3. Kapitel

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Leonard

»Der Zustand ist kritisch, handeln Sie schnell, aber dennoch präzise und überstürzen sie nichts. Ansonsten viel Erfolg!«
Alle, das ganze Team, blickte sich in die Augen mit dem Gewissen, dass es sogleich um Leben und Tod gehen würde.
»Ich eröffne, Skalpell!«, durchschnitt daraufhin die Stimme des Oberarztes die aufgeladene Stille, während er die Hand nach dem Messer ausstreckte.
»Den Jungen hat's ordentlich erwischt.«, murmelte ich, einer der Assistenzärzte, wobei ich dem Leitenden über die Schulter schaute.
»Der Grund warum ich nicht auf Partys gehe.«, erwiderte die andere, gerade im 5 Jahr, mit einem unüberhörbar, sarkastischen Unterton.
»Konzentration bitte und Gespräche auf nachher verschieben!«, wies unser Ausbilder sie mit scharfer Stimme an, ehe er weiter schnitt.
»Wird er es schaffen?«
»Kann...«, fing er an, doch stockte dann, »...Kann ich noch nicht sagen.«

Stunden später wuschen sich die Chirurgen, jeder in seinen Gedanken noch bei der eben geschehenen OP, Hände und Arme, bis eine Krankenschwester den Raum betrat.
»Dr. Wolf, ich soll Ihnen Bescheid geben, dass der Patient durchgehend noch labil ist und keinen sicheren Zustand entwickelt, Besserungen nicht in Aussicht stehen, wahrscheinlich.«
Der Arzt, welcher soeben noch am Tisch Stunde für Stunde sein allerbestes Können gegeben hatte, seufzte auf, schien frustriert und wütend auf sich selber.
»Wir haben, vor allem du, getan was wir konnten, Pat.«, sagte die Auszubildende Ärztin, während sie ihm die Hand auf die Schulter legte.
Er nickte nur, doch ging dann mit schnellen Schritten hinaus aus dem Waschraum.
»Es erinnert ihn zu sehr an früher nicht wahr, Liora?«
»Und wenn schon im Prinzip ist es seine Vergangenheit mit der er klarzukommen hat und nicht meine, Leonard!«, fuhr sie mich mit eiskalter Stimme an, bevor sie nun auch aus dem Raum stapfte, denn hatte ihr Feierabend schon vor knappe drei Stunden begonnen und hatte wohl keine Lust auf eine scheinbar sinnlose Diskussion mit mir.
»Dein Ernst?«, rief ich ihr hinterher doch war meine Kollegin schon außer Hörweite.

Nachdem ich mir ebenfalls die Arme abgetrocknet hatte, machte ich mich auch auf den Weg in den Bereitschaftsraum, um mich in Zivil zu kleiden. Als ich den Gang der ITS entlanglief, verharrte ich plötzlich vor dem Fenster eines Patientenzimmers.
Der junge Abiturient, der bis fast eben noch vor ihm auf dem OP-Tisch lag, lag dort auf diesem Bett umgeben von Kabeln, Schläuchen.
Ich ging hinein, die Vorfreude auf den bevorstehenden Feierabend weit in den Hinterkopf gerückt.
Nahm den Stuhl und schaute mir eine Weile dieses Bild an, was sich mir bot. Anfangs nur eine Party und dann das, etwas was niemand hätte vorhersehen können. Der Mann war jung, 21, und würde in dem Moment wahrscheinlich über einer Toilette hängen und sich den Alkohol aus dem Leibe kotzen, während irgendwelche anderen Kumpels um ihn herumstehen würden.
Aber in der Realität war er hier, labil und schlichtweg am Rande seines kurzen Lebens.

Ende von Kapitel 3.

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