Thinking

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 Naomi

 Schweigend sitze ich hinten in Pauleys Auto. Bis jetzt hat noch kaum einer von uns ein Wort gesagt, wir hängen alle unseren eigenen Gedanken nach. Ich denke wieder über Cote nach. Ein Teil von mir möchte weiterhin so tun als ob alles gut wäre und sie als Mutter akzeptieren, aber ein anderer Teil ist gleichzeitig wütend auf sie und möchte sie spüren lassen wie hintergangen ich mich fühle. Einerseits glaube ich das sie mich liebt und auch selbst nicht weiß wie sie das alles wieder gut machen kann, aber andererseits frage ich mich auch warum sie mich überhaupt weggegeben hat wenn sie mich so gerne hat. Klar, ich verstehe das sie nicht genug Geld hatte um mich gut groß zu ziehen, aber sie hätte sich doch auch Hilfe holen können! Von ihren Eltern, ihren Geschwistern, irgendwem! Mir wäre es egal gewesen ob sie reich ist oder sich kaum etwas leisten kann. Mir wäre nur wichtig gewesen, dass ich bei ihr wäre und sie mich aufwachsen sieht und für mich da ist. So wie es eine Mutter für ihre Tochter sein sollte.

 Da ich meine Zeit am Set nicht mit düsteren Gedanken verdunkeln möchte, verdränge ich diese wieder und schaue aus dem Fenster. Draußen fliegen orangefarbene Bäume vorbei, die schon fast all ihre Blätter verloren haben. Trotzdem laufen die Leute hier in T-Shirt und kurzen Hosen herum. Während es in Deutschland schon fast minus Grade sind, ist es hier fast so warm wie im Sommer. Fast dreißig Grad sind es heute. Ich glaube, dass was ich am meisten vermissen werde ist, dass es hier keine weißen Weihnachten gibt. Ich kann mir das gar nicht vorstellen; Weihnachten ohne Schnee und Kälte, ohne Schneeballschlachten und Schlittschuhlaufen!

 "Wir sind da!", unterbricht Pauley meinen Gedankengang.

Neugierig steige ich aus dem Auto aus und folge Cote und Pauley. Cote stellt mich allen vor denen wir begegnen, und führt mich zum Wohnwagen von Michael.

 Als wir da sind, klopft Pauley nach kurzem Zögern energisch an die Tür.

 „Hey Pauley!“, wird sie von einem blondhaarigen Mann überschwänglich begrüßt.

 „Hey Sean.“ Sie wendet sich mir zu.

 „Das ist Sean Murray. Er ist McGee. Sean, das ist Naomi…“ An diesem Punkt stutzt sie. Sie weiß nicht ob sie erzählen darf, dass Cote meine Mutter ist.

 „Das ist meine Tochter.“, beendet Cote schnell und leise den Satz.

 Zuerst zögert er und ist sich nicht sicher wie er reagieren soll, aber dann setzt er ein Lächeln auf und schüttelt meine Hand. Ich gucke ihn an und lächle schließlich zurück. Sein Lächeln ist ehrlich, und das beruhigt mich.

 „Ich bin Sean.“, stellt er sich noch einmal selbst vor.

 „Ich bin Noemi.“

 „Wollt ihr nicht hereinkommen?“, fragt Michael aus dem inneren des Wagens. Da Sean die Tür versperrt, kann Michael uns nicht sehen und wir ihn nicht.

 Auf einmal durchzuckt es mich wie ein Blitz: Ich werde gleich meinen Vater kennenlernen!

 Pauley folgt Sean in den Wohnwagen. Ich merke dass meine Mutter sich erst kurz sammeln muss, aber schließlich steigt sie hinter ihrer Freundin die Stufen hoch.

 Ich komme mir ein Bisschen verloren vor, und weiß nicht so recht, ob Michael mich auch gemeint hat. Aber dann streckt Cote mir einladend ihre Hand entgegen, und ich gehe auch hinein.

 Der Wohnwagen ist geräumiger als es von draußen aussah. Ich folge Cote in eine Sitzecke. Die vier fangen gleich an sich zu unterhalten, und ich komme mir wieder unerwünscht vor.

„Cote? Darf ich dich mal was fragen?“, platzt Sean als er es kaum noch aushalten an mit seiner Frage heraus.

„Ähm… Okay?“ Cote weiß was er fragen will. Ich merke, dass sie sich genauso unwohl bei dem Gedanken daran fühlt, wie ich.

„Wie hast du es 10 Jahre lang geschafft uns deine Tochter vorzuenthalten? Wieso hast du nie etwas von ihr erzählt?“

Cote antwortet nicht. Es ist ihr unangenehm. Dabei ist es alles ihre Schuld.

Schließlich ergreife ich das Wort: „Ich bin erst seit ungefähr einer Woche in Los Angeles.“

„Wo warst du davor?“, fragt er sichtlich verwirrt.

„In Deutschland.“

„Wie in Deutschland?“ Er hat es immer noch nicht verstanden.

„Ich habe die letzten Fünfzehn Jahre dort gewohnt.“, sage ich mit, zur Abwechslung mal, fester Stimme.

„Das heißt ihr kennt euch seit einer Woche?“

 „Ja“

 Ich merke, dass er es noch nicht ganz verstanden hat, aber er fragt auch nicht weiter nach.

 Seit ich hier sitze, habe ich es gemieden Michael anzuschauen. Jetzt hebe ich meinen Blick langsam, und schaue ihn schließlich an. Er sieht genauso aus wie auf den Bildern, die ich bei Pauley gesehen habe. Ich sehe ihm ähnlich. Ich sehe aus wie ein Mix aus ihm und Cote. Ich habe Cotes Augen, ihren Mund und ihr Lächeln, ihre Haare und ihre Figur und Statur geerbt. Aber ich habe den gleichen Blick, und fast die gleich Gesichtsform wie Michael. Meine Nase ist irgendeine komische Mischung aus denen von meinen Eltern. Wenn man ein Bild von Cote und mir sieht, auf dem unsere Köpfe nicht zu sehen sind, sehen wir aus wie ein und dieselbe Person.

 Als Michael mich plötzlich anschaut, unterbreche ich meinen Gedankengang und starre zurück. Jetzt mustert er mich. Fast so als wolle er sichergehen, dass ich auch wirklich seine Tochter bin. Als sein Blick wieder zurück zu meinen Augen wandert lächelt er mich vorsichtig an. Auch auf meinem Gesicht breitet sich ein vorsichtiges Lächeln aus. Als er das sieht wird sein Blick wärmer, und er schaut mich mit so etwas wie Stolz in den Augen an.

 Bevor es komisch wird schaue ich weg und folge wieder dem Gespräch der anderen. Diese sind gerade dabei aufzustehen, um sich fertig zu machen und dann zum Rest der Crew zu gehen.

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So, da ist der nächste Teil! :)

A World fell togetherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt