13. Alkohol

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  Patrick bewegte sich selbstbewusst zum Takt der Musik. Er hatte die Augen geschlossen, bunte, flackernde Lichter schienen auf ihn herab. Er fühlte sich frei. Schon lange war er nicht mehr ausgegangen, immerhin hatte er keine Zeit dafür gehabt. Umso mehr freute er sich über Manuels Angebot.

  »Mojito, mein Schatz«, lallte Tim und hielt dem Kleineren einen Cocktail hin. »Es ist schön, endlich mal wieder etwas mit dir zu unternehmen.«

  »Danke, Liebster, das finde ich auch«, lächelte Patrick breit und gab ihm zum Dank einen Kuss auf die Wange.

  Als er als Tänzer im Nachtclub anfing, hatte Tim ihn öfters zum Feiern mitgenommen. Das war noch bevor er höhere Zahlungen im Monat verlangte. Damals waren sie stundenlang unterwegs, tanzten, bis ihre Füße schmerzten und fanden erst den Heimweg, als es schon wieder hell draußen war. Tim wurde ein guter Freund für Patrick, doch er tendierte dazu, Freundschaften zu vernachlässigen, weshalb sie seit Ewigkeiten nichts mehr miteinander unternommen hatten.

  »Ich muss schon sagen, Patrick, ich bin ein bisschen traurig«, sagte Tim theatralisch und nippte an seinem Martini. »Dass du ihn gewählt hast und nicht mich.«

  »Gewählt? Was – nein«, Patrick errötete. »Manuel ist nett, aber er ist immer noch mein Kunde.«

  »Und deswegen sind wir hier. Als die einzigen, die er von sich aus eingeladen hat, mh? Mach dir doch nichts vor, Süßer.« Sein Kollege zog die Augenbrauen hoch. »Außerdem hat er schon den ganzen Abend nur Augen für dich. Du solltest zu ihm, husch, husch.«

  Patrick hörte ihn noch kichern, während er sich in Richtung Balkon aufmachte, auf dem Manuel seit einigen Minuten allein stand. Er ging raus zum Telefonieren, kam jedoch nicht mehr rein, weil er die frische Nachtluft genoss.

  Der Tänzer lief mit langen Schritten zu seinem Kunden. Er bemerkte, wir er schwankte und schwor sich, dass dies sein letzter Cocktail des Abends war.

  Er beobachtete den Architekten für einen Moment, bevor er sich zu ihm gesellte. Wie Manuel so gedankenverloren an der Brüstung stand, wie immer in einem weißen Hemd, welches leicht an seinen Schulterblättern spannte, ließ den Kleineren lächeln. Er war froh, ihn zu haben. Wenn auch nicht so, wie er es eigentlich wollte.

  »Hey«, hauchte Patrick mit leiser Stimme und legte eine Hand um seine Hüfte, während er sich neben ihn stellte. »Es ist wirklich schön hier, danke für die Einladung.«

  »Nicht dafür. Es freut mich, dass es dir gefällt«, Manuel lächelte schmal und gab sich den Berührungen des Kleineren hin.

  »Ist alles in Ordnung?«, der Tänzer lehnte seine Stirn an Manuels Schulter und ließ seine Hand auf und ab wandern an seiner Hüfte. »Du wirkst traurig.«

  »Mh, nein«, antwortete der Architekt leise.

  »Das kaufe ich dir nicht ab«, Patrick drehte den Größeren zu sich um, nahm seine linke Hand und zog ihn sanft in seine Richtung. »Du trinkst jetzt Tequila mit mir und dann gehen wir tanzen.«

  Manuel wollte sich wehren, aber der Tänzer hatte ihn in seinem Bann. Egal was er sagte, er würde es tun. Also tranken sie Tequila. Der Alkohol brannte immer noch angenehm in seinem Hals, als sie auf die Tanzfläche gingen.

  Der Architekt hatte sich noch nie wohlgefühlt beim Tanzen und der Gedanke daran, dass ihm jetzt all seine Mitarbeiter beobachten konnten, verstärkte das Unwohlsein.

  »Ich kann nicht tanzen, Patrick, lass -«, er wollte sich eine Ausrede einfallen lassen, doch der Kleinere hielt seinen Zeigefinger auf seine Lippen und verbot ihm, weiterzureden.

  »Es gibt kein ich kann nicht tanzen. Schließ' deine Augen und fühle den Rhythmus. Den Rest mache ich und der Alkohol«, summte der Tänzer, schmiegte seinen Körper an Manuel und bewegte sich zum Takt.

  Der Architekt tanzte mit ihm. Zwar nicht lange, aber das war okay. Patricks Bauch war gefüllt mit Schmetterlingen, die er zum ersten Mal zuließ. Er verliebte sich in das Gefühl des Verliebtsein.

  Die ganze Zeit über, seitdem er sein wahres Gesicht gezeigt hatte, konnte Patrick keine Gefühle zulassen. Er hatte keine Zeit dafür, sie würden ihn nur davon ablenken, wieder frei zu sein. Doch er genehmigte sich diesen Abend. Nur diesen einen Abend.

  Patrick trank bis in die späte Nacht abwechselnd Tequila mit Tim und Manuel. Irgendwann kam noch ein Mann dazu, er glaubte, er stellte sich als Micha vor, und sie blieben zu viert an der Bar, tranken Shot nach Shot, lachten und erzählten sich irgendwelche dummen Geschichten.

  Nach und nach verabschiedeten sich die anderen Gäste bei Manuel, sodass auch sie langsam in Aufbruchstimmung lagen.

  »Scheiße«, kicherte Patrick, der alles verschwommen sah. »Ich glaube ich brauche ein Glas Wasser.«

  Manuel bestellte ihm ein Glas und legte seine Hand auf seinen Rücken. Er hätte den Tänzer schon vor einer Stunde weitere Shots verbieten sollen. Er war der Kleinste von ihnen, hatte aber definitiv viel mehr an diesem Abend getrunken.

  »Vielleicht solltest du an die frische Luft«, sagte Manuel besorgt und legte Patricks Arm um seinen Nacken, damit er ihn stützen konnte. »Ich bringe dich nach draußen, ja?«

  Mit dem Kleineren im Schlepptau, taumelte der Architekt nach draußen und setzte ihn dort auf eine gepolsterte Bank ab.

  »Nicht hinlegen, ich komme gleich wieder«, sagte Manuel und fuhr ihm über die Haare.

  »Bleib hier«, murmelte Patrick und streifte seinen Arm. »Ich brauch kein Wasser, bleib einfach bei mir.«

  »Du brauchst sehr wohl Wasser, du weißt gar nicht, was du redest«, der Architekt schüttelte leicht den Kopf.

  »Manu«, bettelte der Kleinere.

  Manuel seufzte laut. Patrick brauchte Wasser, vielleicht ein Stück Brot, bestenfalls zwei Finger im Rachen, damit er einen großen Teil Alkohol auskotzen konnte. Aber gerade fühlte es sich gut an, dass er einzig und allein nach ihm fragte. Also setzte er sich mit auf die Bank, rutschte an ihn heran und der Tänzer legte sofort seinen Kopf auf den Schoß des Architekten.

  »Manchmal wünschte ich, ich wäre nicht so dumm gewesen«, lallte Patrick. »Es ist so schwierig, weißt du. Wie kann ich je wieder richtig lieben, wenn man mich so sehr hintergangen hat?«

  »Was redest du da?«, fragte Manuel besorgt und strich ihm erneut über die Haare.

  »Männer sind Schweine, Manu. Du denkst sie lieben dich, aber dann nutzen sie nur dein Geld aus. Oder sie benutzen deine Labilität. Machen aus dir einen noch kaputteren Menschen«, Patrick lachte laut auf und vergoss eine Träne. »Alles Idioten. Alles verdammte, verdammte Idioten. Aber ohne sie hätte ich dich vielleicht nie kennengelernt.«

Fulfill Me | kürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt