32. Kapitel

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Tobias

André war abgehauen zu irgendeinem Kumpel.
Wie immer.
Immer wenn ihm irgendwas nicht passte, haute er ab, ließ es ungeklärt in der Luft wie eine Wolke, die sich mit Streitereien und Problemen vollzog, bis sie über uns zusammenbrach.
Ich lehnte mich an das Geländer, zog an der Kippe, hatte mir zwar vorgenommen mit dem Scheiß aufzuhören, aber konnte ich jetzt einfach nicht anders.
Ich wehrte mich einfach nicht mehr dagegen, wollte auch endlich mal nachgeben, nicht immer kämpfen müssen, auch endlich mal scheiße schwach sein dürfen ohne mich dafür schämen zu müssen, ohne darüber nachzudenken was andere von mir denken, wenn sie mich so sehen würden.
Die Tränen liefen und ich ließ es einfach geschehen, wieder.
»Ich hab keinen scheiß Bock mehr auf dieses drecks Leben, ich will einfach nur noch aufgeben, Marcus.«, schluchzte den Namen meines Bruders aus voller Kehle und wollte mich nicht auch noch an all das Vergangene erinnern, würde es das nur noch schlimmer machen.
Merkte gar nicht wie jemand die Tür zum Balkon aufmachte und hinaus in die Kälte trat.
Er sagte nichts, stand einfach nur neben mir am Geländer.
»Ich hasse dieses Leben so sehr, ich kann einfach nicht mehr, ich will einfach nur meinen verfickten Bruder zurückbekommen.«, haute auf das Geländer ein, drehte mich um und drosch auf die Wand weiter ein, konnte mit Gefühlen noch nie umgehen, hatte mir meine Familie mir nur beigebracht mich selbst zu hassen.
»Verfickte Scheiße man...«, schluchzte ich, rutschte an der Wand hinab auf die Knie, ehe ich plötzlich zwei Arme, um meinen Körper spürte.
»Ich auch. Das Leben ist scheiße asozial und wenn man nie seine Probleme anderen Menschen verdeutlichen kann, dann ist es nur noch schlimmer. Ich weiß wovon du redest. Auch wenn ich immer der war der alles augenscheinlich hatte, was man gebraucht hat, bin ich nicht ohne Grund zur Polizei gegangen. Ich wollte etwas verändern, kann diese scheiß rechtsextremsten, Rassisten und wie sie alle heißen, die es auch noch wagen sich Kollegen zu nennen, nicht ertragen, weder bei der Polizei noch irgendwo anders.«, er stockte, wusste nicht wie weit er gehen sollte.
»Meine Freunde und ich wurden so oft verprügelt. So oft ohne, dass wir uns wehren konnten. Und dann, dann hatten sie auf einmal eine Waffe. Keine Ahnung was passiert ist, wie die Sekunden geschehen sind, aber auf einmal war da nur noch der Knall und mein Freund, der auf einmal eine tiefe Wunde hatte. Ich habe nichts getan. An dem Tag habe ich nicht geschrien, nicht den Krankenwagen gerufen, oder seine Hand gehalten in den letzten Minuten die er hatte. All das haben irgendwelche Menschen getan, Menschen, die nicht wussten was er erlebt hatte, was für ein Gericht er am liebsten an einem Sonntag aß. Sie kannten ihn nicht und trotzdem waren sie es die geschrien, den Krankenwagen gerufen und seine Hand gehalten haben und nicht ich. Glaub mir, oft will ich auch nicht mehr, sogar sehr oft. Du bist damit nicht alleine, aber wenn du mit so einem Typen bist, dann wirst du nie die Möglichkeit haben du selbst zu sein und das weißt du auch. Also spring über deinen Schatten und regel das, sonst kommen wir nie mit dem Fall voran.«

Ende von Kapitel 32.

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