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Winzige Dinge, die das Leben auf magische Art verzaubern konnten.
Selbst die kleinsten Erscheinungen konnten Wunder der Zeit bewirken.

Es gab Menschen, die diesen Genuss Tag für Tag ausnutzen konnten, doch warum nicht ich?
Wieso besaß ich nie das Geld, um mich für herzensbewegende Sachen arrangieren zu können?

Vor Aufregung nicht schlafen können, am ganzen Körper vor Freude zittern können. Herzbeben. Schnappatmungen.
Dinge, die meine Lebenszeit besonders gestalten könnten, doch nie war ich fähig dafür.

Ja, als ich mich einst in Siyeon verliebte, mochte ich diesen Reiz in mir zu gerne. Doch je länger ich mir das auch ausmalte, verstand ich nicht, warum ich so anders fühlte.
Als Jimin, Hoseok und selbst Yoongi mir davon erzählten, wie sie das erste Mal richtig verliebt waren, erkannte ich mich gar nicht in ihren Worten wieder.

Weder dieses außergewöhnliche Kribbeln, wenn man an die auserwählte Person dachte, noch dieser schrecklich hohe Pulsschlag gehörte zu den Augenblicken, die ich mit Siyeon verband.

Niemals würde ich jedoch verneinen, dass ich sie geliebt hätte. Das Verliebt sein blieb bei mir in größten Teilen einfach aus, das passierte halt manchmal.

,,Taehyung, könntest du mir kurz beim Tragen helfen?"
Jimin, der soeben mit den Kartons beschäftigt war, die über seinen zierlichen Körper hinausragten, rief mich zum Hinterausgang, wo der LkW mit der Warenlieferung parkte.

Seit dem Vorfall von gestern, hatte sich Yeonyoon nicht mehr blicken lassen, was der Grund dafür war, dass Yoongi nun ihre Schicht übernehmen musste und sie mir die Jacke meines Lieblingswachhundes anvertraute.

Vorher hatte ich mir natürlich die Daten seines Personalausweises notiert. Wenn ich ihn direkt darauf anspreche, dann würde er zu Siyeon rennen. Zu gerne hätte ich dann ihren Ausdruck gesehen, diese Niederlage verkraften zu müssen.

Wortlos nahm ich einige massivschwere Kisten an mich, trug diese in unsere kleine Kühlhalle und rannte wieder zurück.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Typ seine Jacke abholen würde.

Auch wenn ich zu den Leuten gehörte, die einen äußerst ruhigen Eindruck machten und zu oft in ihre Gedanken abdrifteten, sollte man mich nicht unterschätzen.
Meine damalige Schule hatte aus mir den Jungen gemacht, der ich heute war.

Man brauchte nur einen entscheidenden Punkt in mir treffen, um das Fass zum überlaufen zu bringen. Dann würde ich keine Sekunde mehr zögern und zum Kleinkriminellen mutieren, der seine Fäuste zum Kämpfen benutzte.

,Fight or die', das Motto meiner damaligen Schule, was viele Menschenleben zerstörte. Man konnte nur verlieren und in den Schandtaten versinken. Ich hatte mich dafür entschieden, mich anzupassen. Stolz war ich nie darauf, doch nützlich konnte es bis heute sein.

Wäre ich damals nicht so betrunken gewesen, als ich auf Siyeons neuen Freund traf, hätte ich ihn gleich zerlegen können, ohne übermütig klingen zu wollen.

,,Was darf es sein?"
Freundliche Worte von Yoongi, der soeben an der Theke stand und die Bestellungen anfertigte, während ich noch immer mit Jimin beschäftigt war.

,,Meine Jacke, danke!"
Ein pampiger Ausdruck stieß in meine Ohren und sogleich konnte ich diese Stimme zuordnen. Wenigstens mit etwas Benehmen hatte ich gerechnet. Jedenfalls so viel wie damals, als er mich im Zug anrempelte und den Anstand besaß sich zu entschuldigen.

Jeglicher Anstand war hier verschwunden, warum auch immer.
Ich wollte ihn gar nicht erst verstehen lernen.

,,Ich verstehe nicht ganz", sprach Yoongi, während ich die letzte Kiste abstellte und in den kleinen Nebenraum lief, wo der frischgewaschene Jeansfetzen Bekanntschaft mit meinem Headset machte.
Dort hatte ich sie vor der Arbeit hingelegt und nur gelauert.

,,Eine deiner tollpatschigen Kolleginnen meinte meine ganze Bestellung auf meine Jacke zu pressen. Ich hätte sie jetzt echt gerne wieder!"

,,Wie bitte-", bevor Yoongi laut werden konnte, brach ich zwischen die beiden, hielt dabei fest die Sache in den Händen, die er gesucht hatte.
Yoongi konnte man zu leicht provozieren. Es hätte eskalieren können und niemand wollte Yoongi so einen Zustand zumuten.

,,Hier, deine Jacke"
Ein breites Lächeln auf meinen Lippen. Das waren die ersten Worte, die ich direkt in sein Gesicht sprach, ohne dass er wegrannte oder sich schnellstmöglich verkroch.

,,Dank-... Hallo? Kannst du auch mal loslassen?", keifte er mich an, doch mein Lächeln verstärkte sich umso mehr.

Du bist ein so seltsamer Mensch, dass es mir schon beinahe unangenehm ist, mit dir zu reden.

Ohne auch nur eine Miene zu verziehen, trat ich näher an ihn, sodass uns nur noch eine Thekenbreite trennte.

,,Ich habe dich im Auge, Jungkook..."

Every March || VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt