ZWANZIG

87 4 0
                                    

Als ich aufwachte, versuchte ich erstmal meine von Tränen verklebten Augen zu öffnen. Mein Hals fühlte sich an wie eine trockene Wüste und ich blickte mich nach einem Glas Wasser um. Doch da bemerkte ich, dass ich mich nicht in meinem Zimmer befand.

Ich lag auf einem schwarzen Holzbett, um mich herum alles in grau, weiß und schwarzen Farbtönen gehalten. Die Sonne strahlte unter den Schalosien hindurch und legte den Blick auf ein schlicht gehaltenes Zimmer frei. Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen wieder zurück und ich griff an mein Herz, welches augenblicklich zu Schmerzen anfing.

Zitternd atmete ich die Luft ein. Ich schob mich langsam hoch und griff nach dem Glas Wasser, welches auf dem Nachttisch stand. Gierig trank ich alles in einem Zug aus und mein Körper verlangte sofort nach mehr.

Wie bin ich hier her gekommen? Als ich aufstehen wollte, stießen meine Zehen gegen etwas Kaltes und ich zuckte erschrocken zurück, wobei ich stöhnend meinen dröhnenden Kopf hielt. Ich warf nach kurzer Pause einen Blick auf den Boden, wo leere Flaschen Alkohol standen. Sagt nicht ich habe die alle getrunken.. Die Luft im Raum war stickig und ich taumelte zum Fenster, um die Schalosien zu öffnen.

Fluchend wandte ich mich von dem hellen Licht ab. Vor einem Spiegel stehend, sah ich wie scheiße ich eigentlich aussah. Fette Augenringe, zerzauste Haare, rote Augen, ein schmerzverzerrtes Gesicht und die gleichen zerknitterten Klamotten wie gestern.

"Morgen Schönheit.", ertönte Tylers Stimme, der gut gelaunt die Tür öffnete. Seine Haare waren nass. Wahrscheinlich war er gerade duschen. Nun weiß ich wenigstens in wessen Zimmer ich mich befand.

Ich zog eine Augenbraue hoch.

"Okok. Vielleicht ist heute nicht dein bester Tag.", sagte er lachend und mein Mundwinkel zuckte für einen Moment nach oben.

"Ah, da haben wir es ja! Das schönste Lächeln auf Erden.", grinste er. Der war aber übertrieben gut gelaunt. Was habe ich verpasst?

"Ich lächel gar nicht.", erwiderte ich ernst.

"Mich kannst du nicht anlügen, Babe.", flüsterte er mit seiner charmanten Stimme. Hat er mich gerade Babe genannt?!

Tyler fiel wieder in sein Lachen ein und ich schüttelte nur meinen Kopf.

"Bist du auf Drogen oder so?", fragte ich ihn verwirrt. Diesmal war er es, der seine Augenbraue hochzog.

"Haha nein. Ich fand es nur gestern Abend sehr schön.", grinste er verschmitzt und deutete auf sein Bett.

Ich verschluckte mich an meiner Spucke und musste laut husten. Meinte er das gerade ernst!? Meine Wangen nahmen an Farbe an. Nicht vor Scham sondern vor Wut.

"Was bist du eigentlich für ein Idiot. Ich war betrunken!", packte ich ihn an seinem Shirt und blickte ihn wütend in die Augen.

"Das war nur Spaß. Chill mal.", grinste er. Erleichtert schubste ich ihn gegen die Wand.

"Arsch.", wandte ich mich von ihm ab und ging, den Flur entlang, in mein Zimmer.

-

Zu spät war ich auf dem Weg zum Unterricht. Ich hatte keine Lust auf Schule, mehr als sonst. Zum Unterricht musste ich dennoch erscheinen, damit ich einen guten Abschluss machen konnte und diese Schule nie wieder sehen musste. Träge schleppte ich mich die Flure entlang.

Die School of Darkness hat mein gesamtes Leben verändert. Wenn ich doch nur die Zeit zurückspulen und alles ungeschehen machen könnte. Dann wäre Thea nicht Tod, ich kein Vampir. Ich hätte ein normales Leben und keine Geheimnisse.

Manchmal wird das in Geschichten einfach unterschätzt, das so ein Leben vielleicht schön ist, wenn man es liest und man ein schönes Happy End lesen kann, aber was wenn das in Wahrheit nicht der Fall ist?

Man sehnt sich ein Leben, welches nicht das Eigene ist und vergisst das man selber auch eins hat. Man sollte immer mit einem Bein in der Realität bleiben, während man mit dem anderen in seiner Fantasiewelt schwingt. Sonst kann es sein, das man sich in dieser Welt verliert.

Hoffentlich werde ich auch ein Happy Ending bekommen. Was wär doch nur ein Leben ohne Happy End?

"... glaube.. Thea..", konnte ich Mr. Henningston's Stimme ausmachen. Abrupt blieb ich stehen. Hat er ihren Namen gesagt?

Leise schlich ich mich zurück zur Tür von dem Büro des Direktors, um mehr verstehen zu können.

"...Kann sein. Wir sollten eine Sitzung beantragen lassen. Das war kein normaler Vorfall. Da steckt mehr dahinter, ich kann es förmlich spüren. Barth, du weißt doch, dass meine Intuition mir meistens die Wahrheit sagt, was sagst du dazu?", redete Mr. Henningston, vermutlich an seinem Telefon.

Kurze Pause.

"Vampirjäger?! Wie kommst du darauf? Sowas an unserer Schule würde nie vorkommen!", rief der Dirketor wütend ins Telefon.

Mir kam der Holzpfahl wieder in den Sinn, der neben Thea gelegen hatte. Früher hatten Vampirjäger uns Vampire mit Holzpfählen oder Feuer getötet. Jedoch könnte auch jede andere Person, die nicht zu den Vampirjägern gehörte, meine beste Freundin getötet haben.

"Die Standorte dieser Schulen sind auf der ganzen Welt unbekannt. Außerdem konnten sie nicht ohne bemerkt zu werden hier hineingelangen."

David Henningston flüsterte schon fast in sein Telefon.

"Es muss jemand an dieser Schule gewesen sein. Die Frage ist: Wer und Warum.", dachte er nach.

"Was gibt es denn da so Schönes zu belauschen?"

Blitzschnell wirbelte ich herum und drückte mich gegen die Wand. Will stand wenige Zentimeter vor mir und blickte auf mich hinab.

"Pschttt!", flüsterte ich und drückte meinen Zeigefinger senkrecht auf seiner Lippe. Ich lauschte, ob Mr. Henningston etwas behört hatte.

"Wir hören voneinander, Barth.", legte unser Dirketor das Telefonat auf.

Beruhigt ließ ich wieder meine ganze Konzentration auf Will über. Erst da fiel mir auf, dass mein Finger immernoch auf seinen grinsenden Lippen lag. Ich nahm meine Hand schnell weg und sah verlegen auf seine Brust, nur um ihm nicht in seine Augen zu sehen.

Eine warme Hand legte sich unter mein Kinn und hob mein Gesicht hoch. Ich blickte verträumt in die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Sein Daumen strich langsam über meine Lippe und ich erzitterte.

Will lächelte. Kein arrogantes Macho-Lächeln, eher dieses besitzergreifende Lächeln. Scheiße, ich könnte schmelzen.

Jemand räusperte sich laut und da war der Moment auch schon vorbei, wie als hätte er nie stattgefunden. Als wäre das nur ein wunderschöner Tagtraum gewesen. Will nahm seine Hand schnell weg, als hätte er sich verbrannt. Das verletzende Gefühl, das dabei ausging, versuchte ich zu überspielen.

"Herr Direktor, ich wollte Sie noch sprechen, wegen der Planung des Bloodchess.", sagte Will neutral.

"Bloodchess?", fragte ich verwirrt.

David und Will sahen mich komisch an.

"Das Bloodchess ist ein Festtag an dem wir Vampire uns um Mitternacht treffen und Schach spielen. Der Gewinner des Spieles trinkt das Blut des Anderen. Dieser Tag findet bei jeder School Of Darkness um dieselbe Uhrzeit statt. In dieser Nacht bleibt für uns die Zeit stehen. Jeder Vampir macht bei den Spielen mit. Weigerst du dich, wirst du sofort als Verlierer und Blutkühlschrank abgestempelt. Man spielt nur eine Runde und danach gibt es noch einen Abschlusstanz. Es steht jeder Zeit ein Buffet offen mit verschiedenen Spezialitäten und jeder trägt eine individuelle Maske, die sein Inneres widerspiegelt.", erklärte mir Mr. Henningston ausführlich.

-

Leblos starrte ich meine Zimmerdecke an.
Meine Augen fingen an zu brennen, doch ich unterdrückte den Drang zu weinen. Ich musste mich zusammenreißen. Für Thea. Ich musste den Mörder finden und nichts wird mich davon abhalten. Ich werde Rache nehmen. Ich musste Rache nehmen, um dieses leere schmerzende Loch in meinem Herzen ein Ende zu bereiten. Nichts könnte Thea wieder zurückbringen. Und nichts wird mehr den Mörder zurückbringen, wenn ich erst einmal mit ihm fertig bin.

School Of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt