Kapitel 13

267 11 0
                                    

Kapitel 13: Ayana

Ich konnte mich nicht dazu aufraffen, mich zu bewegen. Schwach lag ich im Bett, hatte nicht einmal die Kraft, zu weinen. Aber für mein Alter war das wahrscheinlich auch besser. Mehrmals klopfte es an der Tür und kein einziges Mal antwortete ich. Mein Schädel brummte und die Sonne schien unbarmherzig direkt auf das Bett. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, ging zu Waschschüssel und spritzte mir das kalte, erfrischende Wasser ins Gesicht. Mit laut knurrendem Magen öffnete ich den Kleiderschrank, um mir ein Kleid herauszusuchen. Wie ich Hosen gerade vermisste! In der hintersten Ecke des Raumes fand ich ein schwarzes Kleid, am Saum mit weißer Spitze bespannt und der V-Ausschnitt wurde von glänzenden weißen Süßwasserperlen und kleinen gestickten Blumenapplikationen geziert. Ich zog es mir über den Kopf, legte das alte, inzwischen total zerknitterte Kleid auf einen Stuhl und betrachtete mich dann im Spiegel. Wären meine Haut blasser und meine Haare schwarz gewesen, hätte ich bestimmt auf andere wie ein Grufti gewirkt. Da es im Moment perfekt zu meiner Stimmung passte, ließ ich es an. Schweren Schrittes machte ich mich auf die Suche nach Jordayn, denn ohne ihn würde ich mich garantiert im Palast verlaufen und mich nicht zurechtfinden. Aus genau diesem Grund landete ich etwa anderthalb Stunden später vor den Pferdeställen. Als Kind hatte ich im Sommer meine Ferien immer auf einem Bauernhof verbracht, wo es viele Pferde gegeben hatte. Deswegen begann ich nicht mich zu beschweren, sondern freute mich, denn es kam mir im Moment sogar sehr gelegen. Ich öffnete vorsichtig das große Tor und schloss es hinter mir, so leise wie möglich. 

"Was machst du hier?", wurde ich unfreundlich begrüßt. Jordayn. 

"Hey, ich hab dich gesucht! Und mich dabei leider verlaufen.", fügte ich kleinlaut hinzu. 

"Ich habe ganze sechs Mal bei dir angeklopft und du hast kein einziges Mal geantwortet! Und jetzt kommst du an und..." Er ließ den Satz offen in der Luft hängen und drehte sich weg. War er etwa eingeschnappt? Naja, ich kannte ihn ja gar nicht. Vielleicht war er schon vom Charakter her so. 

"Tut mir ja leid! Aber ich hatte einfach keine Lust auf-" 

"Mich?" Oh, man! Verächtlich schüttelte ich den Kopf und fragte - jetzt ruhiger -: "Darf ich reiten?" 

"Na gut." Er zögerte. "Möchtest du versuchen, auf Ayana zu reiten?" Äh, welches Pferd war das nochmal? Nickend drehte ich mich um, suchte nach der Box mit dem Schild 'Ayana'. Fündig wurde ich nicht. "Sie ist in einem separaten Stall, das weißt du doch!" Bevor ich mich wieder zu ihm umdrehen konnte, wurden meine Haare von einem feuchtwarmen Windstoß nach vorne gepustet, begleitet von einem lauten Schnauben. Ich drehte mich zu ihr. Achja. Sie war ein Einhorn. Oder auch nicht? Ich war mich nicht sicher. 

"Das ging aber schne-", setzte ich an, wurde aber von einem fordernden Wiehern unterbrochen. 

"Ich habe sie nicht geholt, sie ist wohl selber gekommen." Jordayn entfernte sich und ging außer Sichtweite. 

Ich strich Ayana sanft über die weiche Stirn. Sie regte sich kaum. Meine Hand näherte sich ihrem Horn, was das sollte, wusste ich selber nicht. Mit einem leichten Zittern umfasste ich es. Es war ganz warm, fast heiß, und pulsierte stark. Als ich zog, rührte es sich kein Stück. Hieß das, dass es echt war? Inzwischen war es mir eigentlich relativ egal. Jordayn kam, beladen mit Sattel und Zaumzeug, zurück und ich wollte ihm diese abnehmen, aber er schüttelte nur stumm den Kopf. Ganz gentlemen-like ging er auf das stattliche Einhorn zu, doch ich konnte die Angst in seinen Augen sehen. Ich lief zu Ayan und strich ihr wieder über die Stirn. Dann sagte ich leise: "Ganz ruhig bleiben. Das ist nur Jordayn, der tut dir nichts! Er will dich nur satteln, damit ich auf dir reiten kann." Sie legte zwar die Ohren an, aber ansonsten blieb sie still stehen. 

"So!" Jordayn kam auf mich zu und gab mir die Trense. "Das machst du selber, du kannst ja reiten." Ich nahm sie ihm ab und fragte: "Woher weißt du das?" 

"Alles, was du jemals gemacht oder dir passiert ist, ist dokumentiert. Hab ich das noch nicht gesagt?" 

Den Kopf schüttelnd legte ich die Trense an und wollte mich auf den Sattel schwingen. Dann merkte ich, dass ich immer noch das Kleid trug. Jordayn ging wieder kurz weg, kam aber kurz darauf mit Reitstiefeln, Hose und Jackett wieder. 

"Danke." Ich zog mit in einer Nische um und stieg dann auf. "Kommst du mit?", fragte ich. 

"Wenn du willst?" Es klang mehr wie eine Frage, als eine Antwort. Ich nickte und nach einer kurzen Wartezeit kam er auf einem Rappen wieder. Zusammen ritten wir den Weg entlang, er vor mir. Wie sollte ich auch sonst den Weg finden? 

"Darf ich dich ein paar Sachen fragen?" 

"Klar!", antwortete er. 

Dankbar begann ich: "Du meintest wir sind hierher geflogen?" 

"Auf einem Drachen." Ach, klar, was hatte ich auch anderes erwartet. 

Ich fuhr fort: "Warum sind wir, also mein Bruder und ich, die Ersten unserer Art. Damals die beiden, hatten die keine Kinder?" 

"Nein, sie war unfruchtbar." Oh, die Arme. 

"Sag mir bitte jetzt die Wahrheit! Ist das wirklich alles echt, oder verarscht ihr mich? Entschuldige den Ausdruck." Immer schön höflich bleiben. 

Nach kurzem Zögern antwortete er schließlich: "Du glaubst es immer noch nicht, oder? Aber ich kann dich verstehen, mir würde es an deiner Stelle bestimmt auch so gehen. Bevor du das Alles nicht glaubst, muss ich dir noch etwas sagen. An dem Tag, an dem du den Autounfall hattest, ist Ayana hier aufgetaucht. Seitdem ist sie nicht wieder verschwunden. Und wir, Vater und ich, vermuten stark, auch weil sie dir traut und sonst niemandem, dass sie dein persönlicher Schutzengel ist, wie meiner ein Adler."

Perfect TwoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt