22. Kapitel

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Aluna

Hatte er das soeben wirklich gesagt?
Hatte er wirklich die Absicht gehegt seinen angeblich besten Freund umzubringen?
Ich schaute ihn an, in die Augen, in welchen so viel Angst und Freude zu gleich loderte, dass es so eindeutig nicht er selber war, der gerade diesen Satz in Worte geformt, ihn ausgesprochen hatte.
»Vincent, sag die Wahrheit.«, flüsterte ich, so sanft und ruhig wie ich es immer mit meiner Mutter getan hatte.
Doch er antwortete nicht, zuckte und wand sich stattdessen.
»Hat er eine Krankheit?«, kam es dann auf einmal von dem Arzt, den ich schon vollkommen vergessen hatte.
»Ich bin vollkommen gesund.«, sagte er, begleitet von einem Kichern.
»Ich weiß es nicht, kenne ihn auch fast nur vom Sehen, aber...«
»Was aber?«
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen kann.«
Er raufte sich die Haare, die sich aus dem Zopf nun vollends gelöst hatten und auf seine Schultern fielen.
»Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, handelt es sich wahrscheinlich um versuchten Mord und entweder sie reden jetzt mit mir, oder der Polizei.«
Er würde die Polizei nicht rufen, dass konnte man einfach sehen.
Aus verzweifelten Augen sah ich ihn an, Vincent bekam zu unserem Glück anscheinend nichts davon mit, wahrscheinlich zu sehr in seiner Gedankenwelt gefangen.
»Er hat was von Stimmen im Kopf erzählt und ich denke gesehen, bemerkt zu haben, dass er vielleicht Dinge sieht, die gar nicht existieren.«, bringe ich es schließlich raus, habe Angst wie Vincent es auffassen würd, doch zeigte er keinerlei Interesse an unserer Unterhaltung.
»Wirklich?«
»Glauben Sie, ich lüge Sie mit so etwas derartig dreist an, wenn es sich um versuchen Mord handelt? Wenn ja, dann muss ich Sie leider enttäuschen!«, blaffte ich ihn an, woraufhin er nur abwehrend die Hände hob.
»Schon gut, nur würde das einiges erklären.«

In diesem Moment sollte ich eigentlich im Bereitschaftsraum mit Vincent und Doktor Kröger sein und nicht hier am Patientenbett meiner Oma sitzen.
»Granny, was ist nur passiert, dass du schon wieder hier liegst?«, seufzte ich müde und vergrub das Gesicht in den Händen.
Nicht mal ein paar Stunden, einen fucking Tag konnte ich sie alleine lassen, auch wenn Bruno, einer meiner Mitbewohner, mir versichert hatte, dass er auf sie aufpassen würde.
»Ich bin den Hocker herunter gefallen, als ich mir aus dem oberen Kommodenfach eine Tasse nehmen wollte.«, sie winkte ab, würdigte den Gips nicht auch nur mit einem Blick.
»Und warum hast du Bruno nicht gefragt, oder gewartet, bis ich wieder da bin? Oder einfach eine ganz normale Tasse genommen?«
»Nur weil ich ein stückweit unnütz im Alltag erscheinen mag, bedeutet das nicht, dass ich vollkommen mich dem hier hingeben werde, Ally, merk dir das. Wir Frauen geben uns nicht einfach geschlagen, außerdem war der Nichtsnutz nicht da, wahrscheinlich sich mit irgendwelchem Zeugs zudröhnen. Wie gerne würde ich das auch wieder tun...«, sie schnalzte missbilligend mit der Zunge.
»Bruno ist kein Nichtsnutz und du weißt was der Arzt zu deinem Drogenkonsum gesagt hat.«, seufzte abermals.
»Ärzte sind keine Götter in weiß, Ally, und sterben kannst du überall.«, die letzten Worte murrte sie nur.
»Schon klar, Granny, schon klar.«
Da schaute sie mich auf einmal mit diesem Blick an, den nur Omas dem Enkelkind zuwerfen können, fähig dazu sind.
»Warum bist du überhaupt hier?«
Diesmal ließ sie das Ally weg.

Ende von Kapitel 22.

Was bin ich ohne dich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt