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,,Oh bitte, lass es nicht voll sein."
Betend presste ich meine Hände zusammen, nachdem ich jene Worte zu mir selbst flüsterte und Raffles etwas mehr in meine Jackentasche presste, um dem Geschrei der Großstadttussis umgehen zu dürfen.

,,Iih! Eine Ratte", hätten sie wahrscheinlich gerufen, so wie vor wenigen Monaten, als ich mit Siyeon einen Ausflug Richtung Busan unternahm, dabei jedoch mein süßes Frettchen nicht alleine zu Hause verhungern lassen wollte.

Bis heute erinnerte ich mich noch an ihre angewiderten Blicke, als er sein Köpfchen hinausstreckte, um die Lage zu checken.

Er war wie mein kleiner Beschützer und Glücksbringer, der weder reden konnte, noch ein Gegenstand war.

Ein starker Windzug durchwehte meine verwuschelten Haare und sorgte dafür, dass meine Wange augenblicklich unterkühlte und erfror.

Menschenmassen, die aus dem angekommenen Zug stürmten.
Unterschiede wie Tag und Nacht stießen gegeneinander.

Die Leistungsgesellschaft, die ihren höheren Stammplatz mehr oder weniger reichlich erarbeitet hatten und die kleinen Küken, die sich hinter ihren vier Wänden versteckten, arbeitslos waren und jeglichen sozialen Kontakt mieden, statt diesen zu pflegen.

Sobald die Türen zwischen den Massen auch endlich mal sichtbar wurden, wagte ich einige Schritte näher.

Mein Herz pulsierte vor Nervosität, Unwohlsein und Angst in der Brust.
Zitternd und bebend wollte ich gerade den letzten Schritt in den Zug wagen, als ein gewaltiger Stoß von hinten mich beinahe umwarf.

,,Hey!", schrie ich auf, als der schwarzhaarige Junge gegen mich rannte, ohne mir dabei auch nur einen Blick zu schenken.
Statt sich zu mir zu drehen, rannte er mit seinen zerfetzten Klamotten einfach weiter, als würde ihn etwas gewaltiges Jagen.

Gerade wollte ich mich über die Unverschämtheit der Jugend beschweren, trotz dessen, dass er wahrscheinlich meiner Altersklasse angehörte, doch der Junge rief, bevor er im nächsten Wagon verschwand noch ein lautes ,,Tut mir leid!"

Sobald diese Töne meine Ohren erreichten, weiteten sich meine Augen und ich blickte ein letztes mal der zierlichen Figur hinterher.
Auch wenn ich nur seinen Rücken zu Gesicht bekam, wusste ich genau, dass er nicht der normalen Leistungsgesellschaft angehörte.

Er war nicht der Typ, der zehn Stunden in einem Büro hockte, ein Abitur von 1,5 prägte und sich soeben eine Familie aufbaute.
Nur an seinen zerstörten Klamotten konnte ich seinen Stand ablesen und wusste genau, wo ich ihn einordnen konnte.

Er war so wie ich, aber doch irgendwo anders.

,,Die Türen schließen sich."
Die Ansage ertönte im ganzen Wagon, bevor dieser losfuhr und mich weiter in die Innenstadt beförderte.

Ängstlicherweise krallte ich mich an die Stange neben mir und vergaß innerhalb von wenigen Sekunden über den Jungen, der mich anrempelte.

Stattdessen fixierte ich mich umso mehr auf den unangenehmen Gedanken, dass ich gleich in einem Einkaufszentrum des mittleren Standes meine Produkte suchen würde.

Every March || VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt