homunculi - künstlicher Mensch (Micky/Harmii)

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Der rothaarige Soldat starrte auf die menschliche Maschine direkt vor sich, die ihn regungslos musterte. Mehrere Waffen trug die Maschine mit sich und Micky wusste, wie gefährlich sie war, aber er machte keine Anstalten, selbst eine Waffe zu zücken. Soweit er wusste, war das nicht nötig und zumindest im Moment fühlte er sich haöbwegs sicher.
Unentwegt verfolgten die dunklen Augen jede einzelne seiner Bewegungen, dann löste sich die Maschine aus ihrer Haltung und lief direkt an Micky vorbei, der sich umdrehte und ihr folgte. Der Rothaarige hatte ein metallernes Geräusch erwartet, aber die Maschine bewegte sich ebenso lautlos wie er selbst und wenn er nicht genau wüsste, dass es sich um einen Roboter handelte, hätte er den Unterschied zu einem Menschen niemals gesehen. Fast schon gruselte es ihm davor, dass das hier sein neuer Partner werden sollte, nachdem in ihrem letzten Einsatz unzählige seiner Kameraden ums Leben gekommen waren. Die Vorräte aufstocken nannten seine Vorgesetzten das und jedes mal, wenn er das hörte, musste Micky einen starken Würgereiz unterdrücken. Seine Kameraden waren nicht mehr als Schachfiguren, die man beliebig austauschte, zumindest in den Augen ihrer Generäle, welche allesamt noch nie selbst für ihr Land und um ihr Leben hatten kämpfen müssen!

M10 Harmii, so hieß die Maschine, war Teil einer gigantischen Testreihe, in der neuartige Kampfroboter in realen Einsätzen ihre Leistungsfähigkeit präsentieren sollten und da Micky nun schon lange dem Militär diente, hatte man ihn als Partner für eine Maschine der M10 Reihe ausgewählt. Weder sagte man ihm, was er konnte, noch wozu genau er gebaut worden war, aber die vielen Waffen ließen darauf schließen, dass Micky demnächst wieder an vorderster Front kämpfen und ihr Gebiet sichern würde, wie so viele Male zuvor. Ein weiteres Mal müssten Menschen sterben und vielleicht würde er dieses mal einer von ihnen sein, wer wusste das schon?

"Hey Harmii! Wo willst du hin?" Die Maschine war abgebogen und soweit er das erkennen konnte steuerte sie direkt den Ausgang der Kaserne an und das obwohl es inzwischen mitten in der Nacht udn stockfinster war. Erst am späten Abend hatte man ihm Harmii vorgestellt und nachdem sie sich eine Weile regungslos angestarrt hatten - Micky hatte nicht gewusst, was er sagen sollte und der Maschine schien das sowieso egal zu sein - ,war er Harmii stumpf gefolgt, denn man hatte ihm Anweisung gegeben, seinen Partner nicht aus den Augen zu lassen. Wieso lief das eigentlich so? Sollte nicht er es sein, der Anweisungen gab, die dann befolgt wurden?

Er erhielt keine Antwort, nichtmal ein Schulterzucken, sodass er sich zu fragen begann, ob er denn überhaupt damit rechnen konnte, dass eine Maschine mit ihm sprach. Vielleicht konnte sie das gar nicht, sondern folgte jedem Befehl stumm, um  noch unauffälliger zu sein. Folgte se überhaupt irgendwelchen Befehlen oder hatte er es mit einer so hoch entwickelten künstlichen Intelligenz zu tun, dass sie all ihre Entscheidungen selbst traf?

"Harmii! Wohin gehst du?!", wiederholte er, diesmal blieb die menschenartige Maschine stehen und drehte ihm ihr verblüffend täuschendes Gesicht zu. "Komm mit."
Mehr sagte sie nicht, bevor Harmii sich wieder umdrehte und den Weg fortsetzte, eiliger diesmal. Micky folgte, zu sehr von der Stimme verwundert, die ebenfalls so…menschlich klang, als dass er die plötzliche Eile hätte bemerken können.

Als Harmii die schwere Tür nach draußen mühelos aufstieß, schlug dem Rothaarigen eiskalte Luft entgegen. Über ihnen flimmerte der klare Sternenhimmel, der Sand war in blasses Mondlicht getaucht und Micky sah die Schatten der hohen Dünen und ihre Silhouetten am Horizont.
Mit wachsender Unruhe sah er mit an, wie Harmii eine Shotgun von seinem Rücken löste, lud und entsicherte und ganz automatisch glitt auch Mickys Hand zu seiner Waffe und er machte sich bereit zu schießen. So ganz geheuer war ihm das hier sowieso nie gewesen und konnte man einer Maschine überhaupt jemals trauen? Solange sie mit einer Waffe herumlief vermutlich nicht!
"Da hinten kommen sie."
"Da hinten?! Wo hinten und wer?!" Seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
Er erhielt keine Antwort, stattdessen bedeutete im Harmii, dass er leise sein sollte und versteckte sich, die Waffe noch immer im Anschlag, hinter einem Stein. Intuitiv hockte sich Micky neben ihn und Sekundenbruchteile später hörte er laute Stimmen und schwere Schritte unweit von ihnen, die den wirren Befehlen zu folgen schienen.
"Halt die links auf, ich übernehme den Rest", murmelte M10Harmii, sein Gesicht blieb völlig regungslos und der Gedanke, dass ihre Basis gerade überrannt zu werden drohte, schien ihn weder zu stören noch zu beeindrucken.
Dann ohne weitere Vorbereitung sprang Harmii zur Seite hinter dem Stein vor und schoss zwei der angreifenden Soldaten wieder, während Micky noch überfordert die Schussgeräusche und die Schreie wahrnahm. Einen Moment lang starrte er auf die übermenschlich schnellen Bewegungen seines neuen Partners, ehe er sich endlich zusammenraffte und die Waffe auf ihre Feinde richtete.
In der tiefschwarzen Dunkelheit fiel es ihm schwer überhaupt zu sehen, wer ihm gegenüberstand und  noch schwerer einzuschätzen, wohin genau er schießen musste.
Er hörte Kugeln an seinen Ohren vorbeischnellen und im Sand landen, aber er entging allen Schüssen und gab ab und an selbst welche ab, deutlich zielgenauer als die überraschten Soldaten. Es hatte schließlich einen Grund, warum er in dieser Position war und man ausgerechnet ihm diese Maschine als Partner zur Seite stellte!

Als nach wenigen Minuten wieder Stille einkehrte, sank Micky vollkommen erschöpft zu Boden und ließ die Waffe fallen und schloss die Augen für ein paar Sekunden. Sein Herz raste und er wusste nicht, ob es die Panik war, die ihn während des Angriffs schier überrollt hatte oder die Erleichterung, dass er es geschafft hatte. Vor ihm tauche Harmii auf, senkte die Waffe und sah ihm stumpf in die Augen, bevor er die Hand ausstreckte und Micky aufhalf.
"Danke Harmii", murmelte er, doch die Maschine erwiderte nichts. Vermutlich war es ihm egal, dass er Mickys Leben gerettet hatte - das hatte er definitiv, denn ohne ihn hätten sie den Angriff niemals rechtzeitig bemerkt - und er empfand wohl auch sonst nichts. Aber was sollte er auch von einem Roboter erwarten?
Eigentlich war es ja auch egal, er konnte wenigstens behaupten, dass er Harmii irgendwie…mochte, so als Partner. So wie man eben eine Kriegsmaschine mögen konnte, die erbarmungslos Menschen umbrachte, wenn das ihr Auftrag war.

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