07. Zweifel

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  Patrick konnte nicht anders. Er musste zusagen, denn er brauchte das Geld. Nur deswegen machte er das, redete er sich immer wieder ein, während er schweigend neben Manuel lief und sein schneller schlagendes Herz ignorierte. Ihre Finger hielten sie verschränkt, während sie am Rhein entlang spazierten.

  »Wo möchtest du essen gehen?«, fragte Manuel nach einer langen Zeit des Schweigens.

  »Du bezahlst, also solltest du aussuchen«, antwortete Patrick schnippisch.

  Der Architekt blieb ruckartig stehen und zog den Kleineren durch das Händehalten zurück, sodass dieser nach kurzem Taumeln direkt vor ihm stand. Patrick schluckte schwer und schaute tief in Manuels satte, grüne Augen, die enttäuscht funkelten. Der Architekt machte noch einen Schritt auf ihn zu, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten.

  »Wir können das Ganze hier abbrechen, wenn du nicht weitermachen willst«, knirschte Manuel verärgert und löste seine Finger von Patricks. »Du bekommst dein Geld trotzdem, schließlich habe ich es dir versprochen.«

  Patricks Hand fing unkontrolliert zu zittern an, nachdem Manuel sich von ihm gelöst hatte. Er fühlte sich schuldig. Sein Verhalten war trotzig und ihm ungerecht gegenüber. In seinen Gedanken versunken bekam er fast nicht mit, wie Manuel mit langen, festen Schritten davonlief und ihm am Ufer des Rheins stehenließ.

  »Manu!«, rief er laut und joggte dem Architekten hinterher.

  Als er auf seiner Höhe war, griff er diesmal nach seiner Hand und versuchte ihn somit umzudrehen, doch Manuel blieb stur.

  »Ich bringe dir das Geld morgen vorbei, mach dir keine Sorgen«, sprach er tonlos, ohne den Kleineren dabei anzuschauen.

  »Es tut mir leid«, sagte Patrick und drückte seine Hand, um das Gesagte zu unterstützen.

  »Lass mich jetzt gehen«, wurde Manuel lauter und vorbeigehende Menschen drehten sich zu ihnen um. »Oder willst du das Geld jetzt schon haben, ist es das?«

  Patrick erschreckte sich vor seiner lauten Stimme. Noch nie hatte er ihn so erlebt - wie auch, er war schließlich sein Ventil gewesen, um all den Frust loszuwerden. Und jetzt wendete sich das Blatt und er war schuld. Während Manuel sein Portemonnaie herauskramte, versuchte der Tänzer vergeblich ihn umzustimmen. Er strich ihm über den Oberarm, entschuldigte sich erneut, flehte ihn sogar fast an, sein Gesagtes zu vergessen, während er sich gleichzeitig fragte, was den Architekten so enttäuscht hat werden lassen. Es war doch immerhin alles abgesprochen. Manuel war sein Kunde, dieses Treffen war nur durch die Bezahlung entstanden und jetzt regte er sich so auf, weil der Tänzer den falschen Ton getroffen hatte.

  »Ich will nicht, dass du mir das Geld gibst«, sagte Patrick, eingeschüchtert von seinem Verhalten. »Ich will mit dir essen gehen. Italienisch, wenn es dir passt. Bitte, Manuel, ich wollte so nicht reagieren. Nehm' es mir nicht übel.«

  »Wenn du es weit hast, rufe ich dir noch ein Taxi«, hauchte Manuel, sodass man ihn fast nicht verstand. »Aber wir sollten den Tag hier jetzt abbrechen.«

  Wutentbrannt schlug Manuel seine Eingangstür in den Rahmen, sodass das Glas zitterte. Er streifte sich die Schuhe von den Füßen, sodass diese unachtsam im Flur liegenblieben. Seine Schläfen puckerten, während er die Treppenstufen hochstürmte, um sein Gesicht in der frisch bezogenen Bettwäsche zu vergraben.

  »Du Idiot«, schrie er in das Kissen, doch der Stoff verschluckte die Worte.

  Schon lange hatte Manuel keine Beziehung mehr gehabt. Keine Zeit und zu viel Stress waren seine Ausreden gewesen. Als er auf den Nachtclub gestoßen war, schien es die perfekte Lösung zu sein. Sex ohne Verpflichtungen, die Bezahlung ausgenommen. Doch als er Patrick tanzen sah, war es schon um ihn geschehen. Die gezielten, grazilen Bewegungen, sein Lächeln, das Wissen, wie er mit dem Publikum flirten musste. Manuel wusste sofort, dass er der Richtige war.

  Zuerst hatte er sich seine Gefühle ausgeredet, er konnte sich nicht in einen Sexarbeiter verlieben. Doch mit jedem Treffen wurde das Feuerwerk in seinem Körper größer. Er genoss die Zeit mit ihm so sehr, dass der Sex teilweise schon fast Nebensache war, wenn sie danach Körper an Körper im Bett lagen und einander Geschichten erzählten.

  Ein Treffen außerhalb des Clubs schien die perfekte Gelegenheit zu sein, den Tänzer noch näher kennenzulernen und ihm die Möglichkeit zu bieten, auch seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Wie konnte er nur so naiv sein? Wie konnte er nur eine Sekunde daran verschwenden zu glauben, dass Patrick auch für ihn Gefühle hegen würde? Es war das Geld gewesen, weshalb er zugestimmt hatte. Das wurde Manuel nun auch endlich bewusst.

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt