01. Blicke

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  Seitdem Patrick entschieden hatte, nicht nur für sein Geld zu tanzen, sondern auch Sex anzubieten, war mittlerweile ein halbes Jahr vergangen. Am Anfang kam er nach seiner Arbeit nach Hause und duschte sich so heiß ab, dass seine Haut gereizt davon war, und fühlte sich danach immer noch dreckig. Er wollte seine Entscheidung rückgängig machen, bis er bemerkte wie viel Geld er mit Sex verdiente.

  Es hatte Monate gedauert, bis er sich ohne Ekel im Spiegel anschauen konnte, doch mittlerweile machte es ihm Spaß. Er konnte sich die Freier aussuchen, nachdem er sich einen Namen gemacht hatte. Würde er nur auf seine Stammkunden vertrauen, machte er mehr als genug Geld.

  In der Umkleide roch es nach After Shave und Haarspray. Patrick war in seinem Handy vertieft, während seine Kollegen sich fertig machten oder durch den Vorhang schmulten, wer heute Abend alles gekommen war.

  »Schau dir den mal an«, kicherte Tim und winkte einen Kollegen zu sich heran. »Hat wohl vergessen die Haare zu waschen. Und wie er mit so einem labbrigem Shirt reingekommen ist, versteh ich auch nicht.«

  »Meinst du, der hat überhaupt genügend Geld bei? Ich meine, er sitzt in der ersten Reihe, da wird er nicht nur unsere Einlage auf der Bühne sehen wollen«, lachte der Kollege.

  »Also ich fass' den nicht an«, sagte Tim angeekelt und stolzierte vom Vorhang weg.

  Nun war auch Patricks Interesse geweckt. Er hielt normalerweise nichts von den Lästereien seiner Kollegen, aber auf den sozialen Medien gab es nichts Spannendes mehr zum Anschauen. Er ließ also sein Handy im Spind verschwinden und zog den schwarzen Samtvorhang minimal zur Seite, sodass man vorne nicht sehen konnte, dass er die Kundschaft begutachtete.

  Er ließ seinen Blick umherwandern, bis er denjenigen entdeckte, über den seine Kollegen geredet hatten. In der ersten Reihe saß ein schlanker, junger Mann, der nervös mit seinen Fingern spielte. Seine dunkelbraunen Haare gingen ihm bis zur Schulter und ja - sahen in dem bunten Licht ein wenig fettig aus. Er trug eine lockere schwarze Hose und ein bedrucktes T-Shirt mit V-Ausschnitt und während Patrick sich Gedanken über den Kleidungsstil des Mannes machte, fiel ihm auf, dass er Sympathien für ihn entwickelte. Er wollte wissen, was hinter dem nervösen, fast ängstlichen Blick und den komischen Klamotten steckte.

  »Keine Angst«, grinste Patrick selbstsicher und ließ den Vorhang los. »Ich nehme ihn.«

  »Das kannst du nicht ernst meinen«, lachte Tim verunsichert.

  »Oh doch«, Patrick verlor sein Grinsen nicht. »Irgendwas Süßes hat er an sich.«

  »Oh, mein Schatz, kein Wunder, dass du nichts mit mir anfangen willst, wenn du auf so etwas stehst«, klagte Tim theatralisch.

  »Du weißt welche Raumnummer zu mir gehört«, zwinkerte Patrick.

  Patrick wusste, dass Tim schon immer etwas für ihn übrighatte, doch er konnte nichts mit seinem Kollegen anfangen. Es war nicht so, dass er nicht sein Typ war, aber er würde ihn zu sehr davon ablenken, weshalb er das hier überhaupt machte. Zumal Patrick Tims Stammkunden kannte und diese ekelten ihn alle an.

  Wenn Patrick auf der Bühne stand, gehörte sie nur ihm. Er wusste, wie er mit dem Publikum flirtete und wie man den Männern das zeigte, was sie sehen wollten. Es war nicht nur sein muskulöser Körper, es war das Spiel mit ihnen und seine Augen, die im Scheinwerferlicht gefährlich funkelten.

  Schon während Patrick sich auf der Bühne rekelte, konnte der Unbekannte seine Augen nicht von ihm lassen. Als der Tänzer das bemerkte, versuchte er seine Aufmerksamkeit auch heimlich auf ihn zu lenken. Er wollte ihm zeigen, dass er diese Nacht ihm gehörte.

  »Er hatte nur Augen für dich«, neckte ihn Tim, während sie sich nach dem Auftritt auffrischten.

  »Ich weiß«, grinste Patrick, während er seine Haare zurecht machte. »Mal sehen, was jetzt passiert.«

  Tim schüttelte seinen Kopf, doch Patrick war schon in Richtung Lounge verschwunden. Er stolzierte erhobenen Hauptes in den großen Raum rein, doch es schien ihn keiner zu beobachten. Normalerweise würde ihn das sauer machen, doch gerade kamen weitere Kollegen auf die Bühne und die Musik wurde wieder lauter.

  Patrick war eigentlich immer in der letzten Runde dabei, doch sein Chef hatte den Plan verändert, sodass er mit Tim und zwei weiteren den ersten Auftritt des Abends hatte. Als er von der Änderung erfuhr, war er zuerst nicht zufrieden gewesen, doch irgendwann hatte er bemerkt, dass er dadurch zwei oder sogar drei Freier an einem Abend schaffte. Jedoch würde am heutigen Abend seine ganze Aufmerksamkeit auf dem Unbekannten mit den nervösen Augen liegen.

  Patrick schlängelte sich durch die Reihen, lüsterne Angebote vieler Männer ignorierend, mit nur einem Ziel vor Augen. Als er den dunkelbraunen Haarschopf von hinten erblickte, verschnellerte sich sein Schritt, bis er sich neben ihn auf die gepolsterte Bank niederließ.

  »Guten Abend, mein Süßer«, hauchte er dem Unbekannten ins Ohr und stützte seinen Arm auf seinem Oberschenkel ab.

  Der Mann zuckte so stark zusammen, dass Patrick ein Kichern unterdrückten musste. Wie süß er doch war. Und so unschuldig.

  »Dich zu erschrecken war nicht meine Absicht«, sprach Patrick weiter, diesmal mit etwas Abstand, doch seine Hand ruhte immer noch auf seinem Oberschenkel. »Du konntest deine Augen nicht von mir lassen, als ich getanzt habe. Gefalle ich dir?«

  Sein Gegenüber lief rot an und nickte kaum bemerkbar. Patrick verstärkte den Griff seiner Hand - er hatte ein leichtes Spiel.

  »Nun, Süßer, die Nacht ist jung«, schnurrte Patrick und suchte den Blickkontakt. »Wenn du Lust auf mehr hast, ich werde an der Bar auf dich warten.«

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt