recognize - erkennen (Bastiplatte)

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Jedes Jahr war dieser Tag ein ganz besonderer in ihrer Schule, etwas außergewöhnliches, ein einmaliges Ereignis, obwohl es sich doch jedes Jahr wiederholte.
Der Maskenball als krönender Abschluss des Schuljahres und alle älteren Schüler waren dazu eingeladen. 

Er selbst trug einen dunklen Anzug, darunter ein schneeweißes Hemd und eine dunkelblaue Krawatte, passend zu seiner ebenso dunklen Maske, die sein Gesicht vollkommen verbarg und sogar seine Stimme so sehr dämpfte, dass man sie nicht mehr erkennen konnte.
Jeder hier trug eine Maske, es gab verschiedene und einige trugen Masken, die lediglich den Bereich um die Augen verbargen. Andere widerum trugen eine Maske, die der seinen ähnlich war.
In seiner Hand hielt er einen kleinen Zettel, den er sich in die kleine Tasche an seiner Brust steckte.

Als die Musik endlich einsetzte und die langeweilige Rede des Schulleiters vorüber war, fanden sich die meisten an den Tischen ein. So richtig nach Tanzen war es noch niemandem und es würden vermutlich noch weitere langweilige Reden folgen, denen sie lauschen mussten.
An seinem Tisch nahen vier weitere Jungen Platz, Stegi erkannte er sofort, denn er trug lediglich eine grüne Maske um die Augen, die weder die schmalen Wabgenknochen, noch das breite Grinsen verbergen konnte.

Basti lehnte sich im Stuhl zurück und sie alle hörten schweigend zu, wie jemand aus dem Kultusministerium ausschweifend erklärte, welche Bedeutung dieser Ball hatte und wie froh er wäre, eine solche Menge an Gästen hier begrüßen zu dürfen.
Dass die meisten Schüler das hier nur nutzten, um sich entweder unerkannt zu betrinken oder ebenso unenetlarvt Zeit mit ihrem heimlichen Schwarm zu finden, sofern sie diesen denn aufspüren konnten, ließ er dabei gekonnt außer Acht.

Basti schaltete gedanklich schon nacg der halben Rede ab und musterte stattdessen die anderen Personen an seinem Tisch. Soweit er das beurteilen konnte, waren sie alle Männer, doch außer Stegi konnte er niemanden erkennen.

"So! Jetzt kommen wir zum eigentlichen Beginn des Abends. Jedem von ihnen wurde eine Nummer gegeben, immer zwei haben die gleiche Nummer. Stellen sie sich bitte in der Reihenfolge in Paaren auf!"
Basti nahm seinen Zettel erneut hervor und entfaltete ihn. Eine blaue 18 stand auf dem weißen Stück Papier und als sich auch alle anderen erhoben, schritt Basti durch den Saal. Es bildetete sich wie automatisch eine lange Schlange und Basti sah auch durch die Maske, wie einige um ihn herum rot vor Verlegenheit wurden, als sie ihrem Partner für den Eröffnungstanz gegenüber standen.

Ihm selbst stand ein in dunklen Anzug gekleiderter Mann gegenüber, der deutlich kleiner war als er selbst. Basti grinste leicht hinter Maske. Er war schwul und das wusste er schon lange, er hatte überhaupt kein Problem damit, mit einem Mann zu tanzen.
Er nahm die Hand seines Gegenübers. "Ich führe", entschied er und aufgrund des Größenunterschieds würde es so auch besser mit den anderen Paaren harmonieren.
Der andere wirkte zwar nicht sehr begeistert, aber er legte die Hand auf Bastis Oberarm, wurde von diesem näher an ihn herangezogen.
Basti atmtete das süßliche Parfüm des anderen ein udn irgendwie kam es ihm sehr bekannt vor, vor allem aber stellte er fest, dass er es mochte.

Als die Musik einsetzte, begann er sich im Takt mit dem anderen zu drehen und von Anfang an harmonierten sie miteinander, als würden sie sich schon seit ewigen Zeiten kennen und sich blind verstehen.
"Du kannst gut tanzen, Bro."
Basti lächelte leicht verlegen, wurde sogar rot, aber natürlich konnte der Braunhaarige vor ihm das nicht sehen.
"Ähm danke…du auch."
Er hörte seinen Tanzpartner leise lachen und drehte sich dann erneut mit ihm.

Jedes Paar tanzte den Walzer im gleichen Takt, aber dennoch vergaß Basti die anderen für den Moment und genoss den Tanz. Er liebte das Tanzen und er war froh, dass sein Partner sich problemlos führen ließ, obwohl er sonst den männlichen Part tanzte.
"Bist du allein auf dem Ball?", wollte er wissen, sein Gegenüber nickte. Viele erschienen mit ihrem Freund oder ihrer Freundin und fanden sich im Laufe des Abends wieder zusammen, aber Basti war single und offenbar ging es seinem Tanzpartner genauso. Ob er auch schwul war?

Die Musik klang aus und sie hielten sich einen Moment länger als nötig fest, bevor auch sie sich lösten und das Buffet eröffnet wurde und sein Tanzpartner sofort dorthin steuerte.
Grinsend folgte ihm Basti, vielleicht würde er ja noch mehr mit ihm ins Gespräch kommen, wenngleich das anscheinend bis nach dem Essen warten musste.
Mit vollen Tellern setzten sie sich an die Tische, diesmal ganz anders verteilt und ersteinmal sah er nichts mehr von seinem Tanzpartner, sondern landete neben Veni, den er allein daran erkannte, dass sein Anzug - den hatte er so oder so nur unter Protest angezogen - dunkellila war.

Dann beruhrte ihn jemand an der Schulter und er drehte sich um. Vor ihm stand erneut sein Tanzpartner, zog ihn leise lachend hoch und schleifte Basti fast schon auf die Tanzfläche.
"Was wird das?"
"Wir tanzen", erwiderte sein Gegenüber, als wäre es ganz selbstverständlich und Basti drehte ihn achselzuckend wieder ein und zog ihn eng an sich. Diesmal aber wurde ihm die Hand weggezogen und der Braunhaarige griff nach Bastis Hand. "Ich führe", wiederholte er Bastis Worte und dieser seufzte, grinste aber amüsiert.
Als sie diesmal erneut durch den Raum schwebten, war es irgendwie seltsam, aber es funktionierte. Allerdings wurden sie von den anderen Leuten so seltsam betrachtet, dass sein Gegenüber irgendwann leise lachen musste und ihm erklärte, dass er sich die Blicke der Leute ansehen sollte.
Das brachte auch Basti zum Lachen und das Lachen des Braunhaarigen direkt vor ihm wurde immer lauter und Bastis Lachen verstummte plötzlich.

"Ähm Kevin?", wollte er wissen und auch sein Gegenüber verstummte.
"Ja? Woher weißt du? Kennen wir uns?"
"Äh ja, wir kennen uns", erwiderte Basti wieder leise lachend und so langsam schien es auch Kevin zu dämmern und er kratzte sich kurz am Kopf.
"Das…das ist jetzt…", bevor Kevin noch weiter reden konnte, griff Basti wieder seine Hand und führte ihn nun seinerseits übers Parkett.

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