02. Gelüste

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  »D-Darf ich dir einen Wein ausgeben?«, erklang eine unsichere Stimme hinter Patrick.

  Der Tänzer lächelte selbstsicher. Keine fünf Minuten hatte er auf ihn warten müssen. Er schwang mit seinem Barhocker um hundertachtzig Grad, sodass er dem Unbekannten in die Augen blicken konnte.

  »Sehr gerne«, antwortete er und zeigte mit einer legeren Armbewegung auf den Hocker neben sich.

  »Zwei Mal den besten Wein, den Sie haben«, bestellte der Unbekannte mit einer mittlerweile gefestigten Stimme, als er saß.

  Patrick lachte laut auf. »Bist du sicher, dass du das bezahlen kannst?«, mit dem Wissen, dass ein Glas des besten Weines genauso viel kostete, wie eine Nacht mit ihm.

  »Ja«, antwortete der Unbekannte und zog seine Augenbrauen verärgert zusammen.

  »Entschuldige, das war nicht nett von mir«, räusperte sich Patrick, setzte danach jedoch sofort wieder sein Grinsen auf und legte seine Hand, wie vorhin, auf den Oberschenkel seines Gegenübers.

  Patrick nippte an seinem Wein und genoss den samtigen Geschmack auf seiner Zunge. Noch nie hatte ihm jemand den teuersten Wein ausgegeben. Meistens bestellten ihm seine Freier Sekt, mittelklassigen Wein oder Martinis. Oft blieben die alkoholische Getränke halbvoll an der Bar zurück, weil die Männer zu ungeduldig waren und endlich mit ihm schlafen wollten. Doch Patrick hatte das Gefühl, das sein Gegenüber anders war als seine anderen Kunden.

  »Du bist das erste Mal hier«, sprach Patrick ihm zugelehnt. »Warum hier, warum ich

  »Ich-.«

  Die Unsicherheit war wieder da. Patrick wollte seinen Gegenüber nicht zu sehr einschüchtern, deswegen setzte er sich wieder aufrecht und nahm die Hand von seinem Oberschenkel weg. Normalerweise erzählten ihm die Kunden sofort, wer sie waren. Name, Alter, Lebensgeschichte, er wusste nicht wieso, aber sie teilten immer ihre langweilige Scheiße mit ihm. Er war der erste, der es nicht tat - und der einzige, bei dem Patrick interessiert war.

  »Ist schon gut«, grinste Patrick und nippte erneut an seinem Wein. »Das erste Mal ist immer ungewohnt. Aber bei mir bist du gut aufgehoben, Süßer. Vielleicht sollten wir das alles hier in mein Zimmer verlegen. Deswegen bist du doch da, mh?«

  Der Unbekannte bezahlte den Wein und Patrick zog ihn daraufhin sanft zu seinem Zimmer. Mit einer Chipkarte öffnete er dieses und ließ ihn eintreten.

  Patricks Raum war schlicht gehalten; es befand sich ein großes, schwarzes Bett und eine Kunstledercouch darin. In den Ecken standen große Topfpflanzen, mit LED-Streifen hatte er den Raum in ein gemütliches Rot gefärbt. Sein Weinglas stellte er auf einem Frisiertisch, wie er auch in der Umkleide stand, ab.

  »Setz dich, mach es dir gemütlich«, forderte er den Mann auf.

  Patrick lief auf ihn zu und übte mit seiner Hand Druck auf seiner Brust aus, sodass er gezwungen war, sich auf die Couch fallen zu lassen. Der Tänzer setzte sich auf seinen Schoß, sodass ihre Gesichter sich ganz nahe waren. Der Unbekannte sog die Luft scharf sein und schaute Patrick nervös an.

  »Willst du mir endlich deinen Namen verraten, Hübscher?«, fragte er und zwirbelte eine Strähne seiner Haare um seinen Zeigefinger.

  »Manuel«, keuchte der Mann unter ihm, schon sichtlich erregt von Patricks Gewicht auf ihm.

  »Manuel«, wiederholte der Tänzer. »Gefällt mir.«

  Patrick bewegte seine Hüften über Manuel und verschränkte seine Hände hinter seinem Nacken. »Keine Küsse auf den Mund und Fetische vorher mit mir absprechen«, hauchte er in sein Ohr und leckte das Ohrläppchen ab. »Verstanden?«

  »Verstanden«, antwortete Manuel und legte seine Hände zaghaft auf Patricks Hintern.

  Es war das erste Mal, dass Manuel seine Berührungen erwidert hatte. Patrick schmunzelte und liebkoste seinen Hals, während er weiterhin seine Hüften gleiten ließ. Manuel entfleuchte ein Keuchen und verlor sich ganz unter Patricks Hingabe.

  Laut atmend lagen die Beiden nackt im Bett. Patrick starrte zur Decke und wartete darauf, dass Manuel etwas sagte. Patrick mochte Stille nicht und wurde immer noch nicht schlau aus seinem Gegenüber. Er hatte kaum mit ihm geredet, beim Sex nicht gesagt, wie er es haben wollte und jetzt schwieg er weiterhin.

  Patrick stand vom Bett auf und zog sich wieder an. »Bist du immer so still?«, brodelte es schließlich aus ihm heraus, weil ihn die Stille verrückt werden ließ.

  »Nein«, sagte Manuel leise und lächelte schmal. »Das muss komisch rüberkommen, ich weiß. Neue Sachen machen mir... Angst und dann tendiere ich dazu, sehr wenig zu reden.«

  »Und trotzdem warst du hier«, grinste Patrick und strich ihm über die schmale Brust, die mittlerweile wieder von seinem T-Shirt verdeckt wurde.

  »Und trotzdem war ich hier«, antwortete Manuel gedankenverloren, zückte sein Portemonnaie und schaute seinen Gegenüber fragend an.

  »Das macht«, Patrick warf einen Blick auf die Uhr über der Tür. »350€, bitte.«

  Manuel zückte zwei gelbe Scheine und drückte sie dem Tänzer in die Hand. Bevor Patrick sich komplett umdrehen konnte, um ihm das Wechselgeld rauszugeben, griff Manuel ihm sanft am Arm.

  »Das stimmt so«, sagte er mit ruhiger Stimme.

  »Vielen Dank... dafür und für den Wein«, grinste Patrick und steckte sich die Scheine in den Bund der Boxershorts. Er öffnete dem Freier die Tür. »Manuel«, hauchte er seinen Namen. »Vielleicht sehen wir uns wieder. Du weißt ja, wo du mich finden kannst.«

  Patrick schenkte ihm sein schönstes Lächeln und beobachtete, wie er im schwach beleuchteten Gang in Richtung Ausgang lief.

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt