10. Kapitel

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Leonard

Es ist dunkel und arschkalt geworden, wie ich den Winter hasse.
Fynn kam mir entgegen, als mir einfällt, dass er die gesamten nächsten Wochen mit Nachtschichten verbringen werden wird.
»Na Dicker, alles...«, ich stockte, fasste ihm am Arm, ehe er an mir noch vorbeiläuft.
»Was ist mit deinem Gesicht? Hat dich ein scheiß Fascho so zusammen geprügelt?«
Er starrte auf den Boden, die laute Art, die er mit sich brachte, war weg als hätte es sie nie gegeben.
»Fynn? Verdammt nochmal sag was!«
»Bin die Treppe runtergefallen.«, quetschte er dann schließlich den Satz aus seiner Kehle, bevor er sich von mir losriss und Richtung Eingang lief.
»Die Lüge kannst du auch jemand anderem erzählen!«, rief ich ihm hinter her, wussten wir beide doch wie oft man in unserem Beruf diese Ausrede aufgetischt bekam.
Ich bekam nicht mit wie lange ich stehen blieb, aber irgendwann wurde es kälter, so kalt, dass mir bewusst wurde, dass ich meinem besten Freund nicht helfen konnte, wenn er die Hilfe derart ablehnte.
Fynn war ebenso.
Die Bilder aus der Psychiatrie kamen in mir hoch, wie schlimm es ihm damals ergangen, wie er beinah gestorben war.
Sooft ich konnte war ich bei ihm gewesen, nur damit er das Gefühl bekam nicht allein mit seiner Depression zu sein, auch wenn ich gegen seine Wahrnehmung der Dinge nichts tun konnte.
Ich war da, wenn alle flohen, selbst seine Eltern ihn zurückstoßen.
Er war eben mein bester Freund.

Das Wasser war heiß, hinterließ rote Flecken auf meinem bleichen Körper den wahrscheinlich keine Frau anziehend finden könnte, schon gar nicht ein Mann.
Keiner da draußen mochte abgemagerte Körper, wo man jeden Knochen einzeln sehen konnte, ich selbst würde nur angewidert weitergehen, der Blick woanders.
Ich stellte das Wasser aus, Anny würde sich noch über das übrig gebliebene warme freuen.
Zog mir nach dem abtrocknen schnell die Jogginghose und Shirt an ehe ich mir die Haare zu föhnen begann.
Es dauerte, sie waren lang, ein wenig gewellt und schwarz wie die Nacht, zumindest behauptete das Anny immer, wenn ich an mir zweifelte.
»Du bist früh zu Hause, Leo.«
Ich sah ihr Gesicht im Spiegeln und senke den Blick wieder.
»Hat heute endlich mal gepasst und bei dir?«
Ich legte den Föhn weg und stattdessen die Arme um ihre Hüfte, schaute ihr in die blauen Augen, die mich an unsere Tage am Meer erinnern, schmutzig und nicht so hell, genau richtig.
»Ich bin noch am überlegen wegen der... wegen der OP...«, ihre Stimme war ein reines Flüstern, lässt mich spüren wie viel Angst sie hat.
»Anny, du weißt, dass ich dich auch ohne diese scheiß OP liebe, oder? Du brauchst nicht dieses Risiko einzugehen, nur weil du dich vor dem Urteil anderer Menschen fürchtest. Du bist eine wundervolle Frau, die eine OP in dem Sinne nicht braucht.«, ich runzelte die Stirn, legte meine Hand auf ihre Wange, auf ihre vernarbte Wange.
»Ich habe geschworen dich zu lieben, zu ehren und für immer da zu sein, wegen ein paar Turbulenzen werde ich nicht abhauen und alle anderen die es auch nur wagen, denken, sollen sich verpissen.«
Mein Blick war hart und voller Liebe, der ihre voller Kummer und Angst und Unsicherheit.
»Ich... Gott, Leo... Ich kann das alles nicht...«, sie weint, versucht all ihre Schmerzen hinunter zu schlucken, doch kam er immer größer wieder in ihr hoch.
»Ich weiß... ich weiß, meine Süße...«, raunte ich, presste sie an meine Brust, vergrabe das Gesicht an ihrem nackten Schädel.
»Rakastan sinua.«

Ende von Kapitel 10.

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