nicht wirklich an dem Geschehen teilnahm und die ganze Zeit vor mich hingrübelte. Ebenso verlief die nächste Woche. Und die danach. Die danach folgende auch. Bis mein Dad wieder arbeiten ging. Dann hörte es wieder auf. Urplötzlich.
Am ersten Morgen, an dem ich die Nacht durchgeschlafen hatte, ohne von den Alpträumen geweckt zu werden, fühlte ich eine neue Kraft, die mir half, mich wieder auf mein Leben zu konzentrieren. Der Weg zur Schule war immer noch ein wenig einsam, ich hatte mit Matt Schluss gemacht. Ich ließ mich nicht von Typen wie ihm betrügen. In den Moment achtete ich nicht auf die Straße und wurde plötzlich in den Sitz zurückgeschleudert. Der Airbag schoss hervor und schnürte mir die Luft ab. Noch ein großer Rums, dann Hitze. Unglaubliche Hitze. Ich verlor das Bewusstsein.
"Alexis?", hörte ich undeutlich. Wer war Alexis? "Geht's dir gut?" Naja, was interessierte mich das, ihr ging es bestimmt gut. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, schaffte es aber nicht. Meine Augenlider waren schwer. Ein komischer Geruch hing in meiner Nase. Es roch nach... etwas Verbranntem. Ich schüttelte leicht den Kopf, um den Geruch loszuwerden. Leider half es nicht. Dann wieder diese Stimme: "Lexi? Lex! Bist du wach? Kannst du mich sehen?" Irgendetwas drückte meine Hand und ich erwiderte den Druck. Dann, endlich, konnte ich die Augen aufschlagen. "Oh Gott, du hast uns vielleicht einen Schrecken eingejagt! Ist alles in Ordnung?" Diesmal sprach ein Mann. Er hatte eine sehr tiefe Stimme, was ich, zugegebenermaßen, sehr sexy fand. Warum standen diese Leute um mein Bett herum? Ein Mann, der einen Arm um eine Frau geschlungen hatte. Die Frau trug ein Kleinkind auf dem Arm und ihre linke Hand hielt meine. Ich entriss sie ihr. Was wollt ihr von mir?, wollte ich sagen. Kein Ton kam aus meinem Mund. Verdammt! Warum, zum Teufel, konnte ich nicht reden?! "Schatz? Lex, ist etwas?" Nein! Wieder dieser sexy Bass. Der Mann sprach mit mir. Wer war er? Ich konnte nicht antworten, nichts erwidern. Wo war ich eigentlich? Und was machten die Leute hier? Überfordert von dem vielen Fragen schloss ich die Augen und massierte meine Schläfen. Kopfschmerzen. Kühle schmale Hände schoben meine sanft weg und traten an ihre Stelle. Das tat gut. Dann war ich wieder weg, schon wieder ohnmächtig.
Als ich ein weiteres Mal aufwachte, hörte ich wieder die Frauenstimme. "Sie wissen also nicht, was los ist? Sie hat kein Wort gesprochen und es wirkte so... als würde sie uns überhaupt nicht kennen! Was ist passiert, Doc?" Anscheinend kannte die Frau den Doktor. Dieser antwortete ihr rasch. "Nun, Janine. Genau wissen wir noch nichts. Das Mädchen, ihre Tochter, hat einen heftigen Schlag erlitten, als der Lastwagen in das Auto gerauscht ist. Und das Feuer hat das natürlich nicht wirklich verbessert. Ich denke, sie sollte auf jeden Fall noch auf der Intensivstation bleiben, bis wir Ergebnisse haben. Einen schönen -" Der Mann unterbrach den Arzt: "Sie ist wach!" Sofort nahm der Arzt ein "Etwas" aus seiner Hemdtasche und kam auf mich zu. Unbehaglich rutschte ich von ihm weg. Er sagte ruhig: "Keine Angst, Miss. Ich tue Ihnen nichts. Schauen Sie bitte auf meinen Finger." Ich folgte seinen Worten und er leuchtete mit dem eben genannten Etwas, was wohl eine Lampe war, in meine Augen. "Keine Gehirnerschütterung. Danke, Miss." Er drehte sich weg, gab dem Mann und der Frau die Hand und verließ dann den Raum. Verdammt noch mal, was war hier los? Ich war im Krankenhaus. Warum? Keine Ahnung. Aber wenigstens wusste ich, wo ich war.
Die Frau kam wieder zu mir. "Lex, Schatz. Kannst du reden?" Ich hieß also Lex oder so. Irgendwie ein bescheuerter Name. Lex. Oder war es nur ein Spitzname? Nein, kann ich nicht! Haben Sie das noch nicht bemerkt? Was wollen Sie eigentlich von mir? Ich wüsste zu gerne, wer diese Menschen waren. "Alexis Carver, weißt du wer ich bin?", fragte jetzt der Mann und trat an die Seite der Frau. Seiner Frau? Aber egal, ich hieß Alexis Carver. Besser als Lex. Ich schüttelte den Kopf und achtete genau auf seine Reaktion. Waren die etwa meine Eltern? Wenn ja, hatte ich nichts dagegen, sie schienen echt nett zu sein. "Ich bin es. John, dein Dad." Er schluckte. "Das ist Katie, deine kleine Schwester und das -" Die Frau nahm ihn in den Arm und redete weiter: "deine Mutter. Maus, das wird schon wieder." Ich lächelte ihnen zu und überlegte dann, versuchte irgendwelche Erinnerungen mit ihnen zu verbinden. Fehlanzeige. Aber das Mädchen... Sie kam mir bekannt vor. So, als hätte sie meine Gedanken gelesen, streckte sie die kurzen Ärmchen aus und sah fragend die Frau, meine Mutter, an. Diese wiederum blickte nun mich fragend an. Ich nickte stark und schon schossen die Kopfschmerzen in meine Schläfen. Ungeachtet dessen nahm ich die Kleine in den Arm. Sie murmelte "Ally", umarmte mich fest und schlief dann ein. Die Erschöpfung stand ihr auf das Gesicht geschrieben.
Bald, meiner Meinung nach zu bald, denn ich hatte das Mädchen schon ins Herz geschlossen, war die Besuchszeit zuende und ich war alleine. Ich las noch ein bisschen in dem Buch, das meine Eltern, wenn es stimmte, was sie sagten, mir mitgebracht hatten. Sie hatten es mir mit den Worten "Das ist dein Lieblingsbuch. Wir dachten du liest es bestimmt gerne." gegeben. Es war wirklich spannend und bald wurde ich müde. Das war das erste Mal, dass ich den Tag nicht mit einer Ohnmacht beendete. Fortschritt? Hoffentlich.
Ich träumte von Ärzten, dem kleinen Mädchen Katie und merkwürdigen Wesen, die Flügel hatten und um ein Feuer tanzten.
Alle schienen fröhlich zu sein. Nur ich war es nicht. Aber ich wusste nicht, wieso. Es ging mir nicht gut. Ich hatte das Gefühl, mir fehlte etwas. Als wäre ich nur halb. In dem Traum entfernte ich mich von den Feierlichkeiten und ging alleine zu einer Klippe, die in das Licht der untergehenden Sonne getaucht war. Lange stand ich dort und nur der Wind zeigte Regung. Plötzlich knackte es hinter mir und ich drehte mich abrupt um, wobei ich das Gleichgewicht verlor. Das letzte, was ich merkte, war, wie ich von der Klippe in die Tiefe stürzte.
Keuchend und schweißüberströmt wachte ich auf. Ich setzt mich hin und schaltete die Nachttischlampe an. In der Ecke des Raums bewegte sich etwas auf mich zu und ich schrie lautlos. Dann drückte ich auf den Knopf, der eine Schwester herbeirief.
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Perfect Two
FantasyAlexis ist zufrieden mit sich und der Welt. Alles läuft so, wie sie möchte und ihr macht das Leben Spaß. Doch durch einen Autounfall verliert sie die Fähigkeit zu sprechen. Nachts und später auch tagsüber sieht sie seltsame Wesen. Nur sie kann sie s...