Kapitel 8

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Ich setzte mich in eines der beiden übrigen Beiboote. Jack stieg mir alleine nach und macht das Tau los, dass uns noch mit dem Steg verband. Dann griff er nach den Rudern und begann zu paddeln. William und Gibbs waren die letzten am Hafen und nahmen das letzte. Es war genügend Abstand zwischen den Booten, da die Crew schon ein gutes Stück vor uns schipperte, um sich ungestört zu unterhalten.

„Fehlen bloß noch ein gerüschter Spitzensonnenschirm und ein Picknickkorb, oder mein Herzallerliebster?" meinte ich gespielt süßlich während ich übertrieben elegant die Beine übereinander schlug und mit den Wimpern in seine Richtung klimperte. Jack verdrehte die Augen grinste mich aber an. „Aber mit Rum!" stellte er als Bedingung. Natürlich mit Rum, für was für einen Unmenschen hältst du mich denn? Ohne wäre dieser ganze elegante Firlefanz doch nicht aushaltbar." entgegnete ich mit einer Grimasse bei der Vorstellung in ein Korsett gequetscht, mit weißgepuderter Perücke und Visage und einem überdimensionalen Vogelkäfig auf den Hüften ein feines Picknick mit viel Gekicher und Tratsch im großen Schlosspark zu halten. Eine wahrlich grausige Vorstellung. 

Wir mussten beide lachen. Doch als ich einen Blick über Jacks Schulter warf, erkannte ich das Turner uns beobachtete. Ich warf Jack einen vielsagenden Blick zu und er verstummte daraufhin. Die darauffolgenden wenigen Sätze unserer, bewusst nebensächlichen, Unterhaltung über die ständig abnehmende Qualität des Rums in Tortuga, führten wir auf Englisch weiter. Als wir das Schiff erreichten stieg ich vor Jack die Treppe hinauf. Kaum das wir oben waren, begann Jack Befehle über das Schiff zu rufen.

Ich beschloss ihm die Arbeit zu überlassen ging zur Reling um auf das nun seelenruhige Tortuga zu blickten. Was für ein Unterschied es doch war sobald die Sonne wieder am Himmel stand. Neben mir stiegen die beiden letzten Crewmitglieder an Bord. Ich kam mir ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen vor. Meine Position war die des Captain doch diese besetzte ja schon Jack. Da ich nichts Besseres wusste was ich tun sollte ging ich zu Jack der am Steuerrad stand. Die Segel über mir wurden gehisst und der Anker hochgezogen. Das Schiff setzte sich in langsam Bewegung und segelte geschickt aus dem Hafen.

Ich schaute über Jacks Schulter ebenfalls auf den Kompass den er in der Hand hielt. Es war nicht irgendein Kompass, er zeigte immer genau in die Richtung in der das größte Herzensbegehren des Träger lag. Ein wirklich praktisches Geschenk von TiaDalma. „Nächster Halt, Isla de Muerta" flüsterte ich. Ich grinste ihn böse an. „Meine Perl, wir kommen." meinte er und klappte den Kompass zu. Ich verdrehte vergnügt die Augen. 

Ich komm mir vollkommen überflüssig vor, Jack. Und wenn du glaubst dass ich mich an den Herd stelle, hast du dich gewaltig geschnitten." Jack starrte nachdenklich in die Ferne. Du könntest den Männer richtig Feuer unterm Hintern schüren, aufpassen dass sie alles richtig machen." Ich sah ihn skeptisch an, erhob mich jedoch doch von der Kiste auf der ich gesessen hatte. Gelangweilt ging ich über das Deck und überprüfte die Arbeit der Crew. Irgendwann sah ich William vorne an der Reling stehen, gedankenverloren in die Ferne starrend.

„Elizabeth, hu?" meinte ich hinter ihm. Turner fuhr zu mir herum. Ich lehnte mich rücklings an die Reling, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute ihn an. Er mied meinen Blick. Weichei. „Du magst dieses Mädchen wohl sehr, hm!" stellte ich verheißungsvoll fest. „Sie ist die Tochter des Gouverneur und ich, ich bin einfacher Waffenschmied und noch dazu der Sohn eines Piraten." antwortete er niedergeschlagen.

„Ich kannte deinen Vater" sagte ich. Williams Blick schoss zu mir. „Zwar nicht gut, aber gut genug um sagen zu können das er ein sehr guter Mann war." hängte ich noch schnell hinten an. „Weißt du, für dich sind alle Piraten besinnungs- und gottlose Mörder. Doch das heißt nicht dass alle schlechte Menschen sind." Er starre mich ungläubig an. „Ich habe nie gesagt dass ich zu diesen guten Menschen gehöre." fügte ich mit einem Schulterzucken und einem bösen Grinsen an. ,,Weißt du," begann ich erneut, ,,falls es einen Gott, und dieses ganze Gefasel von Himmel und Hölle, wirklich gibt, dann hat mein Schiff schon vor vielen Jahren Segel gesetzt und ist ohne mich abgehauen. Das Schiff, dass ich im Endeffekt bestieg, hat mich so weit in die ,,falsche" Richtung gesegelt dass kein Ablassbrief dieser Welt mich noch retten könnte." lachte ich.

,,Ihr hättet auch ein anders Schiff besteigen, oder ein Beiboot abseilen lassen und zurück zum Ufer ruder können." meinte Will nachdenklich. Ich gab ein schallendes Lachen von mir. "Und dann was? Als Hexe oder Dämon verbrannt werden? Oder wenn dieser Fall nicht eingetreten wäre, was dann? Hätte ich vielleicht als Bäckerin, Schneiderin oder Wäscherin anfangen sollen? Mit diesen Dingern vor allem?" Ich hob demonstrativ meine Hände um meine Krallen zu zeigen. ,, Zudem, wer hätte mich denn genommen? Natürlich hätte ich mir natürlich einen Mann suchen können, der mich heiratet, die Familie versorgt und zwölf vollkommen normale Kinder bekommen können." Ich blinzelte ihn zuckersüß lächelnd an. Den letzten Satz hatte ich in einem spöttisch glücklichen Ton gesagt.

Als von ihm keine Reaktion auf die unrealistische Darstellung meines Lebens mehr kam erhob ich mich um zu gehen, drehte ich mich jedoch noch einmal zu ihm um. „Ach ja, bevor ich es vergesse." Er sah mich an. „Wenn sie dich auch liebt, wird sie mit dir gehen, egal ob du Adel, Waffenschmied oder Pirat bist."Ich spürte noch eine Zeit lang seinen Blick im Nacken, als ich mich wieder auf den Weg zurück zu Jack machte. „Seit wann gibst du Ratschläge?" fragte dieser mit hochgezogener Augenbraue. Ich verdrehte die Augen, sah mich kurz um, um sicher zu gehen, dass keiner zu sah, und zog Jack den Dreispitz tief ins Gesicht. Dieser grinste mich nur an und schob ihn wieder an seinen angestammten Platz.

Der Tag verging schnell, die Abenddämmerung war bereits verschwunden und hatte einer sternklare Nacht Platz gemacht. Die Männer lagen bereits in ihren Hängematten oder Ecken unter Deck. „Du schläfst übrigens in der Captainskajüte." bemerkte mein Bruder irgendwann nebenbei. „Aye, Aye Captain Sparrow, Sir." Salutierte ich spielerisch und verschwand bald darauf durch die Tür in den dunklen Bauch des Schiffes. Mit einer Öllampe suchte ich mir den Weg in die Capitainskajüte. Dort legte ich den Umhang ab, zog die Stiefel aus und warf mich ins Bett.

Viele wirre Gedanken schwammen mir durch den Kopf, die mich vom einschlafen abhielten. Ich drehte und wendete mich im Bett hin und her und konnte dennoch nicht anders als mich, einmal mehr, einsam zu fühlen. Im schwachen Licht der Öllampe betrachtete ich meine gebräunte Hand mit den langen, krallenartigen Nägeln abfällig. Dieser gottverdammte Fluch hatte mein Leben zerstört, mir meine Eltern und meinen Namen genommen, ich konnte nicht einmal zu meinem Bruder stehen, da dieser sonst wahrscheinlich als Bruder einer Hexe oder irgend so einem Schwachsinn verbrannt werden würde oder noch schlimmeres. Es war schon genug, dass ich deswegen Gefahr lief, und ich wollte diese Last, diese Gewissheit nicht auf meinen Schultern tragen. 

Der Fluch hatte mir auch die Hoffnung auf eine Beziehung genommen. Auf Liebe, eine Familie, Freunde. Ich meine, seht mich an, ich bin fast 30 und kam noch nie auch nur in die Nähe auch nur einer Freundschaft. Kein vernünftiger Mann würde sich mit einer Kreatur wie mir einlassen. Mit einem Seufzen ließ ich meine Hand auf die Matratze fallen. Ich schüttelte den Kopf, drehte mich um. Ich beschloss die Gedanken endgültig aus meinem Kopf zu verbannen. Ich brauchte allen Schlaf den ich kriegen konnte, bevor ich Jack am Steuerrad ablösen würde.

Red eye Cat - The curse of the Black PearlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt