Und zwischen den Felsen, Hoffnung - A German Story by @jinnis

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Und zwischen den Felsen, Hoffnung

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Und zwischen den Felsen, Hoffnung

Von jinnis

Wind reißt an meinem Haar und Regen peitscht mein Gesicht. Ich bleibe stehen, spüre die Kälte auf meiner Haut und wie sie langsam in meine Knochen dringt. Regen ist gut, wir brauchen das Wasser. Und beinahe begrüße ich die Kälte, die ich früher so hasste.

Früher. Inzwischen ist alles anders. Die Menschheit hat es geschafft. Wir haben es geschafft, unseren Planeten zu zerstören. Nun, natürlich gibt es die Erde noch, aber wir haben sie ihrer Schönheit beraubt, ihrer unvergleichlichen Anmut und Vielfalt. Die Folge waren Hunger, Not, Krieg und Elend. Wer es sich leisten konnte, ist längst gegangen mit den Schiffen. Aber wohin?

Damals als die Schiffe die Erde verließen, wusste noch niemand, ob es irgendwo einen Planeten gibt, der Leben ermöglichen würde. Ungehindertes, glückliches Leben, wie es immer eigener Planet tat, bevor wir verantwortungslos seine Ressourcen ausbeuteten und Atmosphäre vergifteten.

Andere verkrochen sich in Bunkern, in der Hoffnung, mit etwas Zeit werde die Erde sich erholen. Vielleicht tut sie das. Vielleicht werden sie dann wie Ameisen ausschwärmen und die alte Heimat wieder mit Beschlag belegen. Weiterfahren, wo sie aufzuhören gezwungen wurden.

Und vielleicht werden sie dann auf uns treffen, oder auf unsere Nachkommen. Diejenigen, die weder das Glück noch die Mittel besaßen, einen Platz auf einem Schiff oder in einem Bunker zu ergattern. Der Abschaum der Menschheit, die verlorenen Kinder der Katastrophe.

Ich seufze und sehe mich nach den anderen um. Unsere Gruppe ist nicht groß, schon lange nicht mehr, und wir haben seit Wochen keine anderen Überlebenden gefunden. Vielleicht sind wir die letzten. Vielleicht ist unsere Suche nach einem sicheren Ort in dieser sturmgepeitschten Landschaft zum Scheitern verurteilt.

Instinktiv zähle ich die verwahrlosten Gestalten unten bei dem baufälligen Haus. Zweiundzwanzig. Alle sind da, haben draußen versammelt, um den seltenen Luxus von Regen zu genießen, der bei einer erträglichen Windstärke nicht wie Geschosse den Körper attackiert.

Von meinem Ausguck auf der Bergkuppe erkenne ich Mani, dunkle Haut, das Haar zu Zöpfen geflochten. Er mit seiner unverrückbaren Zuversicht und den tiefgründigen braunen Augen war es, der uns auf diesem Trek führte, vorantrieb, sicherstellte, dass niemand zurückblieb. Neben ihm steht Kim, die wirkt als würde der nächste Windstoß sie davontragen. Ihre geschickten Finger reinigten und nähten so manche Wunde und ihre sanfte Stimme ist immer da, Trost zu spenden.

Da ist der stumme Sven, dessen scharfe Augen immer wieder gangbare Wege durch Sand und Felsen finden. Neben ihm der junge Piotr, ein Kind das sich nicht an die Zeit davor erinnern kann. Voller Fragen und Hoffnung führt er uns vor Augen, dass wir nicht aufgeben dürfen, dass wir für unsere Zukunft kämpfen müssen.

Da sind Mel, Kathy, Sumiko, der alte Alec, Martha, die ihre Tochter erst vor ein paar Tagen verlor, und die trotzdem den kranken Jungen stützt, dessen Namen wir immer noch nicht in Erfahrung bringen konnten. Zusammengewürfelt vom Schicksal, eine Familie am Ende der Welt.

Mani winkt mir zu, bedeutet mir, hinunterzusteigen. Der Sturm wird stärker, bald müssen wir uns wieder verkriechen, hoffen, dass unser Versteck den rachsüchtigen Gewalten der Natur trotzen kann. Immerhin, wir haben hier Vorräte gefunden, die noch unverdorben sind. Die Aussicht auf eine warme Mahlzeit treibt mich voran.

Ich springe von Stein zu Stein, ignoriere die Gefahr, auf dem nassen Fels auszurutschen und schlage beinahe der Länge nach hin, als ich aus dem Augenwinkel etwas entdecke. Da. Zwischen zwei Felsen klammert sich eine Pflanze ans Überleben.

Es ist Wochen, nein Monate her, seit ich eine lebende Pflanze sah. Wir kämpfen uns schon lange durch eine Wüste der Zerstörung, am Leben gehalten von den Medikamenten, die uns vor den Giften in der Luft schützen, die wir atmen. Immer im Bewusstsein, dass wir zum Tod verdammt sind, sobald sie uns ausgehen oder wir weder Lebensmittel noch unverseuchtes Wasser finden.

Ich knie mich hin, berühre zögernd ein filigranes Blatt. Ein Blütenstängel zittert im Wind. Fassungslos starre ich dieses Wunder an, während sich auf meinen Wangen Tränen mit dem Regen mischen.

Eine Hand auf meiner Schulter lässt mich aufblicken. Svens Augen leuchten mit derselben Hoffnung, die mein Herz schwingen lässt. Vielleicht...

Tevun-Krus #75 - International 4: SolarPunkWhere stories live. Discover now