Was bin ich ohne dich?

15. Kapitel

Vincent

»Was machst du da?«
Sie starrte mich aus dem Wohnzimmer an, hatte den Kopf schief gelegt und gähnte herzhaft.
Ich blickte vor mich, doch da war kein Dag und auch sonst niemand.
Stand ganz allein auf dem Balkon.
Jetzt sieht der auch schon Dinge, die nicht da sind.
So'n verschissener Loser.
Hat sich nich mal selbst im Griff.
Würden wir dann mit ihm sprechen können?
Presste die Lippen aufeinander, wollte nichts von all den Stimmen mehr hören.
»Hey, is alles in Ordnung, Vincent?«
Keine Ahnung, ob der Satz Realität war, ob die Hand auf meiner Schulter Realität war, wusste gar nichts mehr.
»Hörst du mich?«
Antwortete nicht, wand mich, wieder hatte der Körper mehr mich unter Kontrolle als ich den Körper.
»Brauchst du Hilfe?«
Schlug die Hand weg, wenn sie denn überhaupt existierte, konnte das Gefühl einer Berührung nicht ertragen.
Und dann übernahmen meine Stimmen auch schon meinen Mund, fingen wieder an dieses sinnlose Zeug ohne Kontext von sich zugeben und selbst, wenn ich etwas dagegen tun wollte, blieb mir die Chance verweigert.
Ich brauchte ihn, denn wusste er wie man damit umzugehen hatte.
Ausschließlich er.
Jeder andere wäre ein Mensch zu viel.

Es war heiß und stickig, die Luft zu verbraucht.
»Wieder wach?«
Eine Frauenstimme?
Vielleicht.
Blinzelte.
»Hier.«, drückte mir ein Glas in die Hand.
Ich trank nicht davon, war zu misstrauisch als das ich vertrauen konnte.
Ein Lachen ertönte und ich fühlte mich nur noch mehr ertappt.
»Ich hab's geahnt. Vincent, ich habe das Wasser wirklich nicht vergiftet. Trink einfach.«
»Woher, weißt du-«
»Ich erklär's dir, wenn du getrunken hast, einverstanden?«, wieder dieses Lächeln, für mich mehr das Lächeln des Teufels.
Und doch setzte ich dann das Glas an, Schluck für Schluck, bis es geleert war.
Sah auch wo ich eigentlich war.
Es war unser Wohnzimmer und ich auf der Couch mit einer Decke.
Daher die Hitze.
»Also?«, klang vorwurfsvoll, obwohl ich es nicht sein wollte, konnte nichts gegen tun.
Sie sah mich an und immer noch konnte ich mich nicht an ihren Namen erinnern, aber wusste ich woher ich sie kannte.
Sie hatte Humor und schöne kurze Haare, nur noch ein paar Millimeter zeigten sich auf ihrem Kopf.
Ich glaube sie war Afrikanerin, wenn ich falsch lag, dann tat es mir leid.
Aber sie war wirklich schön.
Jetzt verknallt sich der Spinner auch noch.
Dabei hat er doch eh keinerlei Chance bei so nem Girl.
Kniff die Augen zusammen, fasste mir an den Kopf als könnte ich so die bösen Geister vertreiben.
»Was hörst du?«, flüsterte sie, schaute mich mit diesen tiefblauen Augen an.
»Ich weiß nicht mal, ob das was du sagst...das was du... was du du...«, biss mir auf die Zunge, wollte normal vor ihr sprechen können.
»Das mit dem Sprechen ist kein Problem, Vincent.«
Ihre Hand lag auf meiner Schulter, wenn es denn wirklich so war.
»Ich weiß nicht was real ist.«
Sie nickte als wüsste sie was ich meinte.
»Sag einfach was sie grob sagen.«
»Sie... Sie machen mich runter, mein Verhalten, kommentieren förmlich jeden Scheiß.«
Ich schaute nicht in ihre Augen.
»Bei meiner Mama war das genau so.«
Sie machte eine Pause.
»Wie lange schon, Vincent?«

Der Wasserstrahl prasselte auf mich herab, spülte all den Dreck der vergangenen Tage von meinem Körper, reinigte ihn, auch wenn man nicht alles Schlechte durch bloßes Wasser abwaschen kann.
Ich hatte nichts gesagt, denn hatte ich eigentlich schon genug gesagt, hatten Dag und ich geschworen niemandem etwas zu erzählen, ganz egal wie nah wir demjenigen auch stehen mögen.
Und nun kannte ein Mensch, den ich nur nackt gut kannte, einen kleinen Teil unseres dunkelsten Geheimnisses.
Eigentlich müsste ich wieder in der Klinik an seiner Seite sein und bin bloß nicht dort. aus reiner Angst vor dem was ich getan hatte.
So ein Scheiß in so kurzer Zeit.

Ende von Kapitel 15.
Quelle des Bildes.: Pinterest