20. Versöhnung

417 54 5
                                    

  Patrick hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen und kaute an seinen Fingernägeln. Eigentlich hatte er sich das schon vor Jahren abgewöhnt, aber er konnte gerade nicht anders. Sein Herz schlug wie wild und er war der Meinung, nicht genügend Luft zu bekommen.

  »Komm schon«, sprach er zu sich selbst, als er seinen Finger über das Namensschild kreisen ließ.

  Sein Kopf brummte wie wild, seine Gedanken schwirrten umher, ohne einen roten Faden zu bilden. Sollte er oder sollte er nicht? Wollte Manuel ihn überhaupt sehen? Er würde es nie herausfinden, wenn er nicht jetzt die Klingel betätigen würde. Also drückte er.

  Nachdem er das Läuten vernahm, wollte er am liebsten umdrehen und wegrennen. Er wusste nicht, ob er Manuel nach fast zwei Monaten wieder in die Augen schauen konnte. Seine wunderschönen, grünen Augen. Schon allein der Gedanke daran, dass der Architekt ihn wieder verliebt ansehen würde, ließ ihn ganz schwindelig fühlen.

  Als die Tür aufging und Manuel plötzlich vor ihm stand, hielt der Tänzer unbewusst die Luft an. Seine Haare waren noch länger als sonst und er trug eine Jogginghose und ein ausgeblichenes T-Shirt. So kannte er den Größeren gar nicht, aber es machte ihn nicht weniger schön.

  »Patrick«, sagte Manuel mit zitternder Stimme und schaute ihn mit hoffnungsvollem Blick an.

  »Hey«, murmelte der Tänzer und trat einen Schritt näher auf ihn zu. »Darf ich rein?«

  Der Architekt trat zur Seite, sodass sie sich keinesfalls berühren konnten, als er in das Haus trat. Patrick fühlte immer noch den Fluchtinstinkt in ihm, versuchte ihn jedoch zu ignorieren. Schweigend liefen die beiden in die Küche, Manuel goss ihm ein Glas Wasser ein und stellte es auf den Bartresen.

  Sie gingen miteinander um wie schüchterne Teenager. Keiner traute sich etwas zu sagen, den ersten Schritt zu wagen, und hofften, ihr Gegenüber konnte das für sie unternehmen. Sie beobachteten sich innig, Patrick fokussierte seinen Blick auf Manuels Lippen. Ihm war noch nie aufgefallen, wie wohlgeformt sie waren. Das sanfte Rosa forderte ihn fast dazu auf, geküsst zu werden. Konnte er das einfach so machen? Nach Wochen ohne Kontakt ihn mit einem Kuss überfallen? Es fühlte sich nicht richtig an.

  »Ich habe dich vermisst«, sagte Patrick stattdessen, doch auch das fühlte sich falsch an.

  Manuel stieß sich von der Küchenzeile ab und trat langsam auf den Kleineren zu. Mittlerweile wechselte das Schauspiel von schüchternen Teenagern zu Raubtieren im Kampf. Ihre Blicke trennten sich nicht voneinander, sie beobachteten ganz genau, was der Andere machte. Wie nah würde Manuel auf ihn zukommen? Würde Patrick weiterhin wie angewurzelt stehenbleiben?

  Der Architekt blieb nah vor dem Kleineren stehen und hob zitternd seine Hand, um sie ihm sanft auf die Wange zu legen. Er unterbrach ihren Augenkontakt nicht; er musste sofort mitbekommen, wenn er zu schnell handelte. Noch einmal verlor er ihn nicht. Er strich mit seinem Daumen über seine Wange, während sich die Finger in den Haaren hinter seinem Ohr verfingen.

  »Verlass' mich nie wieder«, hauchte Manuel, fast unhörbar.

  In seinen Augen bildete sich ein Schleier von Tränen, sodass er den Tänzer nur noch verschwommen wahrnahm. Er blinzelte, damit die Tränen ihren Weg an seinen Wangen entlang finden konnten und lächelte leicht. Er war glücklich. Er hatte nicht alles vermasselt. Patrick war zu ihm gekommen.

  »Küss mich«, flüsterte der Kleinere und schlang seine Arme wollend um Manuel.

  Der Architekt tat wie befohlen; er legte seine heißen Lippen auf die des Kleineren. Patricks kompletter Körper fing an zu kribbeln und er kam ihm automatisch noch näher. Nichts war ihm in diesem Moment wichtig, außer Manuel. Manuels Lippen auf seinen, Manuels Hände in seinen Haaren, Manuels warmer Atem auf seiner Haut.

  »Scheiße«, fluchte Patrick außer Atmen, legte seinen Kopf schräg und intensivierte den Kuss.

  Das war alles, wovon Manuel geträumt hatte, seitdem er den Kleineren zum ersten Mal auf der Bühne sah. Ihn in seinen Armen, ihre Lippen aufeinander. Sein Körper fühlte sich so heiß und doch wohlig an. Nichts könnte perfekter sein als dieser Moment.

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt