14. Kater

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  Patrick übergab sich doch noch auf dem Balkon und entschuldigte sich vielfach, weil er auch Manuels Schuhe getroffen hatte. Er wollte verschwinden, nach Hause, ihm nicht mehr in die Augen blicken, doch der Architekt bestellte den beiden ein Taxi zu sich nach Hause. Er wollte Patrick in diesem Zustand nicht allein lassen. Erst redete er Unsinn, dann übergab er sich und im Auto weinte er bitterlich, dass er so eine Zuneigung nicht verdient hatte. Manuel wusste nicht, was mit ihm los war - so hatte er ihn noch nie erlebt. Er war für ihn der selbstbewusste Tänzer, der mit jedem hemmungslos flirten konnte und die Welt nicht so ernst nahm.

  »Ich sollte wirklich zu mir«, jammerte Patrick, als sie die Stufen zu Manuels Hauseingang nahmen. »Ich sollte gar nicht hier sein.«

  »Ich will sichergehen, dass es dir gut geht«, sagte Manuel, während er die Tür aufschloss.

  Der Tänzer lief ihm torkelnd hinterher, nahm das Trinken an, was er ihm reichte und folgte ihm nach oben. Er bekam es gar nicht wirklich mit, wie Manuel ihn von seinen Klamotten entledigte und ihn unter die Dusche schickte. Irgendwann lag er nur mit einer Boxershorts in samtener Bettwäsche und kuschelte sich an ein Kissen.

  »Wie kann ich dir hierfür danken?«, murmelte Patrick.

  »Du könntest versuchen das Bett nicht vollzukotzen«, Manuel lachte kurz auf. »Soll ich woanders schlafen?«

  »Nein, nein, bleib hier.« Die Worte des Tänzers waren fast nicht zu hören, da er seinen Kopf unter die Decke gezogen hatte, aber sie hallten laut in Manuels Kopf wider.

  Am nächsten Morgen wachte Patrick mit brummendem Kopf in einem leeren Bett auf. Er blinzelte ein paar Mal, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte und schrak dann zusammen. Die Erinnerungen der gestrigen Nacht kamen lückenhaft zurück und dem Alkoholpegel nach zu urteilen, war der Tänzer froh, sich (noch) nicht an alles erinnern zu können.

  Er strich ein paar Mal über die Bettwäsche, in der er sich befand, ging sicher, dass der Architekt nicht in der Nähe war, und roch daran. In seinem Bauch startete ein Feuerwerk und er fühlte sich wieder wie vierzehn, als er zum ersten Mal verliebt war.

  »Manuel?«, rief er, als es Zeit für ihn war, aufzustehen, doch keiner antwortete ihm.

  Als er in der Nacht hier ankam, bekam er nichts mit. Deswegen erschien ihm das Haus wie ein Labyrinth. Überwältigt von der Größe, öffnete er ein halbes dutzend Türen auf dieser Etage und versuchte sich nicht in diesen umzuschauen, wenn er Manuel nicht darin vorfand.

  »Manu?«, versuchte er es erneut, als er oben am Treppengeländer stand.

  »Unten!«, rief ihm eine vertraute Stimme zu und er konnte nicht anders, als zu lächeln.

  Mit nackten Füßen tapste er die kalten Holzstufen nach unten und überflog hastig die Bilder, die an den Wänden der Wendeltreppe angebracht waren. Er blieb jedoch vor einem großen Bild stehen, auf dem der Architekt mit einem anderen Mann zu sehen war.

  »Keine Angst, ich habe dir keinen Ehemann verheimlicht«, kicherte Manuel, der nach ihm schauen kam. »Das ist Michael, mein bester Freund seit der Grundschule. Ihn hast du übrigens gestern kennengelernt, er arbeitet in meiner Firma.«

  Peinlich berührt lächelte Patrick schmal. »Ich kann mich nicht so wirklich an den Abend erinnern.«

  »Ist wahrscheinlich auch besser so«, lachte Manuel auf. »Komm mit in die Küche, ich habe uns Frühstück gemacht.«

  Obwohl der Architekt auch einen riesigen, gläsernen Esstisch besaß, hatte er das Essen auf der Bar angerichtet, die in der Kücheninsel integriert war. Patrick war hier, wie auch in den anderen Räumen, überfordert von der Größe und dem Luxus. Allein die Küche war so groß wie seine Wohnung.

  »Die Bodenheizung ist zwar an, soll ich dir trotzdem Socken holen?«, fragte Manuel besorgt. »Und ein T-Shirt. Ich meine, ich bekomme nicht genug von deinem Oberkörper, aber du frierst doch sicherlich.«

  »Nein, alles gut«, antwortete Patrick, als er sich auf einen der drei Barhocker schwang.

  Bodenheizung. Noch so eine Sache. Der Tänzer hatte sich zwar schon immer gedacht, dass Manuel viel verdienen musste, aber dass man als Architekt so wohlhabend war, war ihm nicht bewusst gewesen. Er hatte den Drang, sich das ganze Haus anzuschauen, aber erstmal widmete er sich dem Frühstück.

  Vor ihm standen Pancakes mit allerlei Früchten und Ahornsirup, Rührei, ein frischgebrühter Kaffee und gepresster Orangensaft. Der Tänzer fühlte sich wie im Paradies.

  »Das schmeckt fantastisch«, lobte er Manuel und merkte direkt, wie das Essen und der Kaffee den Kater minderten.

  »Das freut mich«, der Architekt spielte mit ein paar Blaubeeren auf seinem Teller, ließ die Gabel doch plötzlich laut auf den Tresen fallen. »Patrick, ich weiß nicht, ob es mir zusteht dich zu fragen, aber du hast mir gestern viel erzählt. Nur - es hörte sich so wirr an und ich würde gerne wissen, was du mir sagen wolltest.«

  Der Tänzer verschluckte sich an seinem Orangensaft und hustete. »Wahrscheinlich habe ich nur Quatsch erzählt.«

  »Das glaube ich weniger.«

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt