All my fault - alles meine Schuld (Stexpert)

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Das Blut klebte noch an seinen in Gummihandschuhe gehüllten Hände, der Geruch von Unmengen an Desinfektionsmittel erfüllte den Raum und das Piepen der Geräte im Hintergrund unterbrach die unangenehme, erdrückende Stille. Damm erlosch auch dieses unheimliche Geräusch und zurück blieb endlose Ruhe.

Er starrte wie betäubt auf seine eigenen Hände, er legte seine Gerätschafteb bei Seite, drehte sich um marschierte die blutverschmierten Handschuhe in einen dafür vorgesehenen Müllbehälter. Er wollte sich das hier nicht länger ansehen, er konnte es nicht ertragen. Nicht die Stille, nicht den Geruch, nicht das trostlose Bild!

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren zog er sich um, setzte sich in sein Auto und fuhr auf direktem Weg nach Hause. Tim war noch nicht da, er arbeitete vermutlich noch, aber so lange wollte und konnte er einfach nicht warten. Er brauchte Tim jetzt an seiner Seite!

Zittrig griff er sein Handy und wählte Tims Kontakt aus, um ihn anzurufen. "Tim?", hauchte er, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
"Stegi?! Was ist passiert?" Sofort erklang Tims tiefe, besorgte Stimme und Stegi rollten die ersten Tränen über die Wangen. Leise schluchzend umklammerte er sein Hand und zog die Beine näher an seinen Körper.
"Stegi, nun sag schon! Was ist los?", wiederholte Tim , Stegi hörte die Unruhe und Sorge in seiner Stimme.
"Tim…es ist alles meine Schuld", murmelte er, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, aber es kamen sofort neue nach. Die Schuldgefühle ließen ihn zittern, er hüllte sich in eine warme Decke und griff ein uraltes Kuscheltier in Form eines Stegosaurus, das er fest an seine Brust drückte.
"Bist du zu Hause, Stegi?", wollte Tim wissen und Stegi wisperte nur ein leises: "Ja."
"Okay, ich komme sofort! Warte auf mich, ja?", damit legte Tim auf und erneut trat bedrückende Stille ein, nur hin und wieder von leisen Schluchzern durchbrochen.

Bis er endlich das Geräusch von Tims Schlüssel an der Tür hörte, verging eine scheinbare Ewigkeit. Stegi hockte zusammengekauert auf dem Sofa, das Kuscheltier an seiner Brust und die Arme um seine Beine geschlungen. Den Kopf hatte er auf seinen Knien abgelegt, der ganze Körper zitterte selbst unter der Decke, die er sich um die Schultern gelegt hatte und auf seinen Hosenbeinen bildeten sich dunkle Flecken von den Tränen, die er vergoss.
Er fühlte sich unfassbar elend, ihm war schelcht und er starrte nur auf seine Knie, weil er es nicht wagte, die Augen zu schließen. Die Bilder des toten Jungen auf der Liege, zugedeckt mit langen, sterilen Tüchern und mit einer Atemmaste über Mund und Nase gestülpt wollte er nie wieder sehen, er wollte sie einfach verdrängen und nie wieder daran denken!

Seit Jahren arbeitete er im Krankenhaus in der Kinderchirurgie und er hatte sich dort einen Namen gemacht. Natürlich war dieser Junge, Hugo, nicht das erste Kind, das er sterben sah und auch nicht der erste, der aus seinem OP-Tisch die letzten Atemzüge tat, aber er war der allererste, den Stegi getötet hatte. Der einzige, der durch einen Fehler des Arztes sein Leben verloren hatte und Stegi gab sic die volle Schuld dafür! Es war sein Fehler gewesen, die Verletzung des Jungen zu u terschätzen und das eigentliche Problem nicht rechtzeitig zu erkennen! Er war es gewesen, der zu leichtfertig gehandelt und damit das Leben des Jungen genommen hatte, niemand war in der Lage gewesen, Stegis riesigen Fehler irgendwie auszubessern und sie hatten Stunden um Hugos Leben gekämpft…vergeblich. Ihre Mühen hatten nicht gebracht, die Werte waren in den Keller gesackt, bis das Herz des Jungen schließlich ganz versagte und nichts mehr als der hohe Piepton zurückblieb.

Als Tim endlich kam, kniete dieser sich sofort neben dem Sofa auf den Boden und strich ihm über den Kopf. "Stegi, hey, sieh mich an, Stegi, bitte", flüsterte er und hauchte ihm einen Kuss auf den Scheitel. Die liebevollen Worte ließen alle Dämme in Stegi brechen. Er löste sich aus seiner verkrampften Haltung, schluchzte laut auf und warf sich Tim in die Arme. Der umarmte ihn überfordert, strich ihm sanft über den Rücken und legte sein Kinn auf Stegis Kopf ab.
"Es ist meine Schuld, Tim. Ich hab ihn umgebracht", schluchzte Stegi in seinen Armen und Tim drückte ihn automatisch noch enger an sich. "Wen, Stegi?"
"Den Jungen, von dem ich dir erzählt habe." Zitternd krallte sich Stegi an seinen Freund, die Augen nun fest zusammengekniffen und in Gedanken noch immer im OP-Saal.
"Hugo?", wollte Tim leise wissen, er erinnerte sich an den Blonden, der seit eine Woche auf Stegis Station untergebracht war, denn Stegi erzählte häufig von ihm. Tim hatte schon lange bemerkt, dass Stegi ihn mochte und die Gesellschaft eines aufgeschlossenen, kleinen Jungen sehr schätzte. Sogar ein Bild von dem Kind mit einem Haifischkuscheltier hatte er ihm gezeigt und dabei breit gegrinst. Stegi liebte Kinder, aber dieser Junge schien ihn besonders in seinen Bann gezogen zu haben und hatte sich gefreut, dass es Stegi seine Arbeit so glücklich machen konnte.

Stegi nickte nur und klammerte sich fester an ihn, während sich auch in Tims Hals ein dicker Kloß bildete. Er hasste, Stegi so am Boden zerstört zu sehen und diese Hilflosigkeit machte ihn wahnsinnig. Alles was er tun konnte, war für Stegi da zu sein und ihm irgendwie allein durch seine Anwesenheit beizustehen.
Keine Worte konnten Stegis Trauer nehmen und Tim wusste um die unheimlichen Schuldgefühle, die in Stegi tobten.
"I…ich hab…ich habe seine Verletzung unterschätzt und dann…als…als wir ihn operiert haben…er…sein Herz hat einfach aufgehört zu schlagen. Wir…konnten ihm nicht mehr helfen. Ich habe ihn umgebracht."
"Nein, Stegi! Das hast du nicht!", Tim hob Stegis Kinn energisch an und sah in die verweinten, roten Augen. Immer neue Tränen liefen haltlos die blassen Wangen hinab, seine Haare hingen scheinbar kraftlos hinab und seine Lippen bebten. "Stegi du bist kein Mörder, was passiert ist, war nicht deine Schuld."

Er strich Stegi sanft über die Wange, doch dieser drückte seine Hand weg. "Doch! Es war mein Fehler! Ohne meine Fehleinschätzung hätte er überlebt! Ich hätte auf Jay hören und weitere Untersuchungen ansetzen sollen! Ich war leichtsinnig, ich habe versagt, Tim! Ich!", rief Stegi plötzlich, sprang auf und raufte sich die Haare.
Bevor er zur Tür hinausstürmen und etwas unüberlegtes tun konnte, griff Tim ihn am Handgelenk und zog ihn wieder zu sich. Er schlang die arme fest um den dünnen Körper und sah Stegi entschlossen an. Er würde ihn jetzt auf keinen Fall allein lassen!
"Stegi, bitte. Bleib hier, du musst dich ausruhen", murmelte er sanft und drückte Stegi einen Kuss auf die Stirn. Wenn Stegi nicht stark sein konnte, dann würde Tim für sie beide stark sein und seinen Kleinen beschützen müssen, auch wenn dieser das ganz anders sah.
Stegi schüttelte den Kopf, er hatte kurz aufgehört zu weinen, aber seine Unterlippe bebte noch immer und im Moment wirkte er wie ein schutzbedürftiges Kind.
Tim führte ihn zurück zum Sofa, setzte sich mit ihm auf dem Schoß hin und umarmte ihn einfach, während er leise auf ihn einsprach.
Stegi kuschelte sich an ihn, neue Tränen bahnten sich ihren Weg seinen Kiefer hinab und tropften auf Tims Shirt, aber das Schluchzen war verstummt. Stegi war viel zur erchöpft, er musste die ganze Situation ersteinmal verarbeiten und sein Körper war von seinen Weinkrämpfen vollkommen ausgelaugt.
So dauerte es nicht lange, bis er in einen unruhigen Schlaf fiel, hin und wieder leise Hugos Namen sprach und kurz darauf kurz zitterte, bis er sich wieder etwas beruhigte.

Tim blieb die ganze Nacht bei ihm, schlief keine Sekunde, sondern strich Stegi geduldig über Kopf und Rücken, damit wenigstens er etwas Schlaf fand.

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