Kapitel 1

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„Diese Stadt wird für immer so verrückt bleiben.", sagt Chuck zu seinem Kollegen und zieht ein letztes Mal von seiner Zigarette. „Da hast du Recht. Dieser ''Joker'' hat für immer diese Menschheit geprägt. Das Chaos beginnt jetzt erst richtig...", antwortet dieser. „Chuck! Mathew! Ihr seid dran!", schallt es bis raus auf den Balkon, auf den die Beiden stehen. Sie drücken ihre Zigaretten aus und gehen wieder in das alte Gebäude, die Treppen runter, bis hinter die Bühne. Man hört das Publikum klatschen und jubeln. Mathew wirft einen letzten Blick in den Spiegel und richtet seine Clownsnase.

„Und jetzt, meine Damen und Herren, kommen die Clownsbrüder Matt und Ted! Applaus bitte!"

Im hintersten Zimmer des Theaters sitzt Violet. Ein junges Mädchen mit schulterlangen, rabenschwarzen Haaren. Sie kämmt ihren Pony zurecht und lächelt sich selbst im Spiegel an. Doch schon bald hört sie auch wieder damit auf. Ihre Augen strahlen nicht, ihre Mundwinkel gehen trotz Lächeln nach unten. „Ich bin kein glücklicher, fröhlicher Clown. Man könnte mich eher auf einer Beerdigung anstellen als auf einem Kindergeburtstag.", sagt sie zu sich selbst. Sie grinst leicht und starrt runter auf ihre Hände.

Ein Klopfen reißt Violet aus ihren Gedanken. Etwas panisch blickt sie auf: „Herein!" Ihr Boss kommt in den Raum: „Die Jungs sind gleich durch. Dann bist du dran." Violet nickt ihm zu und schon ist er wieder raus. „Das Leben muss mir endlich mal eine Beförderung geben..." Sie nimmt ihre Requisiten und geht ihrem Boss hinterher zur Bühne.

Später an diesem Abend sitzt sie zusammen mit Chuck und Mathew auf der Couch im Hinterzimmer. „Du warst heute viel besser als sonst, Violet!", sagt Chuck. „Damit meint Chuck natürlich, dass du sonst gut bist aber diesmal sehr gut warst! Du warst nie schlecht!", antwortet Mathew hastig. „Genau das hatte ich doch gesagt?!", erwidert Chuck. „Nein, du hast es so gesagt, als wäre sie sonst schlecht und war nur dieses Mal gut!" Beide verfallen in einen Streit und werfen mit Wörtern nur so um sich. Violet schaut den Beiden lächelnd zu und zieht von ihrer Zigarette. Da kommt plötzlich ihr Boss rein: „Hey, Leute! Hört mal zu! Wir müssen die Clown-Nummern absagen. Wegen der Vorfälle in der Stadt haben die Menschen Angst vor Clowns. Also entweder sucht ihr euch was Neues raus, oder ihr seid gefeuert. Es tut mir wirklich leid."

Mathew und Chuck gucken sich verwirrt gegenseitig an. „Aber wir haben doch so lange für die Rollen trainiert!", sagt Violet empört. „Es tut mir wirklich leid, Violet. Aber wir wollen doch alle Geld verdienen. Und wenn wir weiter Clowns zeigen, kriegen wir weniger Geld. Heute waren schon wieder weniger Menschen da als vor zwei Wochen. Wir machen sonst nur Minus! Also entweder, ihr sucht euch ein neues Thema, oder eine neue Arbeit.", und mit diesen Worten verlässt er auch schon wieder den Raum.

„Na toll...und was sollen wir jetzt machen?", fragt Mathew in die kleine Runde. „Ich denke mir schon was aus...", meint Violet und steht auf. Sie drückt ihre Zigarette aus, schnippst sie gegen Chuck's Schulter und geht aus der Hintertür raus.

Violet geht ziellos in den Straßen Gothams rum. Da sieht sie eine Menschenmenge mit Schildern und Clownsmasken auf sie zukommen. „Jetzt verstehe ich, wieso die uns Clowns hassen...Dieser ''Joker'' hat meinen Beruf kaputt gemacht...", denkt sie. Die Menge kommt immer näher. Ehe Violet sich wegbewegen konnte, war sie auch schon mitten in den Demonstranten. „TÖTET DIE REICHEN!", kommt es von einer Seite. „UNSER LEBEN IST GENAUSO VIEL WERT WIE EUERS!", von einer anderen. Violet blickt sich verwirrt in der Menge um. Da kommt jemand von hinten und setzt ihr eine Clownsmaske auf. „Hey!", ruft sie wütend dem Mann hinterher. Da erblickt sie drei Streifenwagen vor sich, mit sechs Polizisten. Sie versperren die Straße und halten ihre Waffen bereit. „Scheiße! Was mach ich denn jetzt?! Lieber die Maske aufbehalten. Nicht, dass ich aus der Menge gezogen und verhaftet werde...Ich gehöre hier gar nicht dazu!", denkt sich Violet und sucht mit ihren Augen nach einem Ausweg aus der Situation. Sie guckt hinter sich und erkennt ihre Chance. Vorsichtig duckt sie sich und bahnt ihren Weg raus aus der Menge. „Ey! Was machst du denn da?!", ruft ihr ein Polizist zu, der gerade erst mit seinem Auto angekommen ist. Schnell rennt Violet los, der Polizist hinter ihr her. „Bleib sofort stehen!", schreit er laut. „Scheiße! Ich kann durch diese verdammte Maske nichts sehen! Wo soll ich denn nur hin?!", denkt sich Violet. Sie rennt fast blind in eine Seitengasse und dort die Feuerleiter eines Gebäudes hoch. Der Polizist kommt keuchend bei ihr an: „EY! KOMM SOFORT DA RUNTER!" Violet blickt runter zu ihm und sieht, wie er seine Waffe rausholt. Panisch klettert sie schnell weiter. Schüsse treffen links und rechts von ihr ein. „Nur noch ein kleines Stück! Bitte, lass mich das schaffen!", hofft sie ängstlich. Sie schafft es zur Dachkannte und zieht sich rauf. Auf dem Dach stehend, schaut sie sich um. „Wohin jetzt?! Was soll ich machen?!" Violet rennt weiter zur anderen Seite des Daches. Nur ein dünner Spalt trennt das Haus, auf dem sie steht, und das Haus daneben, voneinander. Violet nimmt etwas Anlauf und springt auf das andere Dach. „Haha! Schnell weg hier!", sie lacht und rennt weiter zum nächsten Dach und springt.

Nach 30 Minuten kommt Violet endlich bei der Straße an, zu der sie eh wollte. Sie schmeißt die Clownsmaske in eine Mülltonne und geht zu der alten, modrigen Tür. Noch enthusiastisch von ihrer Dach-Flucht, klingelt sie beim Namen „Brown".

„Ja?", fragt eine rauchige Männerstimme durch die Sprechanlage. „Ich bin's, Vio!", trällert Violet freudig. Der Türöffner summt, Violet drückt gegen die Tür. Sie geht ein Stockwerk hoch. Ein schmaler, junger Mann mit Zigarette in der Hand steht vor ihr. Es ist ihr Freund Louis. Violet geht auf ihn zu und umarmt ihn. „Na Babe?", flüstert er in ihr Ohr. Die Beiden küssen sich und gehen dann zusammen in die Wohnung. „Wie war deine Show?", fragt Louis. „Naja...wir sollen nicht mehr als Clowns auftreten, da wir sonst die Leute verschrecken.", erklärt Violet. Louis nickt nur und zieht von seiner Zigarette. „Ich hab Gras da. Wollen wir?", fragt er und grinst. Violet nickt und lächelt.

„Wo warst du?!", fragt Violet's Vater, Markus. „Ich war noch bei Louis.", sagt Violet noch unter Drogen und versucht an ihrem Vater vorbei zu gehen. Doch der hält sie am Arm fest: „Bei Louis?! Um die Zeit?!" Er riecht an ihr. Sein Blick verfinstert sich noch mehr: „Du hast doch schon wieder irgendwas genommen!" Ein lauter Knall schallt durch die kleine Wohnung. Violet hält sich vor Schmerz ihre Wange. „Und jetzt geh in dein Zimmer! Ich will nichts mehr von dir hören heute Nacht! Du musst morgen fit sein!", schreit er sie an und zeigt zu der letzten Tür im Flur. Ohne wiederworte geht Violet an ihm vorbei in ihr Zimmer. Sie schließt leise die Tür und legt sich in ihr Bett. Eine Träne fließt ihre Wange entlang. „Ich muss hier endlich weg. Ich will mein eigenes, freies Leben führen!"

JOKER Die Geschichte der Violet Summer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt